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Afghanischer Landwirt in kandahar (Symbolbild).

© AFP/Sanaullah Seiam/Archiv

Diplomatischer Balanceakt der Bundesrepublik: Afghanistan reaktiviert Konsulat in Bonn – mit Taliban-Vertreter

Der afghanische Generalkonsul und seine Belegschaft in Bonn waren aus Protest gegen die Taliban zurückgetreten. Das Konsulat blieb geschlossen. Nun nimmt es seine Dienste wieder auf.

Stand:

Das afghanische Generalkonsulat in Bonn nimmt laut einer Mitteilung des Außenministeriums in Kabul wieder seine Arbeit auf – mit einem von den islamistischen Taliban entsandten Vertreter.

„Das afghanische Generalkonsulat der Stadt Bonn, Deutschland, nimmt seine Tätigkeit wieder auf“, heißt es in einer Mitteilung des Außenministeriums auf der Online-Plattform X.

Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes betont jedoch: „Die afghanischen Vertretungen werden weiterhin durch Personen geleitet, die von der Islamischen Republik vor dem Machtwechsel im August 2021 entsandt und in Deutschland akkreditiert wurden.“

Auf die Frage eines Journalisten, ob der aktuelle Generalkonsul jemand sei, der von den Taliban benannt wurde, antwortete der Sprecher: „Die Position des Generalkonsuls ist derzeit nicht besetzt in Bonn.“

Das Generalkonsulat Bonn stehe unter der Aufsicht der afghanischen Botschaft in Berlin. Damit jemand den Titel Generalkonsul tragen könne, brauche er die Zustimmung der Bundesregierung. Dies sei im konkreten Fall in Bonn nicht geschehen.

Diplomatischer Balanceakt

Offiziell erkennt Deutschland die in Afghanistan regierenden Taliban nicht an, führte jedoch in der Vergangenheit Gespräche mit Vertretern der Islamisten, um weitere Abschiebungen von Straftätern nach Afghanistan zu erleichtern. Auch erlaubte Berlin die Einreise von zwei Taliban-Diplomaten.

Das Auswärtige Amt steht mit der afghanischen Botschaft zu Statusfragen aller drei afghanischen Vertretungen in Deutschland in Kontakt. Neben der Botschaft in Berlin und dem Generalkonsulat in Bonn gibt es noch ein weiteres Generalkonsulat in München.

Aus Protest gegen die Übernahme durch die Taliban hatte der bisherige Generalkonsul in Bonn, Hamid Nangialay Kabiri, vor einigen Wochen seine Arbeit niedergelegt. Auch die Belegschaft tat dies geschlossen.

In einer Videobotschaft von Kabiri zur Entsendung der Taliban-Vertreter heißt es, die Entscheidung sei inakzeptabel und eine ernsthafte Bedrohung für die Sicherheit sensibler Dokumente und Informationen afghanischer Bürger.

Generalkonsulat als IT-Hub

Nach dpa-Informationen hat der Ex-Generalkonsul Kabiri in Deutschland im Oktober Asyl beantragt. Da er sich – auch öffentlich – klar gegen die Taliban-Machthaber positioniert hat, könnte sein Schutzbegehren Aussicht auf Erfolg haben.

Wie die ARD berichtete, übernehmen die Taliban mit dem Generalkonsulat in Bonn auch dort gespeicherte, sensible Daten. Das Generalkonsulat diente bislang als Knotenpunkt für die IT-Systeme von afghanischen Botschaften und Konsulaten in Europa, Kanada und Australien, hieß es weiter.

Nun würden Betroffene befürchten, dass diese Daten in den Händen der Taliban ihnen oder ihren Familien in Afghanistan schaden könnten. (dpa)

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