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Europäer überarbeiten Trumps Ukraine-Plan: „Ich glaube nicht, dass Putin einem neuen Entwurf zustimmt“
Zum Entsetzen der Ukraine präsentierten die USA kürzlich einen „Friedensplan“, der vor allem russische Maximalforderungen enthielt. Der scheint nun vom Tisch – doch wie geht es weiter?
Stand:
Herr Umland, nach einem Treffen mit Ukrainern und anderen Europäern am Wochenende in Genf haben die USA Änderungen an ihrem heftig kritisierten 28-Punkte-Plan zur Beendigung des russischen Angriffskriegs angekündigt. Ist das ein Erfolg?
Ja, das kann man so werten. Wobei auch das nicht ungeschehen machen kann, dass dieser 28-Punkte-Plan in seiner ursprünglichen Fassung überhaupt aufgetaucht ist – und das ist beunruhigend.
Momentan deutet nämlich einiges darauf hin, dass diese vermeintlich amerikanisch-russische Position, die das Papier widerspiegeln sollte, in Wahrheit ein Dokument war, das seine Ursprünge in Moskau hatte und in Washington zumindest teilweise übernommen wurde. Für einen Moment sah das gefährlich aus.
Welche Teile des Plans tragen Ihrer Einschätzung nach besonders deutlich eine russische Handschrift?
Das sind vor allem die offenkundig völkerrechtswidrigen Forderungen. Etwa die nach Abtretung der Kyjiwer Kontrolle über bestimmte ukrainische Territorien, nach einer Anerkennung der von Moskau eroberten Gebiete als russisch oder nach der Reduktion der ukrainischen Armee auf 600.000 Soldaten, ohne hierzu Kyjiw zu konsultieren.
Das sind tiefe Eingriffe in die territoriale Integrität und nationale Souveränität eines Staates – mal abgesehen davon, dass einige Punkte gar nicht umzusetzen wären.
Wie meinen Sie das?
In Punkt 26 des Plans beispielsweise heißt es, dass alle Konfliktparteien für ihre Taten „volle Amnestie“ erhalten. Ich frage mich, wie so eine Formulierung in solch einem Dokument überhaupt auftauchen kann. Der Internationale Strafgerichtshof hat einen Haftbefehl gegen Kremlchef Wladimir Putin erlassen, der Europarat ein Sondertribunal zur Aufarbeitung russischer Kriegsverbrechen beschlossen. Beides sind autonome Institutionen, die man nicht einfach durch einen trilateralen Vertrag in die Schranken weisen kann.
Oder nehmen Sie die Nato-Mitgliedschaft, auf welche die Ukraine laut dem 28-Punkte-Plan verzichten soll: Es gibt die Nato-Deklaration von 2008, die besagt, dass die Ukraine eines Tages Mitglied in dem westlichen Militärbündnis werden soll. Es ist unklar, wie dieser Beschluss rückgängig gemacht werden könnte. Ganz zu schweigen davon, dass es in Kyjiw eine Zweidrittelmehrheit im Parlament bräuchte, um das Nato-Beitrittsziel wieder aus der nationalen Verfassung zu streichen. Auch hier glaube ich kaum, dass dies je möglich wäre.

© imago/Xinhua/IMAGO/Lian Yi
Immerhin ist in dem Plan auch von „verlässlichen Sicherheitsgarantien“ für die Ukraine zum Schutz vor einem erneuten russischen Angriff die Rede. Ist das denn gar nichts wert?
Das wäre es – wenn es denn ernst gemeint wäre. Doch US-Präsident Donald Trump hat in der Vergangenheit mehrfach klargemacht, dass amerikanische Truppen nicht für die Friedenssicherung in der Ukraine zur Verfügung stehen.
Die USA und Europa müssen zeigen, dass es Konsequenzen hat, dass Russland die Friedensverhandlungen immer und immer wieder ins Leere laufen lässt.
Andreas Umland, Sicherheitsexperte
Blieben noch die Europäer.
Auch bei den Europäern sind noch viele Fragen offen. Angenommen, es wird ein europäisches Truppenkontingent in der Ukraine stationiert und dieses Kontingent würde dann von den Russen beschossen: Wie reagieren die Truppen dann? Falls die europäischen Soldaten sich nicht wehren, wäre ihr Einsatz wenig sinnvoll und würde zum strategischen Problem werden. Falls sie aber reagieren, könnten die beteiligten europäischen Senderstaaten in den russisch-ukrainischen Krieg verwickelt werden – und ich habe große Zweifel, dass sie dazu bereit wären.
Insofern halte ich die Diskussion über westliche Truppenkontingente zum jetzigen Zeitpunkt für kontraproduktiv, weil sie von realistischeren und wichtigeren Hilfsmaßnahmen ablenkt.
Nämlich?
In erster Linie geht es jetzt darum, mit den Ukrainern und Amerikanern eine gemeinsame Position zu finden, die auch Kyjiws Interessen berücksichtigt, und diese als Alternative zum 28-Punkte-Plan zu präsentieren.
Aber eine solche Alternative wird Putin doch sicher ablehnen, oder?
Ich glaube auch nicht, dass Putin einem neuen amerikanisch-ukrainischen Entwurf zustimmen wird. Um die Amerikaner bei Laune zu halten, wird er vermutlich verlauten lassen, dass alles ganz wunderbar sei, jedoch einiger Korrekturen bedürfe – und dann den gesamten Plan ins Gegenteil verkehren.
An diesem Punkt muss der Westen dann Position beziehen – zum Beispiel, indem er neue Sanktionen gegen Russland verhängt und/oder die Waffenlieferungen für die Ukraine ausweitet.
Die USA und Europa müssen zeigen, dass es Konsequenzen hat, dass Russland die Friedensverhandlungen immer und immer wieder ins Leere laufen lässt. Werden diese Konsequenzen hart genug, gibt es möglicherweise die Chance, dass Putin am Ende doch einlenkt und ein Kompromiss gefunden wird, den auch die Ukraine akzeptieren kann.
Wie könnte der aussehen?
Es würde vermutlich auf Formulierungen hinauslaufen, die zwar ein Stück weit die russischen Ansprüche – etwa auf die schon besetzten Territorien – widerspiegeln, aber keine unumstößlichen Aussagen treffen. Man könnte sich zum Beispiel darauf einigen, den aktuellen Status Quo an der Frontlinie zu akzeptieren und zugleich endgültige Aussagen über das Schicksal der besetzten Gebiete oder eine ukrainische Nato-Mitgliedschaft vermeiden. Viel mehr lässt sich derzeit realistischerweise nicht erreichen.
Doch selbst dafür bräuchte es eine entschlossene Haltung der USA gegenüber Russland. Haben aber nicht gerade die vergangenen Tage gezeigt, dass damit nicht zu rechnen ist?
Tatsächlich ist die große Frage, wie Trump sich im Weiteren verhalten wird. Meine Hoffnung ist, dass die öffentliche Meinung in den USA hier mittelfristig die entscheidende Rolle spielen wird. Denn da sehen wir – zumindest bislang – eine erstaunliche Stabilität der eher pro-ukrainischen und russlandkritischen Stimmung, auch unter den Republikanern.
Trump selbst hätte wahrscheinlich nichts dagegen, die Ukraine im Austausch für gute russisch-amerikanische Beziehungen zu opfern. Aber da das im eigenen Land nicht populär ist, würde ich die Hoffnung nicht aufgeben, dass die Mehrheitsmeinung sich am Ende doch in seinem außenpolitischen Verhalten niederschlägt.
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