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Auswärtiges Amt weist US-Bericht zurück: Washington attestiert Deutschland mangelnde Meinungsfreiheit
Die Trump-Regierung bescheinigt Deutschland Mängel bei der Meinungsfreiheit und steigenden Antisemitismus unter Migranten. In Berlin wird dem US-Bericht widersprochen.
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Das Auswärtige Amt hat der in einem US-Regierungsbericht erhobenen Kritik widersprochen, wonach in Deutschland die Meinungsfreiheit eingeschränkt sei. „Wir sehen, glaube ich, die Presse- und Meinungsfreiheit in Deutschland nicht eingeschränkt“, sagte ein Sprecher des Außenamts am Mittwoch in Berlin. Der Bericht sei „zur Kenntnis genommen“ worden.
Vize-Regierungssprecher Steffen Meyer wollte das US-Dokument für die Bundesregierung nicht bewerten: „Da sind wir jetzt die falschen Ansprechpartner“, sagte Meyer. Er erwarte auch keine offizielle Reaktion der Bundesregierung. Der Sprecher betonte zugleich, dass die Bundesrepublik „eine gefestigte Demokratie“ mit einem sehr breiten Schutz der Meinungsfreiheit sei. „Es findet hier in Deutschland keine Zensur statt.“
Es gebe hierzulande „ein sehr hohes Maß an Meinungsfreiheit, und das werden wir auch in jeder Form weiter verteidigen“, ergänzte der Vize-Regierungssprecher. Unbequeme und unpopuläre Ansichten seien ausdrücklich geschützt. Zum Schutz der Demokratie gebe es aber auch Grenzen der Meinungsfreiheit. So überschreite zum Beispiel das Leugnen des Holocausts eine der Grenzen.
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In ihrem Bericht kritisiert die US-Regierung unter anderem auch steigenden Antisemitismus in Deutschland. Der Kampf gegen Antisemitismus sei „eine zentrale Aufgabe der Bundesregierung“, sagte Meyer dazu. Diese bekämpfe ihn „in jeder Form“.
Unions-Fraktionschef Jens Spahn (CDU) wies die US-Kritik an angeblich mangelnder Meinungsfreiheit ebenfalls zurück. „Jeder kann in Deutschland sagen, was er denkt. Das ist ein freies Land“, sagte er dem Sender Welt TV. Natürlich gebe es Grenzen, wenn es strafrechtlich relevant werde oder bei Beleidigungen.
Der Fraktionschef warnte zugleich vor der Tabuisierung bestimmter Themen: „Wir müssen es auch wieder üben, die Debattenräume weit zu machen, dass wir bestimmte Debatten gar nicht anfangen zu tabuisieren.“ Spahn nannte als Beispiel Debatten zu Migration und Integration.
Im am Dienstag vorgestellten Jahresbericht des US-Außenministeriums werden Deutschland Mängel bei der Meinungsfreiheit attestiert. Im Kampf gegen die Ursachen von Antisemitismus legten die deutschen Bundesbehörden zudem einen zu großen Schwerpunkt auf Rechtsextreme und verharmlosten die Rolle eingewanderter Muslime, heißt es weiter.
Die Menschenrechtslage in der Bundesrepublik habe sich im Laufe des vergangenen Jahres verschlechtert, heißt es darin. „Einschränkungen der Meinungsfreiheit“ und antisemitische Gewalt stellten in Deutschland „erhebliche Menschenrechtsprobleme“ dar.
„Zensur“ gebe es in Deutschland etwa auf Online-Plattformen, heißt es in dem Menschenrechtsbericht unter Verweis auf die EU-Auflage, Hassbotschaften zu löschen. Ähnliche Kritik übte die Trump-Regierung in dem Bericht an anderen europäischen Ländern wie Frankreich und Großbritannien. Gute Noten erhalten dagegen autoritär regierte Länder wie El Salvador, die Trump bei seiner Abschiebepolitik unterstützen.
