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Vom Pflegeheim zurück ins Kloster: Regina (86), Rita (82) und Bernadette (88).

© REUTERS/Angelika Warmuth

Kirche droht mit Exkommunikation: Die drei Nonnen, die aus dem Pflegeheim flohen, um ein Kloster zu besetzen

Drei Nonnen in Österreich haben ihr altes Ordenshaus besetzt – im Altersheim hatten sie Heimweh. Nun droht ihnen die katholische Kirche und hat offenbar ihr Renten-Konto gesperrt. Ein Besuch.

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Im Garten bückt sich Schwester Rita herunter und jätet Unkraut. „In den zwei Jahren ist das alles überwuchert“, klagt die 82-Jährige. „Vor allem der Erdholler geht nicht richtig raus. Aber es ist ja eine schöne Arbeit.“ Dann pflückt die Nonne einen großen Strauß Pfefferminze. „Das gibt nachher einen Tee.“

Zwei Jahre lebte Rita mit ihren Mitschwestern Regina (86) und Bernadette (88) in einem Altenheim, doch dort gefiel es ihnen nicht. Sie wollten unabhängig sein, sich wieder selbst versorgen. Also flohen sie, zurück in ihr altes Kloster im Schloss Goldenstein in Österreich, nur sieben Kilometer südlich von Salzburg.

Vor gut zwei Wochen war das, am 4. September. „Nach dem Mittagessen“, erzählt Schwester Bernadette. Sie sitzt draußen auf einer Holzbank auf der Veranda des Ordenshauses. Kirschkuchen und Gebäck stehen auf dem Tisch neben ihr – Menschen aus dem Ort haben das vorbeigebracht, um die drei Nonnen zu unterstützen.

Im Dezember 2023 waren die Augustiner-Chorfrauen von dem für sie zuständigen Ober, Propst Markus Grasl, in einer katholisch geführten „Seniorenresidenz“ untergebracht worden. Nur ein paar Kilometer von Goldenstein entfernt. „Es hieß immer, es geht um Kurzzeitpflege“, sagt Bernadette, die sich dort gar nicht wohlfühlte. Im Heim zu sterben, kam für sie nicht infrage. „Da hätte ich mich lieber auf eine Wiese gelegt.“

Regina (86), Rita (82) und Bernadette (88) sitzen auf einer Parkbank in Elsbethen – jenem Ort, an dem sie ihre letzten Jahre verbringen möchte.

© REUTERS/Angelika Warmuth

Das Klosterschloss war schnell geknackt

Die Flucht war gut organisiert. Freundinnen und Freunde kamen, luden die drei in Autos ein – und weg waren sie. Am Kloster musste „ein handwerklich begabter Mann“ das in der Zwischenzeit ausgetauschte Schloss öffnen, damit sie wieder einziehen konnten. Seitdem sind Rita, Regina und Bernadette Hausbesetzerinnen.

Die Zuständigen bei der Katholischen Kirche waren strikt dagegen, dass die drei das leerstehende Gebäude wieder in Betrieb nehmen. Recht schnell kamen zwei Polizisten vorbei. „Das waren ganz liebe“, meint Bernadette. Die Beamten hätten sich erkundigt, ob die medizinische Versorgung und auch sonst alles Notwendige gewährleistet sei.

Das Kloster des Schloss Goldenstein bei Salzburg ist zurzeit wieder das Zuhause der drei Nonnen.

© REUTERS/Angelika Warmuth

Die Rückkehr der drei alten Damen treibt nicht nur den Ort Elsbethen um, in dem sich das Schloss Goldenstein mit dem Kloster befindet. In ganz Österreich wurde darüber berichtet. Von dort schwappte die Nachricht in die Welt: Die britische BBC und der US-Sender CNN sendeten Beiträge. Der amerikanische Dokumentarfilmer Brad Baley war da, ebenso wie die „New York Times“. Nächste Woche will ein Vatikan-Korrespondent aus Rom kommen. Der Instagram-Kanal der Nonnen hat inzwischen mehr als 33.700 Follower – für diesen Samstag laden sie zu einem gemeinsamen Rosenkranzbeten in ihre Kapelle ein.

Wie fit ist fit genug?

