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FILE PHOTO: A man walks while smoke rises above buildings after aerial bombardment, during clashes between the paramilitary Rapid Support Forces and the army in Khartoum North, Sudan, May 1, 2023. REUTERS/Mohamed Nureldin Abdallah/File Photo

© REUTERS/Mohamed Nureldin Abdallah

Gewalt und Chaos im Sudan: Wie kommt das afrikanische Land aus der Krise?

An den Kämpfen im Sudan trägt die internationale Gemeinschaft eine Mitschuld. Zu lange hat die Welt weggesehen. So konnten Militärs das Land ungehindert in den Abgrund führen.

Von Hala Al-Karib

Jahrzehntelanges Regierungsversagen, Korruption, Islamismus und aufgeblasene Egos – der Krieg im Sudan hat viele Gründe. Seit fast einem Monat tobt der blutige Machtkampf zwischen den beiden wichtigsten Generälen im Land – Armeechef Abdel Fattah Burhan und seinem Rivalen, dem Milizenführer Mohamed Hamdan Dagalo.

Mehr als 600 Tote gibt es nach UN-Angaben bereits, 700.000 Menschen wurden seit Beginn der Kämpfe vertrieben. Und ein Ende ist nicht in Sicht.

Die Probleme in dem ostafrikanischen Krisenstaat sind allerdings nicht nur hausgemacht. Sie sind auch Ergebnis der Tatsache, dass die internationale Gemeinschaft zu lange weggesehen hat. Über Jahrzehnte hat sie die wachsenden Probleme des Sudan und die damit verbundenen Risiken ignoriert.

Ignoranz und fehlende Hilfe

So haben es die internationalen Akteure, von der EU über die USA bis zu den Vereinten Nationen, nach der Revolution 2018 versäumt, die politischen Parteien zu fördern und zu unterstützen. Länder mit schwachen staatlichen Strukturen sind erfahrungsgemäß anfällig für illegitime Machtansprüche des Militärs.

Die Ignoranz und das Desinteresse der Welt müssen enden.

Hala Al-Karib

So konnte etwa Milizenchef Dagalo ungestört ein weltweites Netzwerk von Verbindungen aufbauen, sich mit internationalen Beratern umgeben und Teil der herrschenden Eliten werden. Die begrenzten Fähigkeiten und das aufgeblasene Ego der Politiker und Technokraten des Landes haben dazu beigetragen, dass Dagalo so viel Einfluss gewinnen konnte.

Die von ihm befehligten Rapid Security Forces (RSF) sind eine arabisierte Miliz, die sich aus Jugendlichen aus dem ganzen Land und der Sahelzone zusammensetzt. Die Truppe ist auch unter dem Namen Janjaweed bekannt, was übersetzt so viel wie „berittene Teufel“ bedeutet. Seit Ausbruch der Kämpfe im Sudan belagern sie die Hauptstadt Khartum. 45 Millionen Menschen leben in dem Land. Sie werden immer mehr zu Geiseln in diesem Konflikt.

Tausende Menschen fliehen jeden tag aus dem Sudan, etwa ins Nachbarland Tschad.
Tausende Menschen fliehen jeden tag aus dem Sudan, etwa ins Nachbarland Tschad.

© Reuters/Zohra Bensemra

Die RSF-Miliz terrorisiert das Land seit 20 Jahren. Die Truppe ist für schwere Kriegsverbrechen verantwortlich, für Zwangsvertreibungen von mehr als sechs Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern in Darfur, für sexuelle Gewalt und die Tötung von Zivilisten. Doch das hat bislang nicht dazu geführt, dass sich Länder wie die Vereinigten Arabischen Emirate, die von sudanesischen Söldnern und Schmugglern profitieren, abgewandt hätten.

Nun wird es Jahrzehnte dauern, bis die Schäden des aktuellen Kriegs behoben werden. Große Teile der Infrastruktur sind vernichtet – Stromtrassen, Straßen und Schulen genau wie Fabriken, Banken und Lebensmittellager.

700.000
Sudanesinnen und Sudanesen wurden seit Beginn der Kämpfe vertrieben.

Die Leidtragenden sind die Bevölkerung. Doch die kann auch ein Schlüssel sein für die Lösung der Krise. Im Sudan gibt es eine starke zivile und soziale Bewegung. Seit 2018 gab es immer wieder Proteste für einen Rückzug des Militärs aus der Politik und die Auflösung der RSF. Diese müssen endlich erhört werden. Keine Miliz kann und darf dieses Land regieren. Nur die Demobilisierung kann ein Ende der Gewalt bringen. Das Militär muss in die Kasernen zurück!

Ein Risiko für die ganze Region

Nicht nur mit Blick auf die kurzfristige Deeskalation und humanitäre Hilfe sind die internationalen Kräfte – die Vereinten Nationen, die EU, die Golfstaaten – unter Führung der Afrikanischen Union gefragt. Sie müssen die verfeindeten Parteien an den Verhandlungstisch zwingen, etwa mit Sanktionen gegen Schlüsselpersonen des Konflikts.

Die RSF ist ein Risiko für den Sudan und die ganze Region. Deshalb muss sie daran gehindert werden, weiter Kämpfer zu rekrutieren und sich immer mehr Waffen zu beschaffen. Investitionen in zivile Prozesse, einschließlich Wahlen, müssen mittelfristig Vorrang haben, um eine legitime und rechenschaftspflichtige zivile Regierung zu ermöglichen.

General Abdel Fattah al-Burhan (l) und Kommandeur der Rapid Support Forces Mohamed Hamdan Daglo (Hemeti) befinden sich in einem blutigen Machtkampf.
General Abdel Fattah al-Burhan (l) und Kommandeur der Rapid Support Forces Mohamed Hamdan Daglo (Hemeti) befinden sich in einem blutigen Machtkampf.

© afp/Asharaf Shazly

Die Justiz der Weltgemeinschaft muss unterdessen dafür sorgen, dass der inhaftierte ehemalige Langzeitherrscher des Sudan, der Ex-Diktator Omar Al Bashir, und andere angeklagte Akteure an den Internationalen Strafgerichtshof ausgeliefert werden. Die Straffreiheit, die die sudanesischen Generäle in den vergangenen 30 Jahren genossen haben, hat maßgeblich zur heutigen Krise beigetragen.

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Die Zivilgesellschaft muss die Gelegenheit bekommen, sich Gehör zu verschaffen und Zeugnis abzulegen über die vielen Verbrechen der vergangenen Jahrzehnte. Sowohl die RSF-Miliz als auch Verantwortliche der staatlichen Armee müssen zur Rechenschaft gezogen werden.

Auch braucht es einen neuen Blick auf den Sudan. Die Vermittlungsbemühungen müssen zu einem kritischeren, nuancierteren Ansatz gegenüber dem Land führen, der dessen Komplexität und Unbeständigkeit gerecht wird.

Zu oft schaut die internationale Gemeinschaft voller Naivität nur auf einzelne Regionen, anstatt das Gesamtbild zu betrachten – und wird, wie jetzt im Sudan, von den Realitäten vor Ort eingeholt und überrascht.

Statt langfristiger, strategischer Unterstützung gibt es oft nur bruchstückhafte Impulse. Die Ignoranz und das Desinteresse der Welt müssen enden – denn auch das sind Gründe für die gegenwärtige Gewalt im Sudan.

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