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Die Karosserie des BYD Seal 6 DM-i Touring wurde eigens für den europäischen Markt entworfen.

© BYD Deutschland

Im „Volldampf-voraus-Modus“: BYD setzt bei seinem Seal 6 DM-i Touring auf ein neues Plug-in-System

Das Verhältnis der beiden kombinierten Antriebe Verbrenner/E-Motor hat sich deutlich zugunsten des Letzteren verschoben. Das verbessert die Reichweite.

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Ohne Tank- oder Ladestop von Berlin nach Monaco? Respekt! Das sind etwa 1350 Kilometer, also die Strecke, die der Hersteller BYD als maximale Reichweite seines brandneuen Seal 6 DM-i Touring angibt. Gleichwohl müsste man, für dieses oder jenes Bedürfnis, zwischendurch doch mal anhalten. Dafür sorgte schon der Wagen, würde bei müdem, immer wieder abirrendem Blick via Fahrerdisplay zur Konzentration ermahnen oder, vielleicht wegen zu häufigen Gähnens, eine virtuelle Tasse Kaffee anbieten: „Müdigkeit erkannt, bitte ruhen Sie sich aus.“

Für den chinesischen Konzern BYD, der sich als „der weltweit größte Hersteller von elektrifizierten Fahrzeugen“ rühmt, bedeutet der neue Plug-in-Hybrid nichts weniger als einen „Meilenstein“. So formulierte es jedenfalls Lars Bialkowski, seit Juni 2025 Chef von BYD Deutschland, unlängst bei der Deutschland- und Europa-Premiere des Wagens in München. Ausgewählt hatte man dafür die Wappenhalle, einen noch immer imponierenden Überrest des 1992 geschlossenen Flughafens München-Riem.

Neue Technik, alte Technik: der BYD Seal 6 DM-i Touring auf dem Gelände des 1992 geschlossenen Flughafens München-Riem. An den erinnert noch die ehemalige Ankunftshalle und der im Hintergrund sichtbare Tower.

© Andreas Conrad

Ein überaus selbstbewusster Auftritt: Bialowski sieht BYD, sicher zu Recht, als „Herausforderer im deutschen Markt“, nennt als Ziel bis Jahresende 120 Standorte („Werden wir auf jeden Fall schaffen“). 180 weitere sollen bis Ende 2026 folgen. Auch wolle man innerhalb der nächsten fünf Jahre als europäischer Hersteller wahrgenommen werden, schon Ende des Jahres starte in Ungarn das erste europäische Werk.

Bis zu 100 Kilometer elektrische Reichweite

All dies, so der CEO, bei hierzulande wachsendem Hybridmarkt. Da kommt ein familiengerechter Kombi wie der Seal 6 DM-i Touring gerade recht mit seiner eigens für Europa entwickelten Karosserie und der speziellen Plug-in-Technik, die das Verhältnis der beiden kombinierten Antriebe Verbrenner/E-Motor deutlich zugunsten des Letzteren verschiebt. Bei BYD spricht man etwas vollmundig von einem „hochmodernen Super-Hybrid mit DM-Technologie (Dual Mode)“, der bis zu 100 Kilometer rein elektrische Reichweite und bei voller Batterie und vollem Tank eine kombinierte Reichweite von eben 1350 Kilometern biete.

Die Front des BYD Seal 6 DM-i Touring soll „vom Ozean inspiriert“ sein.

© BYD Deutschland

Das neue Verhältnis zwischen Benziner und Elektromotor deutet sich bereits in deren PS-Zahlen an: Der speziell für den „Dual Mode“ entwickelte Verbrenner wird mit rund 98 PS angegeben, das E-System mit einem E-Motor für den Antrieb und einem für die Stromerzeugung mit 197 PS. „Primäre Energiequelle“ ist laut BYD der Elektroantrieb mit seiner maximal 19 kWh starken Batterie, so dass man, ist sie voll geladen, rein elektrisch dahingleitet. Sinkt der Ladezustand unter eine bestimmte, flexibel einstellbare Grenze, so schaltet sich der Verbrenner als Generator dazu und lädt die Batterie auf, während es weiter elektrisch vorangeht. Wird plötzlich mehr Leistung, etwa beim Überholen, verlangt, wechselt der Wagen in den „Volldampf-voraus-Modus“ (O-Ton BYD): Beide Antriebe werden nun parallel geschaltet. Erst bei niedrigem Batteriestand und hohem Tempo arbeitet der Verbrenner allein.

