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Dutzende Verletzte, mehr als 100 Festnahmen: Proteste gegen Serbiens Regierung eskalieren erneut
In Serbien ist es den zweiten Abend in Folge zu Gewalt zwischen Demonstranten und Anhängern von Präsident Vucic gekommen. Mindestens 42 Polizisten wurden verletzt und 37 Demonstranten festgenommen.
Stand:
In Serbien ist es am Donnerstag den zweiten Abend in Folge zu gewalttätigen Zusammenstößen zwischen regierungskritischen Demonstranten und Anhängern von Präsident Aleksandar Vucic gekommen. Bei Kundgebungen in rund 30 Städten wurden mindestens 42 Polizisten verletzt - 26 davon in der Hauptstadt Belgrad – und 37 Demonstranten festgenommen, wie Innenminister Ivica Dacic mitteilte.
Es handele sich nicht mehr um „friedliche Studentendemonstrationen“, erklärte Dacic vor Journalisten. Es handele sich um Menschen die Gewalt provozieren wollen, um „einen Angriff auf den Staat“, fügte er hinzu.

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Bei erneut gewaltsamen Protesten in Serbien hat die Polizei in der Nacht zum Freitag 114 Menschen festgenommen. Das gab der serbische Innenminister Ivica Dacic bekannt.
Serbische Medien sprechen von „bürgerkriegsähnlichen Zuständen“ in mehreren Städten am Donnerstagabend. In der zweitgrößten Stadt Novi Sad im Norden des Landes zerschlugen Menschen die Scheiben des Sitzes der Präsidentenpartei SNS, drangen in das Gebäude ein und entfernten Gegenstände, wie serbische Medien berichteten. In der Hauptstadt Belgrad bewarfen SNS-Anhänger die Regierungsgegner mit Feuerwerkskörpern.
Wie am Abend davor demonstrierten Regierungsgegner in mehr als 30 Orten des Landes vor den jeweiligen SNS-Parteisitzen und wurden dort von Polizeisperren und Anhängern der SNS erwartet. Bereits am Vorabend hatte es Dutzende Verletzte gegeben – bei Handgemengen zwischen Demonstranten der verschiedenen Seiten und durch Polizeigewalt mit Knüppeln. Vucic hatte angekündigt, die Behörden würden die Straßen von Demonstranten „säubern“, die er als Verbrecher bezeichnete.
Dacic sprach mit Blick auf die Regierungsgegner von einem „brutalen“ Vorgehen. Dieses richte sich nicht nur gegen Sicherheitskräfte, sondern gegen den gesamten serbischen Staat. Bei den Ausschreitungen seien 75 Polizisten verletzt worden. Abermals betonte der Innenminister, die Ordnungskräfte hätten Zurückhaltung geübt und nur auf Angriffe reagiert.
Die Studenten und deren Angehörige zeichneten am Freitag ein ganz anderes Bild. Sie berichteten gegenüber serbischen Medien von Prügel und Einschüchterung. Allein in der westserbischen Stadt Valjevo mussten im Zuge der Proteste an die 60 Menschen im Krankenhaus behandelt werden. Einen 25-jährigen Studenten habe die Polizei laut dessen Vater zunächst auf der Straße und später in der Polizeistation verprügelt. Der oppositionelle Parlamentsabgeordnete Pedja Mitrovic, der bei den Protesten angegriffen wurde, warf der Polizei unterlassene Hilfeleistung vor.
Seit neun Monaten wird protestiert
Schon seit mehr als neun Monaten demonstrieren fast jeden Tag Massen von Menschen in Serbien gegen Vucic. Auslöser der Proteste war der Einsturz eines frisch renovierten Bahnhofsvordachs in Novi Sad am 1. November 2024. Dabei kamen 16 Menschen ums Leben. Unabhängige Experten und Oppositionelle machen Schlamperei und Korruption unter der Vucic-Regierung für die Tragödie verantwortlich.
Die Demonstranten kritisieren die Vucic-Regierung als korrupt und autoritär. Sie fordern ihren Rücktritt und Neuwahlen. Befeuert hatte die jüngsten Proteste, dass Anhänger von Vucic' Partei SNS vor drei Tagen in den nordserbischen Dörfern Vrbas und Backa Palanka regierungskritische Demonstranten tätlich angegriffen hatten, ohne dass die Polizei dagegen einschritt.
Der Südosteuropa-Experte Florian Bieber warnte vor einer weiteren Eskalation. Dem Politikwissenschaftler der Uni Graz zufolge zeige die Gewalt, dass die Vucic-Regierung nicht bereit sei, ernsthaft auf die Forderungen der Regierungsgegner einzugehen. „Es ist zu befürchten, dass somit eine weitere Eskalation unvermeidbar ist“, sagte Bieber der Katholischen Nachrichten-Agentur. (dpa, KNA)
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