
© IMAGO/Anadolu Agency/IMAGO/Royal Thai Army / Handout
Angriffe zwischen Thailand und Kambodscha: „Eine weitere Eskalation ist durchaus plausibel“
Auf Druck von Donald Trump hatten Thailand und Kambodscha erst im Oktober ein Friedensabkommen geschlossen. Jetzt gibt es wieder Tote und Verletzte – eine Entspannung ist nicht in Sicht.
Stand:
Keine zwei Monate nach der Unterzeichnung eines Friedensabkommens ist der Konflikt in der Grenzregion von Thailand und Kambodscha erneut eskaliert. Die Nachbarländer beschuldigten sich gegenseitig, die Waffenruhe verletzt zu haben. Nach mutmaßlichen kambodschanischen Raketenbeschüssen und Luftangriffen von thailändischer Seite in der Nacht zum Montag sind in beiden Ländern Opfer zu beklagen und Tausende Menschen auf der Flucht.
Herr Heiduk, wie sehr sind Sie von den neuerlichen Angriffen zwischen Thailand und Kambodscha überrascht?
Nicht so sehr. Das Ende Oktober vereinbarte Abkommen ist ja bereits Mitte November wieder ausgesetzt worden. Schon in den vergangenen drei Wochen ist es regelmäßig zu Vorfällen gekommen, zum Beispiel zu gegenseitigem Beschuss. Der Einsatz von Kampfflugzeugen jetzt ist eine weitere Eskalation, die sich aber meiner Einschätzung nach schon angedeutet hat.
Beide Länder geben sich gegenseitig die Schuld. Was lässt sich über die Hintergründe sagen?
Der Hintergrund ist zunächst mal, dass man im Rahmen des Gipfels der Asean, der Assoziation der südostasiatischen Staaten, Ende Oktober bei einer großen Zeremonie dieses „Friedensabkommen“ unterzeichnet hat. Dabei war aber vor allem der Trump-Faktor wichtig. Der US-Präsident hat sich nicht nur selbst zum Friedensstifter zwischen Thailand und Kambodscha ernannt, er hat auch erklärt, er würde nur zum Gipfel reisen, wenn dort unter seinem Vorsitz das Abkommen unterzeichnet würde.
Dann gab es auch massiven Druck durch die Trump-Regierung, vor allem durch die Androhung von hohen Zöllen. Für Kambodscha und Thailand sind die USA ein wichtiger Exportmarkt. So hat man sich also zähneknirschend zur Unterzeichnungszeremonie hinbegeben. Aber das war inhaltlich nie ein „Friedensabkommen“, sondern aus meiner Sicht in erster Linie Taktieren der Konfliktparteien. Und das hat man jetzt auch gesehen.
Es war also allen Beteiligten klar, dass das Abkommen die Unterschrift nicht wert ist?
So würde ich das nicht sagen. Ich weiß nicht, ob das der Trump-Administration unbedingt klar war. Und man soll die Hoffnung auf Frieden ja auch nicht aufgeben. Als Vermittler viel entscheidender als die USA war zum Beispiel Malaysia, in diesem Jahr Vorsitzender der Asean.
Aber inhaltlich und vom mangelnden gegenseitigen Vertrauen der beiden Parteien her, konnte man eigentlich schon im Vorfeld erkennen, dass es ein eher dünnes Abkommen ist.
So schnell werden wir keine Entspannung sehen.
Felix Heiduk
Ist der Friedensprozess damit gescheitert?
Es gibt keinen wirklichen Friedensprozess. Denn selbst wichtige Bestandteile des Waffenstillstandsabkommens, zum Beispiel der Austausch von Kriegsgefangenen, wurden ja bislang nicht umgesetzt. Von einem echten Friedensprozess sind wir im Moment meilenweit entfernt. So schnell werden wir keine Entspannung sehen.
Halten Sie eine Eskalation für wahrscheinlicher?
Die halte ich durchaus für plausibel. Das hängt aber von mehreren Faktoren ab. Zum einen von innenpolitischen: Da muss man beobachten, wie sich Thailands neuer konservativer Premier Anutin Charnvirakul positioniert. Seine Vorgängerin Paetongtarn Shinawatra ist ja gerade darüber gestürzt, dass sie gegenüber Kambodscha als zu versöhnlich galt.
Und gleiches gilt auch für Kambodschas Regierung. Da gibt es ebenso großen innenpolitischen Druck, gegenüber dem größeren Nachbarn Thailand Stärke zu zeigen. Dann gibt es außenpolitische Faktoren: Der Asean-Vorsitz ist vor einigen Wochen von Malaysia an die Philippinen übergegangen. Ob sich Manila genauso engagieren wird, wissen wir noch nicht.
Und was ist mit dem Faktor Trump?
Da ist die Frage, ob er den Konfliktparteien wieder mit einer Verschlechterung der Handelsbeziehungen drohen wird oder ob er jetzt das Interesse an diesem Konflikt verloren hat.
Was bedeutet der Konflikt für den Tourismus und Urlauber in den beiden Ländern?
In den Zentren der Tourismusindustrie, also vor allem Angkor Wat, Phnom Penh, Bangkok und dem Golf von Thailand, findet der Konflikt bislang nicht statt. Ich gehe auch nicht davon aus, dass das so schnell der Fall sein wird. Dafür müsste es ja wirklich eine massive Gewalteskalation hin zu einem zwischenstaatlichen Krieg geben.
Dennoch sieht man auch jetzt schon, dass Hunderttausende Bewohner und Bewohnerinnen des Grenzgebietes auf beiden Seiten zu Evakuierungen aufgerufen sind. Das könnte also auf jeden Fall Auswirkungen auf die Wirtschaft und den grenznahen Tourismussektor haben.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid:
- false