US-Bericht mahnt zu große Rolle von Rechtsextremismus an
Zu Deutschland heißt es in dem Bericht, das deutsche Grundgesetz garantiere zwar die Presse- und Meinungsfreiheit. „Nichtsdestotrotz hat die Regierung in Übereinstimmung mit dem nationalen Recht Einschränkungen für die Meinungsfreiheit von Gruppen verhängt, die sie als extremistisch betrachtete.“
So seien im vergangenen Jahr mehrere Menschen wegen Aufstachelung zum Rassenhass und Befürwortung oder Leugnung des Holocaust verhaftet oder verurteilt worden. Konkrete Fälle nennen die Autoren nicht. Zugleich kritisiert die Trump-Regierung in dem Bericht, „antisemitische Verbrechen“ hätten sich in Deutschland in den ersten neun Monaten 2024 „mehr als verdoppelt“.
„Forschungen legen nahe, dass ein wichtiger Treiber des Antisemitismus in Deutschland (...) die Masseneinwanderung (legal, illegal und über Asyl) von Bevölkerungsgruppen war, die mit größerer Wahrscheinlichkeit antisemitische Überzeugungen vertreten als gebürtige Deutsche, mit Rekordzahlen von Migranten aus Syrien, Afghanistan und der Türkei in den vergangenen Jahren“, heißt es in dem Bericht.
Die deutsche Polizei schreibt antisemitische Handlungen oft standardmäßig der extremen Rechten zu, wenn ein Täter nicht identifiziert werden kann.
US-Bericht
Zusammenfassend heißt es in dem Bericht: „Die Bundesregierung führte die meisten antisemitischen Handlungen auf Neonazis oder andere extremistische Gruppen oder Personen zurück, und solche Handlungen nahmen im Laufe des Jahres zu.“
Gleichzeitig wird mit einem Verweis auf einen sieben Jahre alten Bericht der „Washington Post“ kritisiert, dass Deutschlands Exekutive bei unsicherer Lage zu vorschnell rechtsextreme Gewalt ausmache. „Im Jahr 2018 berichtete die Washington Post jedoch, dass die deutsche Polizei antisemitische Handlungen oft standardmäßig der extremen Rechten zuschrieb, wenn ein Täter nicht identifiziert werden konnte“, heißt es in dem Bericht.
Vance und Rubio kritisierten zuvor Umgang mit AfD
Bereits in den vergangenen Monaten hatten Äußerungen von US-Regierungsmitgliedern zur deutschen und europäischen Politik für Irritationen gesorgt. Im Februar warf US-Vizepräsident JD Vance den Europäern bei der Münchner Sicherheitskonferenz angebliche Defizite bei der Meinungsfreiheit vor und kritisierte den deutschen Umgang mit der AfD.
US-Außenminister Marco Rubio sprach sogar von „verkappter Tyrannei“ in Deutschland, nachdem der Verfassungsschutz die AfD im Mai vorläufig als „gesichert rechtsextremistisch“ eingestuft hatte. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) verbat sich solche Einmischung in die Innenpolitik.
Gute Noten für El Salvador, schlechte für Brasilien und Südafrika
Gute Noten bekommt in dem US-Regierungsbericht El Salvador. In dem zentralamerikanischen Land gebe es „keine glaubwürdigen Berichte schwerwiegender Menschenrechtsverstöße“, heißt es. Organisationen wie Human Rights Watch und Reporter ohne Grenzen werfen dem salvadorianischen Präsidenten Nayib Bukele dagegen vor, seit 2019 systematisch die Demokratie auszuhöhlen, Medien zu drangsalieren und Dissidenten zu inhaftieren.
Trump lässt irreguläre Einwanderer unter anderem in Länder wie El Salvador oder den Südsudan abschieben, die als Unrechtsstaaten gelten. Der US-Präsident behauptet, bei den betroffenen Migranten handele es sich durchweg um Kriminelle, Vergewaltiger und Mörder.
Eine schlechte Menschenrechtslage bescheinigt das US-Außenministerium dagegen Ländern wie Brasilien oder Südafrika, mit denen Trump über Kreuz liegt. Der US-Präsident wirft Südafrika einen „Genozid“ an weißen Farmern vor.
Zudem versucht er, Brasilien mithilfe hoher Zölle zu zwingen, einen Prozess gegen seinen Vertrauten, den früheren Präsidenten Jair Bolsonaro, fallen zu lassen. Der Oberste Gerichtshof Brasiliens wirft Bolsonaro einen Putschversuch nach seiner Abwahl im Januar 2023 vor. Der Fall erinnert an den Sturm von Trump-Anhängern auf den US-Kongress im Januar 2021. (AFP, mira)
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