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Zu ihnen zählen viele Impfgegner und Verschwörungstheoretiker: Unterstützer der rechtsextremen Sanseito-Partei bei einer Veranstaltung in Tokio.

© REUTERS/KIM KYUNG-HOON

„Japanese First“ und ausländerfeindlich: Wie eine kleine, rechte Partei Japans Regierung aufmischt

124 Millionen Menschen leben in Japan, nur drei Prozent davon sind Ausländer. Trotzdem hat eine rassistische Partei fast aus dem Stand 15 Sitze bei den Oberhaus-Wahlen geholt. Fragen an einen Experten.

Stand:

Herr Linnarz, zum ersten Mal seit 1955 haben Japans Liberaldemokraten die Mehrheiten in beiden Kammern des Parlaments verloren. Ein Grund ist die kleine rechtspopulistische Partei Sanseito („Teilhabe“). Bei der Oberhauswahl am Sonntag hat sie 14 neue Sitze gewonnen, bislang hatte sie einen. Wie erklären Sie sich das?
Sanseito hat sich seit ihrer Gründung 2020 sehr erfolgreich in den sozialen Medien positioniert und damit bei dieser Wahl auch viele jüngere Wählerinnen und Wähler mobilisieren können.

Darüber hinaus profitierte die Partei von einer spürbaren Politikverdrossenheit in Teilen der Bevölkerung.

Sicherlich muss die Wählerwanderung noch genauer analysiert werden. Nach der ersten Auswertung ist aber davon auszugehen, dass Sanseito viele Nichtwähler zur Stimmabgabe bewegen konnte und insbesondere die liberaldemokratische LDP enttäuschte Anhängerinnen und Anhänger an die Partei verloren hat.

Die Partei ist offen rassistisch, dabei leben in Japan nur drei Prozent Ausländer. Wie passt das zusammen?
Auch in Deutschland, Europa und den USA ist Ausländerfeindlichkeit ja kein Phänomen, das nur die Regionen und Gemeinden mit einem vergleichsweise hohen Ausländeranteil betrifft.

Ähnlich wie an verschiedenen europäischen Urlaubsorten sorgt in den populären urbanen Zentren Japans das Thema „Übertourismus“ für Unmut. In den vergangenen Monaten haben sich zudem mehrere schwere Verkehrsunfälle ereignet, in die ausländische Touristen verwickelt waren.

Gleichzeitig darf nicht vergessen werden, dass Sanseito mit ihrer „Japanese First“-Politik auch Steuervergünstigungen und die Ankurbelung der Konjunktur fordert. Nach ersten Analysen fand die Partei damit vor allem unter männlichen Wählern Zuspruch.

Parteichef Sohei Kamiya (47) ist Impfgegner und Anhänger von Verschwörungstheorien zur Covid-19-Pandemie. Über seinen Youtube-Kanal verbreitet er seit 2013 rechtsextreme Inhalte.

© REUTERS/KIM KYUNG-HOON

Beobachter hatten den Rücktritt von Premierminister Shigeru Ishiba bei einer Niederlage für möglich gehalten, er will aber weitermachen. Wird Ishiba zugetraut, die LDP zu erneuern?
Wie das in der Bevölkerung ankommt, lässt sich wohl erst nach den nächsten Umfragen über die Zustimmungswerte für die LDP und den Premierminister sagen. Ich glaube, dass die LDP und Ishiba absehbar nicht aus dem Umfragetief herauskommen dürften.

Dafür müsste die Wirtschaft merklich in Schwung kommen, die Reallöhne müssten wieder steigen und die Inflation spürbar sinken. In Japan hat sich bis Mai innerhalb von zwölf Monaten der Preis für das Grundnahrungsmittel Reis verdoppelt. An diesen Themen werden die Partei und der Regierungschef letztlich gemessen.

Die Liberaldemokraten stecken schon länger in der Krise. Wie groß sehen Sie die Gefahr, dass bald eine rechte Partei das Land regieren könnte?
Diese Chance ist gering. Sanseito hat bei der Oberhauswahl zwar zugelegt, ist aber immer noch nur die sechststärkste Kraft in der Parlamentskammer mit deren deren insgesamt 248 Sitzen.

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