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Plötzlich illegal: Wie eine christliche Delegation aus Berlin in Neu-Delhi in Abschiebegewahrsam landete
Die „Gossner-Mission“ wollte eine Partnerschaft mit einem Kirchenkreis in Indien schließen, doch die Reise endete jäh. Nun bleibt die Sorge um zwei Begleiter.
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Sie wollten eine Partnerschaft mit einem Kirchenkreis in Indien schließen. Doch für eine Delegation der Berliner „Gossner-Mission“ und des Kirchenkreises Emden-Leer in Ostfriesland endete eine Begegnungsreise in der indischen Region Assam im Abschiebegewahrsam auf dem Flughafen von Neu-Delhi. Ihnen wurde von den Behörden vorgeworfen, an missionarischen Veranstaltungen in Assam teilgenommen und damit die Bestimmungen ihrer Touristenvisa verletzt zu haben.
„Wir haben in Assam christliche Gemeinden und Sozialeinrichtungen besucht“, sagt der Direktor der „Gossner-Mission“, Christian Reiser. „So, wie wir es immer machen, wenn wir bei unseren Partnern zu Besuch sind.“
Die „Gossner-Mission“, deren Zentrale sich im Gebäude der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO) an der Georgenkirchstraße in Berlin-Friedrichshain befindet, wurde im 19. Jahrhundert von dem Brandenburger Pfarrer Johannes Evangelista Gossner gegründet. Er sandte damals Handwerker nach Indien, um vor allem die am Rande der Gesellschaft stehenden kastenlosen Inder zu bekehren. Daraus entstand die heutige, 500.000 Mitglieder zählende Evangelisch-Lutherische Gossner-Kirche Indiens.
Fürbitten, Jugendaustausch, Sozialprojekte
Seit die deutschen Missionare zu Beginn des Ersten Weltkriegs das damals unter britischer Herrschaft stehende Indien verlassen mussten, ist die Gossner-Kirche selbstständig. Die Kirche in Indien ist Mitglied im Lutherischen Weltbund und eine offizielle Partnerkirche der EKBO.
Zur „Gossner-Mission“ bestehen freundschaftliche Beziehungen: Mit Spenden, die die „Gossner-Mission“ in Deutschland sammelt, werden Kindergärten und Sozialprojekte in Indien unterstützt. Zudem gibt es jedes Jahr einige jugendliche Freiwillige, die im jeweils anderen Land ein Austauschjahr verbringen. Als die Corona-Pandemie Indien im Jahr 2021 besonders heimsuchte, fand in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche ein Gottesdienst mit Fürbitten für die Partner in Indien statt.
„Dass wir aus Indien ausgewiesen werden, haben wir seit über 100 Jahren nicht erlebt“, sagt Christian Reiser, der mittlerweile wieder in Berlin angekommen ist. Die Ausweisung kam nach seinen Angaben ohne Vorankündigung: Am Freitagmorgen habe die Delegation eine christliche Schule in Tezpur besuchen wollen, sei aber von der Polizei im Hotel festgesetzt und befragt worden. Pässe und Visa mussten laut Reiser abgegeben und eine Kopie des Besuchsprogramms übermittelt werden.
Ganz normale kirchliche Kontakte, die jahrzehntelang möglich waren, scheinen plötzlich illegal zu sein.
Christa Olearius, Superintendentin des Evangelisch-Lutherischen Kirchenkreises Emden-Leer
Kontakte zur deutschen Botschaft in Neu-Delhi und zum Generalkonsulat in Kalkutta sowie zu staatlichen und kirchlichen Behörden in Deutschland hätten keine Veränderung der Situation erbracht. Da laut Reiser zur Kooperation geraten wurde, ging die Delegation auf die Forderung ein, pro Person 500 Dollar zu zahlen sowie das Land so bald wie möglich zu verlassen.
„Wir sind nach Indien geflogen, weil unser Kirchenkreis eine Kirchenpartnerschaft zu einem Kirchenkreis in Assam aufbauen wollte“, sagt die Emder Superintendentin Christa Olearius. „Ganz normale kirchliche Kontakte, die jahrzehntelang möglich waren, scheinen plötzlich illegal zu sein.“
Sorgen macht sich die „Gossner-Mission“ nun um ihren Mitarbeiter Mukut Bodra, der in Indien als Kontaktmann der „Gossner-Mission“ arbeitet, und um einen Vertreter der indischen Gossner-Kirche. Beide hätten die Delegation in Assam begleitet und seien von den örtlichen Behörden festgenommen worden. „Wir haben keinerlei Information, wie es ihnen zurzeit geht“, sagt der Direktor der „Gossner-Mission“, Christian Reiser. „Diese Art der Behandlung ist inakzeptabel.“
Klar ist für Reiser aber auch, dass die Beziehungen seines Werks und der EKBO nach Indien nicht unter den Vorfällen leiden sollen. „Wir sind eng mit der indischen Gossner-Kirche verbunden, das wird sich nicht ändern“, sagt Reiser. „Aber wir werden klären müssen, unter welchen Bedingungen Partnerschaften und Begegnungen von Christen aus Deutschland und Christen aus Indien künftig noch möglich sind.“
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