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„Er sieht sich in dessen Schicksal widergespiegelt“: Warum Trump Bolsonaro unbedingt retten will
Die USA setzen Brasilien mit Zöllen und Sanktionen unter Druck, damit die Justiz das Verfahren gegen Ex-Präsident Bolsonaro fallen lässt. Es geht um dessen Rolle beim Putschversuch – und damit irgendwie auch um Trump.
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Es ist ein Bild, das US-Präsident Donald Trump nicht gefallen dürfte: Jair Bolsonaro hält seinen Fuß in die Kameras, unten am Knöchel wird ein schwarzer Apparat sichtbar – eine elektronische Fußfessel.
Seit Mitte Juli muss der ehemalige brasilianische Staatschef sie tragen, aus Sorge, er könnte sonst ins Ausland fliehen. Weil er sich an Auflagen wie ein Social-Media-Verbot nicht gehalten hatte, steht er seit Montag zudem unter Hausarrest.
Gegen den Brasilianer läuft ein Verfahren wegen eines mutmaßlichen Putschversuches. Die Beweise sind erdrückend, ein Schuldspruch gilt als wahrscheinlich. Bolsonaro könnte dann für bis zu 43 Jahre ins Gefängnis kommen.

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Ein Ex-Präsident, von der eigenen Justiz für einen Putschversuch verurteilt: Das kann in Trumps Ohren nur gefährlich klingen. Parallelen zwischen ihm und Bolsonaro, den der ehemalige Chefberater Steve Bannon gerne „Tropen-Trump“ nannte, werden häufig gezogen.
Nicht nur, weil sie sich ideologisch und im Politikstil sehr nahestehen, sondern auch, weil die Bilder vom Sturm auf das Regierungsviertel in Brasilia am 8. Januar 2023 beinahe zwangsläufig an den Sturm von Trump-Anhängern auf das Kapitol in Washington am 6. Januar 2021 erinnern.
Auch gegen den US-Präsidenten lief ein Gerichtsverfahren zu seiner Rolle dabei. Für die Länge seiner Amtszeit ist das zwar ausgesetzt, danach könnte es aber zumindest theoretisch wieder aufgerollt werden.
Vielleicht holte Trump deshalb vor einigen Wochen zum großen Angriff gegen Brasilien aus: Er drohte Präsident Luiz Inácio Lula da Silva mit 50 Prozent Strafzöllen, wenn dieser die „Hexenjagd“ gegen Bolsonaro nicht einstelle.

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Lula reagierte darauf betont unbeeindruckt. Er sei gerne bereit, über Handelsfragen zu verhandeln – in die unabhängige brasilianische Justiz könne und wolle er sich aber nicht einmischen. Am Mittwoch traten die Zölle in Kraft, wenn auch mit Ausnahmen für etwa 700 Produkte wie Erdöl und Düngemittel.
USA verhängen Sanktionen gegen den Richter
Vergangene Woche bekam dann besagte Justiz die Wut aus Washington zu spüren: Die US-Regierung wendet den sogenannten Magnitsky Act gegen Richter Alexandre de Moraes an. Dieser sitzt dem Obersten Gericht vor und leitet somit das Verfahren gegen Bolsonaro. Der Richter hat nun ein Einreiseverbot, alle Konten und Vermögenswerte in den USA werden eingefroren.

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Der Magnitsky Act wird eigentlich gegen Diktatoren und deren Unterstützer angewandt, die sich Menschenrechtsverletzungen schuldig gemacht haben. In diesem Fall sollen es wohl die Rechte Bolsonaros sowie die seiner Anhänger sein, die nach Ansicht der Trump-Administration von dem Richter verletzt worden sind.
Steckt dahinter mehr als nur Freundschaft?
Es sind radikale Maßnahmen, mit denen die USA gegen Brasilien vorgehen. Sie sind zurückzuführen zum einen auf Bolsonaros Sohn Eduardo, der enge Verbindungen zu Steve Bannon und Trumps „Maga“-Bewegung („Make America Great Again“) pflegt und seit Monaten eine massive Kampagne für seinen Vater betreibt.
Andererseits scheint doch mehr dahinterzustecken als ein reiner Freundschaftsdienst für Jair Bolsonaro, mit dem Trump seit ihrer gleichzeitigen Präsidentschaft 2019 bis 2021 eng verbunden ist.
Sollte Bolsonaro als Trumps Bruder im autoritären Geiste verurteilt werden, bedeutet das auch eine deutliche Kritik am populistischen Demokratieverständnis des US-Präsidenten.
Ralph Rotte, Professor für Internationale Beziehungen an der RWTH Aachen University
Trumps Welt drehe sich hauptsächlich um ihn selbst, nicht um Werte wie freundschaftliche Loyalität, sagt Ralph Rotte, Professor für Internationale Beziehungen an der RWTH Aachen University dem Tagesspiegel.
„Vielmehr sieht er sich im Schicksal Bolsonaros widergespiegelt. Sollte Bolsonaro als Trumps Bruder im autoritären Geiste verurteilt werden, bedeutet das auch eine deutliche Kritik am populistischen Demokratieverständnis des US-Präsidenten“, glaubt der Experte.
Trump könnte Rotte zufolge befürchten, dass die Richter des Supreme Courts sich an de Moraes ein Vorbild nehmen. „Sie könnten sich darauf besinnen, dass sie den Präsidenten in seiner selbstproklamierten Unantastbarkeit auch ausbremsen können.“
Angriffe auf Brasilien und eine Schwächung der aktuellen Regierung könnten den Weg für eine Rückkehr der extremen Rechten und eine automatische Annäherung Brasiliens an die USA ebnen.
Rose Martins, politische Analystin der Universidade Federal do Rio de Janeiro
Denn bislang zeigt der Fall Brasiliens vor allem eines: Wo der Rechtsstaat noch stabil genug ist, kann er sich gegen autoritäre Staatschefs zur Wehr setzen. Auch wenn es in Brasilien derzeit vermehrt zu Protesten von Bolsonaro-Anhängern kommt, die wollen, dass ihr „Messias“ auf freiem Fuß bleibt und die froh über Trumps Intervention sind.
In ihnen sieht Rose Martins, politische Analystin der Universidade Federal do Rio de Janeiro, ein weiteres Motiv für Trump, so radikal einzugreifen. „Angriffe auf Brasilien und eine Schwächung der aktuellen Regierung könnten den Weg für eine Rückkehr der extremen Rechten und eine automatische Annäherung Brasiliens an die USA ebnen“, sagt sie.
Das sei für die Vereinigten Staaten von zentraler Bedeutung, sagt Martins. Unter Lula hat sich das größte Land Lateinamerikas Staaten wie China und Russland zugewendet, zum Beispiel über seine Rolle im Staatenbündnis BRICS.
„Das Bündnis wird nicht zu Unrecht als antiamerikanischer Zusammenschluss revisionistischer Staaten angesehen werden, die eine andere, nicht von den USA dominierte ‚multipolare’ Weltordnung anstreben“, sagt auch Ralph Rotte. „Es geht Trump darum, die Hegemonie in Lateinamerika aufrechtzuerhalten.“
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