
© dpa/Alexander Zemlianichenko
Anwälte von Nawalny zu Straflagerhaft verurteilt: Russland-Experte spricht von einem neuen Level an Repression
Ein Jahr nach dem Tod von Kremlgegner Nawalny sind drei seiner Anwälte zu mehreren Jahren Straflager verurteilt worden. Ein Russland-Experte erklärt, wie das zu werten ist.
Stand:
Ein russisches Gericht hat drei Anwälte des 2024 in Haft gestorbenen russischen Oppositionsführers Alexej Nawalny zu langen Haftstrafen im Straflager verurteilt.
Mehrere russische Medien meldeten aus dem Gericht der Stadt Petuschki östlich von Moskau, dass Nawalnys bekannter Verteidiger Wadim Kobsew zu fünfeinhalb Jahren Straflager verurteilt wurde. Der Anwalt Alexej Lipzer erhielt eine Haftstrafe von fünf Jahren. Igor Sergunin dreieinhalb Jahre.
Alle wurden demnach wegen angeblicher Mitgliedschaft in einer „extremistischen Organisation“ verurteilt, wie das Portal „Sotavision“ bei Telegram meldete.
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Richterin Julia Schilowa blieb demnach unter den Strafanträgen der Staatsanwaltschaft, die etwa für Sergunin fünfeinhalb Jahre Haft gefordert hatte.
Nawalny-Anwälte vor Gerichtsgebäude als „Helden“ tituliert
Das Portal „Mediazona“ berichtete von einem großen Andrang im Gericht, das den umstrittenen Prozess unter Ausschluss der Öffentlichkeit durchgezogen hatte. „Leute, ihr seid Helden! Wir sind stolz auf euch, ihr seid die besten Menschen in Russland!“, rief jemand laut „Mediazona“ den Anwälten zu.
Auf Fotos war dichtes Gedränge in den Gängen des Gerichts zu sehen. „Sotavision“ berichtete, dass sein Korrespondent zeitweilig von der Polizei festgehalten worden sei – unter dem Vorwand, er sehe einem gesuchten Dieb ähnlich. Auch andere Portale berichteten über Schikane gegen Prozessbeobachter, darunter Juristen, die sich mit den Angeklagten solidarisierten.
In den sozialen Medien wurden zwischenzeitlich Fotos und Videos geteilt, in denen zu sehen ist, wie die drei Anwälte nach dem Prozess im Gerichtssaal von ihren Unterstützern mit Applaus bedacht werden.
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Nawalnys Witwe verurteilt Haftstrafen der Anwälte
Die Witwe des verstorbenen Kremlkritikers Julija Nawalnaja verurteilte die mehrjährigen Haftstrafen am Freitag in einem auf X veröffentlichten Beitrag. „Wadim, Alexej und Igor sind politische Gefangene und sollten unverzüglich freigelassen werden“, so die 48-jährige Aktivistin.
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„Putin darf nicht öffentlich kritisiert werden“
„Die Verurteilung markiert eine neue Stufe der Radikalisierung im staatlichen Kampf gegen Oppositionelle und Andersdenkende“, sagt der Osteuropa-Historiker Alexey Tikhomirov von der Universität Bielefeld dem Tagesspiegel. „Nawalny ist tot, doch sein Name und sein Vermächtnis verunsichern den Kreml weiterhin.“
Er führt aus: „Der Staat hat den Bürgern das totale Schweigen auferlegt. Seit Beginn der Vollinvasion in der Ukraine ist eines noch deutlicher geworden: Putin darf öffentlich nicht kritisiert werden, und Diskussionen über Kriegsangelegenheiten sind tabu.“
Dass nun auch Anwälte von Dissidenten nicht mehr sicher vor staatlicher Verfolgung seien, habe eine große Symbolkraft, betont der Wissenschaftler, der insbesondere zu russischer und sowjetischer Geschichte forscht: „Die wenigen, die sich dennoch wagen, diese Grenzen zu überschreiten, sind der staatlichen Willkür schutzlos und ohne jeglichen rechtlichen Beistand ausgeliefert“, sagt er. Und: „Dies ist ein staatlich verordneter Dolchstoß in den Rücken der Betroffenen, der den Bürgern jede Möglichkeit auf rechtlichen Schutz entzieht.“
Die Unterstützung russischer Oppositioneller durch westliche Medien, Organisationen sowie Einzelpersonen sei nun von noch größerer Bedeutung, betont Tikhomirov.
Für die drei nun verurteilten Nawalny-Anwälte breche eine Zeit der Ungewissheit an, erklärt er. „Es bestehen zwei Möglichkeiten: Entweder müssen die Opfer des repressiven Staatssystems auf den momentan nicht absehbaren Sturz des Putin-Regimes warten oder auf einen Gefangenenaustausch hoffen.“ Die möglicherweise bevorstehenden Verhandlungen über ein Kriegsende in der Ukraine könnten eventuell ein Fenster für einen Austausch öffnen, meint er.
Verfahren gegen Nawalnys Anwälte politisch motiviert
Den Anwälten des Kremlgegners wird die Zugehörigkeit zu einer extremistischen Vereinigung zur Last gelegt – gemeint ist der von Nawalny gegründete Fonds zur Bekämpfung der Korruption. Die Juristen sollen verbotene Botschaften ihres Mandanten aus der Haft an die Öffentlichkeit gebracht haben.
Der Prozess hatte im September 2024 begonnen. Die Anwälte waren im Oktober 2023 festgenommen worden, als noch Prozesse gegen Nawalny liefen. Die Verfahren gelten als politisch motiviert.
Nawalnys Team im Exil im Ausland teilte mit, es sei wohl kein Zufall, dass das Urteil gegen die Anwälte am Jahrestag der Rückkehr des Gegners von Kremlchef Wladimir Putin nach Russland gefallen sei.
Nawalny war am 17. Januar 2021 nach seiner Behandlung in Deutschland wegen eines Giftanschlags mit dem chemischen Kampfstoff Nowitschok nach Russland zurückkehrt. Er starb im Straflager im Februar im vorigen Jahr unter unklaren Umständen. Seine Angehörigen werfen Putin Mord vor. (haw, dpa, AFP)
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