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Seit 2018 hat es in Ägypten keinen größeren Anschlag mehr auf christliche Einrichtungen gegeben. 

© Katharina Eglau

Weihnachten bei den Kopten: Wie bedroht sind Christen in Ägypten?

In Ägypten leben koptische Christen, die am 7. Januar das orthodoxe Weihnachtsfest begehen. Auch an den Festtagen bleibt die Angst vor Angriffen.

Von Hanna Spanhel

Ein Freitag im Dezember, aus dem Innenhof der Saint Mary Church im Kairoer Stadtteil Zamalek schallen amerikanische Weihnachtslieder.

„Willkommen zu unserem Weihnachtskarneval“, sagt der Mann neben dem Metalldetektor am Eingangstor. Im Untergeschoss des Kirchengebäudes werden an Dutzenden Ständen Weihnachtsdeko, Pullover und Schokolade verkauft.

„Wir Ägypter lieben Weihnachten“, sagt die 33-jährige Sherry, die hier mit ihrer Mutter zusammen einen Stand hat. „Wir stellen oft schon Anfang Dezember einen Baum auf.“

Sicherheitsleute mit Gewehren und Metalldetektoren vor der Kirche

Dabei wird das koptische Weihnachtsfest erst am 7. Januar gefeiert. Schätzungen zufolge sind zwischen zehn und 15 Prozent der Menschen in Ägypten Christen, die meisten koptisch-orthodox.

Die Stimmung beim Weihnachtsbasar in Zamalek ist gelöst. Nur die Absperrgitter auf der Straße vor der Kirche, die Sicherheitsleute mit ihren Gewehren und die Metalldetektoren sind ein Hinweis auf die Sorge vor Angriffen auf christliche Gemeinden, die in Ägypten nach wie vor herrscht.

In der Vergangenheit gab es immer wieder Anschläge mit zahlreichen Toten, meist bekannte sich die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) dazu.

Besonders bedroht fühlten sich viele Christen während der Regierung von Mohammad Mursi, der nach der Revolution im Zuge des „Arabischen Frühlings“ gewählt worden war und zur Muslimbruderschaft gehörte, weltweit eine der größten islamistischen Organisationen.

„Es wurden viele Kirchen verbrannt, viele Kopten getötet“, sagt Bischof Anba Michael, einer der zwei höchsten Repräsentanten der Kopten in Deutschland. Nicht wenige Christen begehrten deshalb 2013 gegen Mursi auf – und unterstützten den Militärputsch des jetzigen Präsidenten Fattah Abdel al-Sisi und dessen harschen Umgang mit den Muslimbrüdern.

Seit ein paar Jahren sieht man um die Kirchen mehr Sicherheitsleute - seither fühle ich mich im Gottesdienst sicher

Paul, Mitglied der koptischen Gemeinde in Kairo.

„In den vergangenen Jahren hat sich die Sicherheitslage verbessert“, sagt Emad Gad, Politikwissenschaftler in Kairo und selbst Kopte. Tatsächlich hat es seit 2018 keinen größeren Anschlag auf christliche Einrichtungen mehr gegeben.

Der Präsident trifft hohe Sicherheitsvorkehrungen

„Das liegt an den hohen Sicherheitsvorkehrungen – und an einer Anweisung des Präsidenten an die Sicherheitskräfte.“ Deren Rolle sei für die Situation der Christen zentral, sagt Gad. Gerade auf dem Land seien islamistische Fanatiker nach Übergriffen auf Christen immer wieder ungestraft davongekommen.

Präsident Al-Sisi spielt eine wichtige Rolle für die Kopten in Ägypten.
Präsident Al-Sisi spielt eine wichtige Rolle für die Kopten in Ägypten.

© Foto: dpa/Andy Rain

Auch heute noch unterstützen deshalb viele Kopten im Land das Regime von al-Sisi – und werten es als wichtiges Zeichen, dass der Präsident, selbst Muslim, jährlich einen Weihnachtsgottesdienst besucht. „Gott sei Dank ist die aktuelle Situation entspannter“, sagt auch Bischof Anba Michael.

Mehr Rechte für Christen

Die ägyptische Regierung hat in den vergangenen Jahren zudem Initiativen gestartet, die den Christen mehr Rechte einräumen sollen.

2016 etwa wurde ein Gesetz beschlossen, das den Neubau und die Sanierung von Kirchen regelte – und die Legalisierung von bislang nicht genehmigten Gotteshäusern vorsah.

Denn gerade im Zusammenhang mit neuen Kirchen kam es oft zu Spannungen, Genehmigungen wurden häufig nicht gewährt, weshalb bis heute oft Provisorien als Kirchen herhalten. Seit das Gesetz greift, wurden Hunderte Gotteshäuser nachträglich genehmigt.

Der aktuelle Papst thematisiert die Ungleichheit nicht, auch andere kirchliche Organisationen tun das nicht, weil sie Konsequenzen fürchten.

Emad Gad, Politikwissenschaftler in Kairo und Kopte.

Politikwissenschaftler Gad aber bleibt skeptisch: Trotz des Gesetzes könnte der Bau neuer Kirchen oder deren Legalisierung etwa aufgrund von Sicherheitsbedenken durch örtliche Behörden verhindert werden. Und gerade in Oberägypten komme es nach wie vor zu Angriffen auf Christen oder Schließungen von Kirchen. „Es gibt keine nennenswerte Veränderung der Mentalität, der Kultur. Das ist das Problem“, sagt Gad.

Bis zur Gleichberechtigung von Christen sei es nach wie vor noch ein weiter Weg, meint er. Und nennt weitere Beispiele: So gebe es in den Sicherheitsapparaten keine Christen in führenden Positionen, in der Fußball-Nationalmannschaft spiele kein Christ.

Papst Tawadros II. wird als Fürsprecher der Christen immer wieder bedroht.
Papst Tawadros II. wird als Fürsprecher der Christen immer wieder bedroht.

© epd / epd/Andreas Fischer

„Der aktuelle Papst thematisiert die Ungleichheit nicht, auch andere kirchliche Organisationen tun das nicht, weil sie Konsequenzen fürchten“, sagt Gad. Er hält das für problematisch, obwohl er selbst als Fürsprecher der Christen immer wieder bedroht wurde.

Damit sich grundlegend etwas ändere, müsste es die Gleichstellung der Religionen seiner Ansicht nach etwa auch in die Lehrpläne der Schulen schaffen.

In der Saint Mary Kirche in Zamalek ist unterdessen alles bereit für das Weihnachtsfest am 7. Januar, die Sicherheitsvorkehrungen sind an dem Feiertag noch höher als sonst. Während der mehrstündigen Messe in der Weihnachtsnacht können keine Autos an der Kirche vorbeifahren, und nur jene Fußgänger dürfen die Straßenabsperrungen passieren, die sich anhand ihres Passes als Christen ausweisen.

Paul, Anfang 30, findet das gut. „Seit ein paar Jahren sieht man um die Kirchen mehr Sicherheitsleute – seither fühle ich mich im Gottesdienst sicher“, sagt er.

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