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US-Präsident Donald Trump (links) und Chinas Präsident Xi Jinping.

© Reuters/Evelyn Hockstein

„Das US-Dokument macht Diplomaten Angst“: China und die USA ringen um Macht und Einfluss in Lateinamerika

Donald Trump versucht, den restlichen amerikanischen Kontinent wieder zu seinem Hinterhof zu machen. Doch auch China hat Pläne, seinen eigenen Einfluss auszubauen.

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Schon das Datum der Veröffentlichung kann als Kampfansage an Washington verstanden werden: Nur kurz, nachdem die USA im Dezember ihre neue Nationale Sicherheitsstrategie vorgelegt hatten, hat China ein neues Weißbuch Lateinamerika herausgegeben. Es liest sich als bewusster Kontrast zum Hegemonieanspruch der USA über die westliche Hemisphäre.

Präsident Donald Trump versucht seit Monaten, Lateinamerika mit diplomatischem Druck, Strafzöllen und militärischen Drohungen in den US-Einflussbereich zu zwingen. Beobachter sprechen bereits von der „Donroe-Doktrin“, angelehnt an die Monroe-Doktrin von 1823, mit der US-Interventionen in Lateinamerika legitimiert würden.

China als gleichberechtigter Partner?

Peking tritt ganz anders auf. Zum dritten Mal seit 2008 und 2016 veröffentlicht die chinesische Volksrepublik eine Strategie für Lateinamerika. Die Pläne darin können als Übergang von einer rein wirtschaftlichen Präsenz zu machtpolitischen und geostrategischen Ansprüchen gelesen werden. China, das wird klar, begreift sich als Führungsmacht des Globalen Südens.

Wie so häufig ist auch dieses Strategiepapier langfristig angelegt, Wirtschaft, Technologie, Sicherheit, Diplomatie und Soft Power werden als zusammenhängendes System der Einflussnahme betrachtet.

China geht zunächst davon aus, dass die Welt eine globale Machtverschiebung erlebt. Das erfordere neue Koalitionen jenseits westlich dominierter Institutionen. Lateinamerika, so heißt es, komme dabei eine Schlüsselrolle zu. Die USA werden zwar nicht genannt, aber implizit adressiert, etwa durch Kritik an „unilateralem Bullying“.

China bietet sich hingegen als gleichberechtigter Partner an, der eine „kooperative Weltordnung“ anstrebt.

China will Lateinamerika in sein technologisches Ökosystem einbinden und tritt damit in direkte Konkurrenz zu US-Konzernen.

Diese Partnerschaft ist allerdings nicht ganz bedingungslos: Peking knüpft sie an die Anerkennung des Ein-China-Prinzips, also die Distanzierung von Taiwan. In Lateinamerika werde das Angebot dennoch als attraktiv wahrgenommen, sagt der deutsch-brasilianische Politologe Oliver Stuenkel von der Getulio-Vargas-Stiftung in São Paulo dem Tagesspiegel.

Er benennt den vielleicht wichtigsten Unterschied zur US-Strategie: „China kommuniziert, dass es Kooperation, Multilateralismus und Permanenz anstrebt. Die USA wollen Dominanz.“ Stuenkel hat mit lateinamerikanischen Diplomaten über die Nationale Sicherheitsstrategie Washingtons gesprochen. „Das US-Dokument macht ihnen Angst“, sagt er. Vor diesem Hintergrund könne eine vertiefte Partnerschaft mit Peking für einige Länder einen Schutz vor Trumps Machtansprüchen darstellen.

Pekings Weißbuch ist in fünf Punkte gegliedert. Auffällig ist, dass an erster Stelle nicht mehr Wirtschaft und Handel stehen, sondern „Global Governance“. China wirbt für eine Aufwertung der BRICS-Staatengemeinschaft um Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika sowie der G20 – explizit als Gegenentwürfe zu westlich dominierten Formaten wie den G7.

Dennoch bleiben Handel und Investitionen die wichtigsten Hebel. China setzt weiter auf die Finanzierung von Infrastruktur wie Häfen und Eisenbahnen sowie auf Energieprojekte. Neu ist jedoch, dass China auch eine stärkere technologische Wertschöpfung in Lateinamerika anstrebt, was die seit der Kolonialzeit bestehende Rohstoffabhängigkeit der Region aufbrechen könnte.

Natürlich will auch China weiterhin große Mengen an Rohstoffen importieren, etwa Soja, Fleisch, Eisenerz und Kupfer. Dabei betont Peking aber seine Verlässlichkeit – im Gegensatz zur erratischen Handelspolitik Trumps.

Hier bringt China auch die Möglichkeit der Bezahlung mit lokalen Währungen ins Spiel, was dem langfristigen Ziel der BRICS-Gruppe entspricht, eine Dollar-Alternative aufzubauen.

Zusammenarbeit in KI und Raumfahrt

Für den Politologen Stuenkel gibt es einen Punkt, der Washington besonders beunruhigen dürfte: Peking kündigt einen Ausbau der Zusammenarbeit bei Künstlicher Intelligenz, Raumfahrt und digitaler Infrastruktur wie 5G an.

„China will Lateinamerika in sein technologisches Ökosystem einbinden und tritt damit in direkte Konkurrenz zu US-Konzernen, die versuchen, ihre Netze und Standards in der Region zu verankern“, sagt Stuenkel. Wer die Netze baue, kontrolliere die Datenflüsse.

Neu ist zudem Chinas Absicht, die militärische und polizeiliche Zusammenarbeit zu vertiefen. Bereits heute liefert Peking Ausrüstung und bildet Sicherheitskräfte in Lateinamerika aus. Nach Angaben des Washingtoner Center for Strategic and International Studies gab es seit 2022 rund 100-mal einen militärischen Austausch mit 18 Ländern der Region, insbesondere mit Brasilien und Argentinien. Damit wird China in Lateinamerika auch zum sicherheitspolitischen Akteur.

Für Stuenkel steht Lateinamerika vor einem Dilemma. „Das Potenzial für Konflikte ist groß, weil der Druck der USA wächst, die Beziehungen zu China zu reduzieren“, sagt er. Um nicht zwischen den Großmächten zerrieben zu werden, wäre es ratsam, Lateinamerika würde tiefere Partnerschaften mit Ländern wie Indien, Indonesien und Vietnam suchen.

Hier biete sich eine Chance für Europa, das derzeit vor ähnlichen Herausforderungen stehe. „Wenn beide Regionen nicht zu Spielbällen der USA oder Chinas werden wollen, müssen sie sich gegenseitig stärken.“ Die EU wäre daher gut beraten, endlich den EU-Mercosur-Freihandelsvertrag zu verabschieden, sagt Stuenkel.

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