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Vor dem aufgebahrten früheren Papst betet der polnische Kardinal Stanislaw Dziwisz.

© Sipa/Action Press/Grzegorz Galazka

Historische Trauerfeier im Vatikan: Wenn ein Papst den Papst beerdigt

Das gab es in der Kirchengeschichte noch nie: Weil nicht der Tod, sondern sein Rücktritt Benedikts Pontifikat beendete, beerdigt jetzt erstmals ein amtierender Papst einen Vorgänger.

Das Zusammenleben mit seinem Vorgänger hatte Papst Franziskus und den Vatikan schon zu Lebzeiten Benedikts XVI. vor heikle Fragen gestellt – und tut es nun auch über seinen Tod hinaus.

Im fein ziselierten vatikanischen Protokoll wird in der Regel jedes noch so kleine Detail auf die Goldwaage gelegt und nichts dem Zufall überlassen – und bei der Begräbniszeremonie für den früheren Papst Joseph Ratzinger mussten die Verantwortlichen auch noch Neuland betreten: Zwar gibt es für die Bestattung von Päpsten ein Jahrhunderte altes Protokoll, aber noch nie hat ein amtierender Papst seinen Vorgänger beerdigt.

Die zentrale Schwierigkeit, die sich dabei stellte, war die selbe, die es auch schon in den neun Jahren der „Cohabitation“ der beiden Päpste im Auge zu behalten galt: Dem emeritierten Vorgänger soll die ihm gebührende Ehre erwiesen werden, ohne dabei die Autorität des amtierenden Papstes zu berühren oder gar in Frage zu stellen.

Der emeritierte Papst ist am Silvestermorgen um 9:34 Uhr im Kloster Mater Ecclesiae, wo er seit seinem Amtsverzicht im Februar 2013 zurückgezogen gelebt hatte, im Vatikan im Alter von 95 Jahren verstorben. Sein Nachfolger Papst Franziskus ist kurz danach als Erster an sein Totenbett geeilt, um für den Verstorbenen zu beten.

Zunächst wurde Benedikt XVI. für zwei Tage im Kloster aufgebahrt, am 2. Januar wurde der Leichnam in den Petersdom überführt. Die Überführung erfolgte ohne große Zeremonie. Das war bereits die zweite Abweichung vom üblichen Protokoll beim Tod eines Papstes gewesen.

Die erste Abweichung war gleich nach seinem Tod erfolgt: Die Glocken von St. Peter läuteten nicht. Das war aber kein Versehen: Die Glocken hatten für Benedikt XVI. schon am Tag seines offiziellen Amtsverzicht, am 28. Februar 2013, geläutet – am letzten Tag seines Pontifikats.

Menschen verabschieden sich im Petersdom vom Leichnam des verstorbenen emeritierten Papst Benedikt XVI.
Menschen verabschieden sich im Petersdom vom Leichnam des verstorbenen emeritierten Papst Benedikt XVI.

© dpa/Antonio Calanni

Die Begräbnisfeier, die heute um 9.30 Uhr auf dem Petersplatz beginnt, wird sich nicht wesentlich von derjenigen anderer Päpste unterscheiden – außer natürlich darin, dass die Messe vom amtierenden Papst persönlich geleitet wird, ein bisher einmaliger Vorgang.

Eine nicht unwichtige Abweichung, die von einzelnen Anhängern Benedikts auch kritisiert worden ist, besteht darin, dass die Zeit zwischen dem Tod und der Bestattung nur fünf statt wie üblich neun Tage verstreichen. Auch dafür gibt es aber protokollarische Gründe: Normalerweise hat der Tod eines Papstes eine „Sedisvakanz“ zur Folge, also eine Zeit, in der der Heilige Stuhl verwaist ist.

60.000
Menschen strömten bereits am Montag in den Petersdom, um vom ehemaligen Papst Abschied zu nehmen.

Dass die Zeit zwischen Tod und Beerdigung bei Benedikt verkürzt wurde und auch einige andere Abläufe und Rituale nicht stattgefunden haben, ist hauptsächlich darauf zurückzuführen, dass der Heilige Stuhl nach dem Tod des emeritierten Papstes eben nicht vakant wurde. Und es entsprach auch dem ausdrücklichen Willen des Verstorbenen, der sich ein einfaches Begräbnis gewünscht hatte.

Aus Joseph Ratzingers deutscher Heimat werden unter anderem Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Bundeskanzler Olaf Scholz und der bayrische Ministerpräsident Markus Söder anreisen. Aber auch Bundestagspräsidentin Bärbel Bas, Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher als Präsident des Bundesrates sowie Stephan Harbarth, der Chef des Bundesverfassungsgerichts, werden der Delegation angehören. Von italienischer Seite haben sich Staatspräsident Sergio Mattarella, Ministerpräsidentin Giorgia Meloni und zahlreiche weitere öffentliche Würdenträger angemeldet.

Auch bei den Staatsgästen gibt es im Übrigen eine Abweichung vom Protokoll: Weil mit Benedikt XVI. kein Staatsoberhaupt gestorben ist (das Staatsoberhaupt des Vatikanstaats ist der amtierende Papst Franziskus), handelt es sich bei der heutigen Feier - im Unterschied zu „normalen“ Begräbnisfeiern für Päpste – nicht um ein Staatsbegräbnis. Offiziell zur Feier eingeladen waren deshalb nur deutsche und italienische Behördenvertreter. Alle anderen Staatsgäste – es sind sehr viele – sind protokollarisch lediglich privat zur Feier anwesend.

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Ursprünglich rechnete der Vatikan mit 60.000 bis 80.000 Anwesenden auf dem Petersplatz – die tatsächliche Zahl dürfte aber um einiges höher liegen. Die Anteilnahme am Tod Benedikt XVI. war schon in den Tagen zuvor grösser als zunächst angenommen: Am Montag strömten bereits 60.000 Menschen in den Petersdom, um vom ehemaligen Papst Abschied zu nehmen.

Gläubige stehen Schlange auf dem Petersplatz, um Abschied vom verstorbenen emeritierten Papst zu nehmen, dessen Leichnam im Petersdom aufgebahrt ist.
Gläubige stehen Schlange auf dem Petersplatz, um Abschied vom verstorbenen emeritierten Papst zu nehmen, dessen Leichnam im Petersdom aufgebahrt ist.

© dpa/Michael Kappeler

Der Vatikan hatte mit der Hälfte gerechnet. Am Dienstag erwiesen dem aufgebahrten Benedikt XVI. weitere 55.000 Gläubige und Pilger die letzte Reverenz. Dies zeigt die Beliebtheit und Achtung, die Joseph Ratzinger auch noch fast zehn Jahre nach seinem Amtsverzicht bei vielen Menschen genoss.

Im Vergleich zum letzten Tod eines Papstes, jenem von Johannes Paul II. im April 2005, hielt sich der Andrang freilich in Grenzen: Damals wurde Rom in der Zeit zwischen seinem Tod und seiner Bestattung von rund drei Millionen Gläubigen und Pilgern überrannt.

Der ehemalige Papst wird unmittelbar nach der von Papst Franziskus geleiteten Messe in den Vatikanischen Grotten, also in der weit verzweigten Krypta des Petersdoms beigesetzt, wo die meisten Päpste bestattet sind.

Seine letzte Ruhestätte findet Benedikt XVI., wie er es sich gewünscht hat, im ehemaligen Grab von Johannes Paul II. Die sterblichen Überreste von Karol Wojtyla waren nach seiner Heiligsprechung durch Franziskus im Jahr 2014 in eine Seitenkapelle des Petersdoms transferiert worden.

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