zum Hauptinhalt
Rund 650 Kinder wurden zum Zeitpunkt des Angriffs in dem Krankenhaus behandelt.

© REUTERS/THOMAS PETER

Analyse von Videomaterial, Beguchtachtung vor Ort: UN sieht Russland hinter Angriff auf Kinderkrankenhaus

Nach dem verheerenden Angriff auf ein Kinderkrankenhaus in Kiew sehen die Vereinten Nationen Russland in der Verantwortung. Der Kreml wiederum spricht von einer fehlgeleiteten Luftabwehrrakete.

Stand:

Russland und die Ukraine werfen einander vor, für den Raketentreffer und die Beschädigung des Kinderkrankenhauses in Kiew verantwortlich zu sein. Die Vereinten Nationen (UN) erklärten am Dienstag, sie gingen davon aus, dass eine russische Rakete das Ochmatdyt-Krankenhaus getroffen habe und der Schaden nicht durch die ukrainische Luftabwehr entstanden sei.

Das größte Kinderkrankenhaus in Kiew war am Montag bei einem der schwersten russischen Raketenangriffe seit Monaten getroffen worden. Auch andere Städte waren Ziel der Angriffe, bei denen nach ukrainischen Angaben mindestens 41 Zivilisten starben.

Die Rettungsarbeiten am Krankenhaus für Kinder mit schweren Leiden wie etwa Krebs wurden am Dienstag eingestellt. Zwei Menschen waren getötet und Dutzende verletzt worden. Alle Patienten seien in andere medizinische Einrichtungen gebracht worden, teilte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj mit.

Große ukrainische Unternehmen kündigten Spenden an, um die Kinderklinik - eine der größten in Europa - wieder aufzubauen. Mindestens vier Gebäude seien zum Teil zerstört worden, die Dialyseabteilung völlig, teilte Generaldirektor Wolodymyr Schownir mit.

Der Sprecher des Präsidialamtes in Moskau, Dmitri Peskow, sagte, das Krankenhaus sei von der ukrainischen Luftabwehr getroffen worden, nicht von russischen Raketen. Einen Beweis dafür legte er nicht vor. „Ich bestehe darauf, dass wir keine Angriffe auf zivile Ziele vornehmen“, bekräftigte Peskow vor der Presse.

Ukrainischer Geheimdienst will Beweise vorlegen

Auf die Frage, wie Russland nach der Tragödie behaupten könne, es greife keine zivilen Ziele an, erwiderte er: „Ich fordere Sie auf, sich an den Aussagen des russischen Verteidigungsministeriums zu orientieren, das Angriffe auf zivile Ziele absolut ausschließt und erklärt, es handele sich um ein fallendes Raketenabwehrsystem.“

Wenig später erklärte die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, ein Geschoss eines Boden-Luft-Raketenabwehrsystems vom Typ Nasams, das die Ukraine selbst abgefeuert habe, sei in das Krankenhaus eingeschlagen. Nasams ist ein modernes Boden-Luft-Raketenabwehrsystem, das die USA zusammen mit Norwegen entwickelt haben.

Nach ukrainischen Angaben ist dagegen eine russische Kalibr-Lenkwaffenrakete vom Typ Kh-101 in die Klinik eingeschlagen. Ein solcher Marschflugkörper trägt üblicherweise einen 450 Kilogramm schweren Sprengkopf. Der ukrainische Inlandsgeheimdienst SBU erklärte, es gebe dafür neue eindeutige Beweise. Es seien Fragmente des Heckteils einer Kh-101 samt Seriennummer sowie Teile des Leitsystems an der Einschlagsstelle gefunden worden.

„Die Schlussfolgerungen der Experten sind eindeutig – es war ein direkter Angriff“, erklärte der SBU auf Telegram. Er zeigte Bilder von einem Fragment eines Triebwerks, das an der Stelle des Einschlages gefunden worden sein soll. Die Analyse der Flugbahn und der Art des Schadens beweise, dass es sich um einen direkten Treffer gehandelt habe.

Auch die Leiterin des UN-Menschenrechtsbeobachtungseinsatzes in der Ukraine, Danielle Bell, ging von einem direkten russischen Beschuss aus und verwies auf eine eigene Überprüfung. „Die Analyse des Videomaterials und eine vor Ort vorgenommene Begutachtung deuten mit hoher Wahrscheinlichkeit darauf hin, dass das Kinderkrankenhaus einen direkten Treffer erlitten hat und nicht durch ein abgefangenes Waffensystem beschädigt wurde.“

Zum Zeitpunkt des Angriffs seien dort rund 670 Kinder behandelt worden und etwa 1000 Mitarbeiter beschäftigt gewesen. „Das Personal hatte die Kinder gestern Morgen in einen Bunker gebracht, als die Luftschutzsirenen losgingen, sonst hätte es viel mehr Verluste gegeben.“

Mehrere Länder warfen Russland vor, das Kinderkrankenhaus angegriffen zu haben. Papst Franziskus drückte seine tiefe Bestürzung über die Zunahme der Gewalt aus. Indiens Ministerpräsident Narendra Modi, der sich zu Gesprächen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin in Moskau aufhielt, sagte, der Tod unschuldiger Kinder sei sehr schmerzhaft. Er und Putin hätten darüber gesprochen. Auf Antrag unter anderem der USA, Frankreichs und Großbritanniens sollte am Dienstag der UN-Sicherheitsrat zu dem Vorfall beraten. (Reuters)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })