zum Hauptinhalt
Wolodymyr Selenskyj, Präsident der Ukraine, gibt nach einem Gespräch mit dem deutschen Verteidigungsminister eine Pressekonferenz.

© dpa/Kay Nietfeld

„Ich wünschte, Friedrich würde uns Taurus geben“: Die drei wichtigsten Aussagen aus Selenskyjs neuestem Interview

In einem Interview mit der „Welt“ äußert sich der ukrainische Präsident Selenskyj über seine Beziehung zu US-Präsident Trump. Auch Kanzler Merz´Taurus-Versprechen sorgt für Gesprächsstoff.

Stand:

Geht es nach dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, könnten US-Sanktionen gegen Russland den Kremlchef Wladimir Putin dazu bewegen, über ein Ende des Krieges nachzudenken. Das sagte Selenskyj in einem Interview mit dem „Axel Springer Global Reporters Network“, zu dem auch die Tageszeitung „Welt“ gehört. Lesen Sie hier die wichtigsten Aussagen des ukrainischen Präsidenten.

Selenskyj: US-Sanktionen gegen Russland könnten Wende bringen

Bei den bislang wenig erfolgreichen Friedensverhandlungen zwischen Vertretern der Ukraine und Russland gehe es Moskau lediglich darum, den US-amerikanischen Präsidenten Donald Trump zu beschwichtigen und Sanktionen gegen das eigene Land abzuwenden, vermutet Selenskyj. „Für sie ist es wichtig, Trump zu zeigen, dass es eine diplomatische Brücke zwischen der Ukraine und Russland gibt“, so der 47-Jährige.

Ich denke, dass Russland Trump einfach anlügt.

Wolodymyr Selenskyj

Solange verhandelt werde, könne Russland die Einführung von Sanktionen noch abwenden, mutmaßt Selenskyj. Putin könne bei der Verhängung harter Maßnahmen jederzeit einwenden: „Wir sprechen doch miteinander!“ Selenskyj ist sich sicher: „Wenn die Sanktionen eingeführt werden, dann wird es keine Gespräche mehr geben.“

Von den USA fordert er daher ein härteres Vorgehen: „Trump muss die Sanktionen einführen, damit Putin sofort sagt: ,Lass uns über das Ende des Krieges sprechen.’“ Anders werde es nicht funktionieren, glaubt der ukrainische Präsident. „Meiner Meinung nach versteht Putin nichts außer Stärke. Und Amerika hat diese Stärke.“

Dem US-amerikanischen Präsidenten traut Selenskyj ohne Weiteres zu, dass er die russische Hinhaltetaktik längst durchschaut hat: „Präsident Trump sieht, dass die russische Seite nicht ganz offen und ehrlich ist, was den Krieg betrifft.“ Der Ukrainer betont: „Ich denke, dass Russland Trump einfach anlügt.“

Dass auch er selbst als ukrainischer Präsident von Donald Trump beispielsweise bei seinem Besuch in Washington mitunter scharf kritisiert wurde, sieht Selenskyj gelassen: „Ich werde alles ganz normal aufnehmen, wenn uns das dem Ende des Krieges näher bringt.“ Der US-Präsident habe seine Taktik gewählt. „Ich möchte niemanden verurteilen“, betont er.

Selenskyj hofft auf Taurus-Lieferung aus Deutschland

Selenskyj warnt in dem Zusammenhang vor eventuellen Kürzungen der westlichen Militärhilfen für sein Land. Sollten sich die USA dazu entscheiden, die Ukraine-Unterstützung im nächsten Verteidigungshaushalt zu reduzieren, dann werde man das nicht nur in der Ukraine spüren, sondern auch in anderen Ländern.

„Das ist eine Welle der Risiken für andere Staaten, für alle Staaten und vor allem für Europa“, betont der Ukrainer und warnt zugleich: „Das ist eine Bombe oder eine Mine, wenn die Hilfe der Ukraine entzogen würde.“

Ich wünschte, Friedrich würde uns Taurus geben.

Wolodymyr Selenskyj

Im Interview wird Selenskyj außerdem auf mögliche Lieferungen deutscher Marschflugkörper vom Typ Taurus angesprochen. Er wisse, dass Bundeskanzler Friedrich Merz noch im Wahlkampf Taurus-Lieferungen versprochen hatte, nun aber bei der Umsetzung zögere. „Die Taurus-Frage ist bedeutend“, betont Selenskyj und fährt laut „Welt“-Angaben „vorsichtig lächelnd“ fort: „Ich wünschte, Friedrich würde uns Taurus geben.“

Nach Aufzeichnung des Interviews empfing Selenskyj den deutschen Verteidigungsminister Boris Pistorius am Donnerstagnachmittag in Kiew. Bei der Pressekonferenz vor Journalisten stellte Pistorius der Ukraine weitere 1,9 Milliarden Euro Militärhilfe in Aussicht. Mit dem Geld sollten unter anderem Raketen mit großer Reichweite finanziert werden, so der Verteidigungsminister. Auf die Frage, ob Deutschland nun auch die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine erwäge, antwortete Pistorius: „Da Sie mir eine Frage gestellt haben, ob wir das in Erwägung ziehen, lautet meine Antwort: Nein.“

Selenskyj sieht russische Drohnenangriffe nicht als Rache-Aktion Putins

Der ukrainische Präsident betont im Interview, dass es sich bei den jüngsten russischen Angriffen auf die ukrainische Zivilgesellschaft seiner Ansicht nach nicht um eine Racheaktion des russischen Präsidenten handelt.

Putin möchte den Krieg einfach nicht beenden.

Wolodymyr Selenskyj

Der Kremlchef deute die heftigen Luftangriffe lediglich in eine Vergeltungsmaßnahme um, die infolge der ukrainischen Geheimoperation „Spinnennetz“ vorgenommen werden müsse. Vor etwa zwei Wochen hatte die Ukraine in einem spektakulären Großangriff russische Militärflughäfen weit im Hinterland attackiert. Der Vizechef des russischen Sicherheitsrats, Dmitri Medwedew, schrieb kurz darauf via bei Telegram: „Rache ist unvermeidlich.“

Selenskyj stellt nun klar: Auch einen Tag vor der Geheimoperation Spinnennetz habe Russland einen Rekordangriff auf ukrainisches Gebiet durchgeführt. Putin suche lediglich „nach Gründen, um die Ukraine angreifen zu können. Er möchte den Krieg einfach nicht beenden“. Das russische Volk glaube auch weiterhin an die radikale Politik des Kremlchefs. „Aber er muss das Feuer der Informationen und des Hasses aufrechterhalten.“ (mira)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })