
© Imago/Ukrinform/Oleksandr Klymenko
Bericht von der polnischen Grenze: Fast 100.000 junge Männer verlassen die Ukraine seit Ende des Ausreiseverbots
Seit August dürfen 18- bis 22-jährige Ukrainer ihr Land verlassen – im Unterschied zu den älteren Männern. Viele tun das einem Medienbericht zufolge auch: Die Zahlen sind deutlich angestiegen.
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Für ukrainische Männer bedeutete der russische Überfall im Februar 2022 eine harte Beschneidung ihrer Bewegungsfreiheit: 18- bis 60-Jährige dürfen seitdem nur in Ausnahmefällen das Land verlassen. Sie werden als potenzieller Nachschub für die Verteidigungsarmee gesehen, in die zunächst ab 27 und inzwischen ab 25 Jahren einberufen wird. Im August 2025 wurden die Ausreiseregelungen dann etwas gelockert – mit nun deutlich sichtbaren Konsequenzen.
Deutlicher Anstieg der Ausreisen via Polen
„The Telegraph“ berichtet über aktuelle Zahlen von der polnischen Grenze, dort reisen viele ukrainische Migranten in die EU ein. Dem Bericht nach haben seit Ende August 98.500 Ukrainer im Alter zwischen 18 und 22 Jahren diese Grenze passiert. Zum Vergleich: In dem gesamten Zeitraum zwischen Januar 2025 und Inkrafttreten der neuen Regelung sollen lediglich 45.300 junge Männer die polnische Grenze überquert haben.
Auch in Deutschland, wo die Asylanträge insgesamt seit 2023 deutlich rückläufig sind, hat die Migration der jungen Ukrainer Auswirkungen. Der Bayerische Rundfunk berichtete von einem Anstieg: Kamen Mitte August noch 19 der jungen Männer pro Woche, waren es laut Bundesinnenministerium im Oktober zwischen 1400 und 1800.
Warum die ukrainische Regierung die Ausreise nun erlaubt
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte die Lockerung der Ausreiseregelung im August damit begründet, jungen Ukrainern dabei helfen zu wollen, die Verbindung zu ihrem Heimatland aufrechtzuerhalten. Denn nach Kriegsbeginn waren auch viele Minderjährige aus dem Land geflüchtet und nach ihrem 18. Geburtstag aus Furcht vor den Ausreisebeschränkungen nicht zurückgekehrt.
Offen bleibt, wie viele der nun ausgereisten 18- bis 22-Jährigen in die Ukraine zurückkehren werden – und wann. Deutschland jedenfalls versucht, die Einwanderung zu begrenzen. Union und SPD haben im Koalitionsvertrag festgelegt, dass ukrainische Flüchtlinge, die nach dem 31. März 2025 kommen, die geringeren Asylbewerberleistungen erhalten sollen – anstatt Bürgergeld.
Der Armee fehlt der Nachschub – und der Ukraine die Jugend
Die ukrainische Armee sieht sich unterdessen mit einem wachsenden Personalproblem konfrontiert. Der lange Krieg mit Aggressor Russland hat viele Brigaden ausgedünnt. Keine Rekrutierungsmaßnahme führte bisher dazu, dass genug neue Soldaten an die Front geschickt werden konnten – und gleichzeitig kämpft die Ukraine um Städte wie Pokrowsk, obwohl der militärische Nutzen inzwischen fragwürdig ist.
Auch im Ausland wird darum schon länger gefordert, dass die Ukraine Männer unter 25 Jahren – die bisher nur freiwillig kämpfen dürfen – zum Kriegsdienst verpflichtet. Übersehen wird in dieser Debatte mitunter die Demografie des Landes.
Laut „laender-analysen.de“ verzeichnet die Ukraine bereits seit ihrer postsowjetischen Unabhängigkeit 1991 „eine rapide Entvölkerung“. Gründe sind demnach Migration sowie eine sinkende Geburten- und steigende Sterberate. Jüngere Menschen eben gerade nicht in den Krieg zu schicken, kann vor diesem Hintergrund auch als Versuch gesehen werden, die Zukunft des Landes zu erhalten. (mit dpa)
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