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Im Ernstfall müssen Nato-Staaten ein Bündnis-Mitglied gegen Angriffe verteidigen, eigentlich.

© dpa/Vadim Ghirda

Der löcherige Schutz der Nato: So ist die Beistandspflicht in der Militärallianz geregelt

Wenn ein Mitglied der Allianz angegriffen wird, eilen die anderen zu Hilfe. So sehen es die Nato-Verträge vor, doch es ist komplizierter.

Stand:

Die militärische Logik der Nato ist einfach: Wenn ein Mitglied der Allianz angegriffen wird, stehen ihm die restlichen Verbündeten bei.

Geregelt ist das seit 75 Jahren in Artikel 5 des Nato-Vertrages, der aus diesem Grund als das Herzstück des Abkommens gilt.

Dort steht wörtlich: „Die Parteien vereinbaren, dass ein bewaffneter Angriff gegen eine oder mehrere von ihnen in Europa oder Nordamerika als ein Angriff gegen sie alle angesehen wird.“

Einst ersonnen, um die damalige Sowjetunion in Schach zu halten, wird diese Beistandspflicht seit dem Einzug von Donald Trump ins Weiße Haus von Washington immer häufiger infrage gestellt.

Ein Rückzug der USA wäre jedoch fatal, da die Abschreckung eines möglichen Gegners erst durch die US-Atomwaffen seine ganze Wirkung entfaltet.

Auch Cyberangriffe können zum Bündnisfall werden

Aufgrund technischer Fortschritte und dem Wandel der sicherheitspolitischen und strategischen Herausforderungen im 21. Jahrhundert haben die Nato-Mitgliedstaaten im Jahr 2014 beschlossen, dass Artikel 5 auch auf Angriffe im Cyberraum anwendbar ist. Dies zielt auf Hacker- und Cyberangriffe ab, die im Einzelfall als Bündnisfall bewertet werden können.

Der versprochene Schutz im Falle eines Angriffes ist allerdings nicht so umfassend, wie oft angenommen wird. Denn aus besagtem Artikel 5 entsteht kein Automatismus.

Wird Russlands Präsident Putin so weit gehen, ein Nato-Mitglied anzugreifen?

© REUTERS/SERGEI BOBYLYOV

Die Feststellung des Bündnisfalles folgt einem genauen Ablauf. Nach dem Angriff auf einen Nato-Staat wird zuerst der Nordatlantikrat einberufen. Das ist das wichtigste Entscheidungsgremium der Allianz, in dem jedes Land einen Sitz hat. Beschlüsse werden dort einstimmig gefasst.

Jedes Mitglied entscheidet über seine Hilfe

Aber auch wenn der Bündnisfall festgestellt wird, muss erst noch diskutiert werden, wie reagiert wird. Das heißt, jedes Nato-Mitglied kann selbst entscheiden, ob es etwa Kampftruppen zur Verteidigung stellt, nur Waffen liefert, für eine funktionierende Transportlogistik sorgt oder medizinische Hilfe bereitstellt.

Um schnell reagieren zu können, gibt es eine Eingreiftruppe.

© dpa/Kay Nietfeld

Schon während des Kalten Krieges wurde aufgrund dieser vertraglichen Ausgangslage immer wieder die bange Frage gestellt, ob die USA das weit entfernte Deutschland wirklich mit allen Mitteln verteidigt hätten, wäre es im Handstreich vom Warschauer Pakt angegriffen worden. Einen Atomkrieg und damit auch die Zerstörung New Yorks riskieren, wenn Berlin besetzt wird?

Ein nuklearer Schutzschirm zur Abschreckung

Dennoch gehört die sogenannte nukleare Teilhabe zum festen Bestandteil der Abschreckung. Fünf Nato-Staaten sind einbezogen: Deutschland, Belgien, die Niederlande, Italien und die Türkei.

Der nukleare Schutzschirm beruht aber im Wesentlichen auf dem Atomwaffenarsenal der USA. Frankreich und Großbritannien verfügen zwar über Nuklearwaffen, diese sind aber allein für die eigene Landesverteidigung vorgesehen.

40.000
Soldaten gehören der schnellen Eingreiftruppe an.

Da der in Artikel 5 geregelte Ablauf reichlich kompliziert ist, wurde die sogenannte schnelle Eingreiftruppe aufgestellt, die Nato Response Force. Damit soll die Reaktionszeit auf einen möglichen Angriff verkürzt werden.

Zu ihr gehören rund 40.000 Soldaten aus allen Mitgliedstaaten und sie soll angesichts der erhöhten Kriegsgefahr in Europa in Zukunft auf 300.000 Männer und Frauen aufgestockt werden.

Der Bündnisfall wurde bis heute nur einmal ausgerufen: nach den Terroranschlägen am 11. September 2001 auf Washington und das World Trade Center in New York.

Es war der Beginn des Einsatzes der Isaf (International Security Assistance Force) in Afghanistan gegen die Taliban und die Terrororganisation Al Qaida, an dem sich auch Deutschland beteiligte. Aus diesem Grund sind viele Nato-Mitglieder empört, wenn etwa US-Vize-Präsident JD Vance in seinen Tiraden die europäischen Staaten als Feiglinge und Drückeberger hinstellt.

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