Im Fahralltag muss man sich um solche technischen Finessen keine Gedanken machen. Der Wagen organisiert das alles selbst, gleitet ruhig durch den Stadtverkehr, beschleunigt auf der Autobahn sehr zufriedenstellend, röhrt bei Vollgas zwar lauter als erwartet, aber manch einer mag das ja.

Auch das aufs europäische Auge zugeschnittene Außenkleid überzeugt. Mit seiner langgestreckten, zum Heck hin leicht abfallenden Silhouette wirkt der Wagen keineswegs wie eine biedere Familienkutsche, sondern geradezu sportlich. Das Heck gibt sich modern mit der über die gesamte Breite durchgezogene Rückleuchte, ohne die es beim Fahrzeugdesign heute kaum mehr geht. Auch die Front bietet mit ihrer klaren Linienführung einen erfreulichen Anblick. Ob man sie aber wegen des „wellenförmigen Kühlergrills“ als „vom Ozean inspiriert“ empfindet und gar Kristalle als Inspirationsquelle der Voll-LED-Scheinwerfer erkennt, mag jeder für sich selbst entscheiden.

Das Eckige hinterm Runden: Zwei kantige Bildschirme prägen die Innenarchitektur des BYD Seal 6 DM-i Touring.

© BYD Deutschland

Mit etwas Fantasie lässt sich auch in der Gestaltung des Armaturenbretts eine Art Wellenbewegung erkennen, zumindest auf der Beifahrerseite, während es auf der Fahrerseite elliptisch ausläuft. Montiert aus Bauteilen unterschiedlichen Materials, mit großen Lüftungsschlitzen und langgezogenen horizontalen Rillen für die Ambientebeleuchtung wirkt es allerdings ziemlich zerklüftet. Dieser vor den Insassen ausgebreiteten Innenarchitektur sind zwei rechteckige Bildschirme vorgesetzt: der heute übliche größere als zentraler Touchscreen für Fahrzeugeinstellungen, Infotainment etc., dazu der arg klein geratene hinterm Lenkrad für die Fahrinformationen.

Der Bildschirm hinterm Lenkrad des BYD Seal 6 DM-i Touring ist nicht gerade ausladend geraten.

© Andreas Conrad

Nur 8,8 Zoll, also knapp über 22 Zentimeter misst seine Bildschirmdiagonale, die zahlreichen darauf versammelten Buchstaben, Zahlen, Symbole, etwa zur zulässigen Geschwindigkeit, fallen daher notgedrungen sehr klein aus. Säße man vor dem heimischen Computer, würde man umgehend die Schrift vergrößern. So aber muss die Warnung bei einer vom Auto erkannten und gerügten Unaufmerksamkeit unvollständig bleiben: „Bitte konzentrieren Sie sich auf…“ Worauf man sich konzentrieren soll, passt nicht mehr auf den Bildschirm. Na gut, man kann es sich denken.

Mehr überzeugt der Wagen mit seiner guten Serienausstattung, darunter das Panoramadach, elektrisch verstellbare Vordersitze samt Memory-Funktion, Belüftung und Heizung sowie die elektrische Heckklappe. Dazu gibt es diverse Assistenzsysteme wie Rückfahr- und 360-Grad-Kamera, adaptive und intelligente Geschwindigkeitsregelung, Totwinkelassistent und das erwähnte System zur Erkennung von Fahrern mit zunehmendem Schlafdefizit.

Der Wählhebel fürs Automatikgetriebe  ist rechts an der Lenksäule montiert, dadurch war es möglich, die Mittelkonsole für zusätzlichen Stauraum unten offen zu gestalten. Insgesamt wirkt der Wagen innen ausgesprochen geräumig, was sicher auch am Radstand von 2,79 Metern liegt. Hinten sitzende Passagiere müssen bezüglich des Sitzkomforts aber einige Konzessionen machen: Der Wagen hat dank der im Fahrzeugboden eingebauten Batterie einen tiefen Schwerpunkt, das ist gut fürs Fahrverhalten. Menschen mit langen Beinen aber müssen selbige konstruktionsbedingt deutlich stärker anwinkeln, als sie es aus Verbrennern, also ohne Akku unter den Fußsohlen gewohnt sind. Auf einer Strecke von 1350 Kilometern kann das lästig werden.

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