
© Andrii Lysenko - stock.adobe.com
Werden Gefahren tabuisiert?: Abtreibung könnte Risiko psychischer Erkrankungen erhöhen
Die psychischen Folgen von Abtreibungen sind ein umstrittenes Thema. Experten warnen vor einer Tabuisierung langfristiger Gefahren. Eine beue Studie zählt viele davon auf – bis hin zum Suizid.
Stand:
Eine kanadische Langzeitstudie liefert neue Erkenntnisse zur psychischen Gesundheit von Frauen, die abgetrieben haben. Laut der im „Journal of Psychiatric Research“ veröffentlichten Untersuchung weisen Frauen nach einem Schwangerschaftsabbruch ein deutlich höheres Risiko für psychiatrische Klinikeinweisungen auf als nach einer Geburt.
Das Wiener Bioethikinstitut IMABE beklagte in einer Zusammenfassung der Studie, die seelischen Langzeitfolgen von Abtreibungen kämen in der öffentlichen Diskussion kaum vor, obwohl sie viele Frauen beträfen.
Für die Studie wurden den Angaben zufolge rund 1,25 Millionen Schwangerschaftsverläufe in Québec zwischen 2006 und 2022 analysiert, darunter 28.721 Abtreibungen. Die Daten wurden bis zu 17 Jahre nachverfolgt.
Die Auswertung zeigt: Die Hospitalisierungsrate wegen psychiatrischer Erkrankungen, Substanzgebrauchsstörungen oder Suizidversuchen war bei Frauen nach einer Abtreibung 2,5-mal so hoch wie nach einer Geburt.
Besonders junge Frauen gefährdet
Besonders gefährdet waren demnach junge Frauen unter 25, Frauen mit früheren Lebendgeburten, mehrfachen Schwangerschaftsabbrüchen sowie Frauen mit psychischen Vorerkrankungen. Letztere wurden nach einer Abtreibung rund neunmal so häufig stationär aufgenommen wie entsprechende Frauen ohne Abbruch.
„Auch 17 Jahre nach der Abtreibung blieb das Risiko für psychiatrische Hospitalisierung in unserer Studie erhöht“, schreiben die Autoren.
Hochwertige Studien belegen statistisch signifikante Zusammenhänge zwischen Abtreibung und Depression, Angstzuständen, Suizidalität sowie Alkohol- und Drogenmissbrauch.
Susanne Kummer, Direktorin des Wiener Bioethikinstituts IMABE
Am höchsten sei das Risiko innerhalb der ersten fünf Jahre nach dem Abbruch gewesen, insbesondere für Suizidversuche und Substanzstörungen wie etwa Kokain- oder Halluzinogenmissbrauch. Auch im Langzeitverlauf sei vor allem das Risiko für substanzbezogene Störungen signifikant erhöht gewesen. Durch die große Stichprobe und die lange Beobachtungszeit seien die Ergebnisse besonders aussagekräftig.
IMABE verwies auf die Bedeutung dieser Daten für eine faktenbasierte Debatte. Bereits 2023 hatte das Wiener Institut 14 internationale Studien zu psychischen Folgen von Abtreibung verglichen. „Hochwertige Studien belegen statistisch signifikante Zusammenhänge zwischen Abtreibung und Depression, Angstzuständen, Suizidalität sowie Alkohol- und Drogenmissbrauch“, sagte Direktorin Susanne Kummer.
Ein direkter Kausalnachweis sei zwar methodisch nicht möglich, die Unterschiede im langfristigen psychischen Gesundheitsverlauf zwischen Frauen mit und ohne Abtreibungserfahrung seien aber „nicht von der Hand zu weisen“. Dennoch sei der Schwangerschaftsabbruch in vielen Ländern - etwa in Österreich, Deutschland oder Großbritannien - bis heute rechtlich als Mittel zum Schutz der psychischen Gesundheit anerkannt. In Großbritannien etwa seien 2021 rund 98 Prozent aller Abtreibungen mit „psychischer Indikation“ begründet worden.
2025 erklärte auch die deutsche ELSA-Studie, es gebe „keine Hinweise auf gravierende psychische Langzeitfolgen“. Diese Einschätzung werde jedoch der aktuellen Datenlage nicht gerecht, so IMABE. Frauen hätten ein Recht auf vollständige Aufklärung über mögliche psychische Risiken. Das Thema psychische Gesundheit nach Abtreibung dürfe nicht länger tabuisiert werden. (KNA)
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: