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Das Blut wird anderswo gebraucht: Warum werden Finger in der Kälte steif?
In warmer Umgebung spielen Nerven, Muskeln, Sehnen, Gelenke und Haut der Hände und Unterarme bestens zusammen. Fällt die Außentemperatur aber deutlich unter 20 Grad ab, ändert sich das.
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Wer schon einmal versucht hat, im Winter Straßenmusik zu machen, kann ein Lied davon singen: schnelle Läufe auf Flöte oder Geige werden zur Herausforderung. Das flüssig Geübte stockt und wird schwerfällig, weil die Finger den Gehorsam verweigern. Denn sinken in der kalten Jahreszeit die Temperaturen, schwindet die Feinmotorik der Finger zunehmend, je länger diese der Kälte ausgesetzt sind.
In warmer Umgebung spielen Nerven, Muskeln, Sehnen, Gelenke und Haut der Hände und Unterarme bestens zusammen, um die Finger fein beweglich sein zu lassen. Fällt die Außentemperatur aber deutlich unter 20 Grad ab, ändert sich das. Der Körper setzt dann Prioritäten: „Um lebenswichtige Organe wie Herz und Gehirn bei konstanter Temperatur halten zu können, wird das Blut im Körperzentrum gesammelt“, berichtet Michael Sticherling, Leitender Oberarzt der Hautklinik des Universitätsklinikums Erlangen.
Durch die Kälte werden Kontraktionsprozesse verlangsamt.
Thomas Korff, Physiologe
Der Sympathikus, Teil des unbewusst gesteuerten vegetativen Nervensystems, wird dann verstärkt aktiv und sorgt dafür, dass die Gefäße der Extremitäten verengt werden. Hierdurch kann die Temperatur der Hände durchaus unter zehn Grad fallen, was die Gewebe in ihren Eigenschaften verändert.
Welche Faktoren führend sind, ist unter Wissenschaftlern nicht abschließend geklärt. Aber klar ist: „Durch die verminderte Blutzirkulation werden die Muskeln weniger mit Energie versorgt“, so Thomas Korff, Professor am Physiologischen Institut der Universität Heidelberg. „Durch die Kälte werden zudem Kontraktionsprozesse verlangsamt oder kommen in Extremsituationen sogar komplett zum Erliegen.“
Die Sehnen und Gelenke sind dabei zusätzlich weniger elastisch, die in der Haut liegenden Schmerzrezeptoren verändern ihre Empfindlichkeit. Korff: „Hier kann ein Glühwein Wunder wirken: Er wärmt die Hände und enthält Alkohol, der die Blutgefäße wieder eröffnet und so die interne Wärmezufuhr erhöht.“
Allerdings kann dieses „Auftauen“ auch unangenehm werden. Denn während der Minderdurchblutung sammeln sich Abbauprodukte des Stoffwechsels im Gewebe an. Werden die Gefäße nun erweitert und die Temperatur in den Fingern damit erhöht, wird das lokale Nervensystem wieder sensibler. Korff: „Da die Abbauprodukte die Schmerzrezeptoren stimulieren, können je nach Grad und Dauer der Kältereaktion vorübergehend Schmerzen auftreten, bis diese Stoffe vollständig abtransportiert sind.“
Alle bisher erschienenen Folgen von „Die gute Frage“ finden Sie auf der Übersichtsseite der Kolumne.
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