Das für das Kloster zuständige Stift Reichersberg widerspricht den Vorwürfen der drei Frauen und ihrer Unterstützer, wonach sie in das Altenheim abgeschoben worden seien. 2023 sei die gesundheitliche Situation der Schwestern „so prekär gewesen, dass – auch auf dringendes medizinisches Anraten – eine Übersiedlung in ein Pflegeheim unumgänglich war“, teilt Harald Schiffl, der Sprecher des Stifts, dem Tagesspiegel mit. Schiffl mit Büro in Wien ist selbstständig und auf „Krisenkommunikation“ spezialisiert. Er wird eingeschaltet, wenn, salopp gesagt, die Hütte brennt.

Die Kirche hält die drei Frauen für zu pflegebedürftig, um sie alleine wohnen zu lassen.

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Ihm zufolge sei mit den Schwestern „die Notwendigkeit einer Übersiedlung selbstverständlich besprochen“ worden. Im Pflegeheim hätten sie „umfassende medizinische Betreuung“ und könnten „mit anderen Ordensfrauen in einer geistlichen Gemeinschaft leben“. Das Kloster hingegen sei „weder alters- noch behindertengerecht“. Einst hatten sie zwar von der Kirche schriftlich die Versicherung erhalten, bis zu ihrem Tod im Kloster leben zu dürfen. Allerdings mit dem Zusatz: „Solange dies gesundheitlich und geistlich vertretbar ist.“

Genau an diesem Punkt scheiden sich die Auffassungen des Stifts mit denen von Rita, Regina und Bernadette. Sie finden: Für ihr Alter sind sie nicht schlecht beieinander.

Die Kirche droht mit Exkommunikation

Auch mancher Klosterbesucher wundert sich über die Einschätzung der Kirche, ebenso wie die Unterstützer der drei Geflüchteten. Eine von ihnen ist Christina Wirtenberger. Als Kind hatte sie selbst die einst von den Nonnen geführte Mädchen-Mittelschule für 10- bis 14-Jährige im Schloss Goldenstein besucht. Sie stamme aus einem sehr schwierigen Elternhaus, erzählt Wirtenberger, „und die Schule und das Internat waren meine Rettung und mein Segen“. Schwester Regina war selbst Schulleiterin und Bernadette Lehrerin. Die Kinder, so sagen sie, waren ihnen immer das Liebste – und sind es jetzt nach der Rückkehr wieder.

Wir sind völlig klar, von Demenz keine Spur.

Schwester Bernadette

Es sind harte Vorwürfe, die die Nonnen gegen die Kirche erheben und die nicht alle unabhängig überprüft werden können. Sie seien als „schwer dement“ dargestellt worden, berichtet Bernadette. Ein von ihnen hinzugezogener Arzt habe aber festgestellt: „Wir sind völlig klar, von Demenz keine Spur.“ Der Propst habe ihnen mit dem Kirchenrecht gedroht, sogar mit der Exkommunikation, also dem Rauswurf aus der Kirche. Das bestreitet Krisen-Mann Schiffl nicht. Die Schwestern hätten „mit ihren Gelübden auch Gehorsam ihrer Oberin/ihrem Oberen gegenüber versprochen“, meint er. Und das sei „bindend“.

Bernadette sagt dazu: „Ich bin gehorsam gegenüber Gott, Jesus Christus und der Kirche.“ Auf keinen Fall möchte sie, dass jemand wegen ihr und den anderen den Katholiken den Rücken kehrt. Für Gottesdienste in der eigenen, großen Kapelle, die Schwester Regina gern zeigt, haben sie einen Geistlichen gewinnen können – „ein 91-jähriger Priester, er ist sehr würdig und tief fromm“.

Die Treppenlifte wurden abmontiert

Nach Ansicht von Christina Wirtenberger und anderen Helfern der Klosterfrauen benötigen sie nur wenig Unterstützung. Essen könnten sie selbst kochen oder beim Roten Kreuz bestellen. Einer der drei Damen müssten zweimal am Tag die Beine verbunden werden. Die andere habe Altersdiabetes, komme aber mit den Tabletten gut zurecht.

Vor der Rente unterrichteten die Nonnen an einer Mädchenschule: Viele ehemalige Schülerinnen helfen ihnen nun im Alltag.

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Zwei von ihnen benutzen Rollatoren. Da ist vor allem der Auf- und Abstieg in die Zimmer im dritten Stock des Schlosses beschwerlich. Denn während ihrer Abwesenheit wurden die drei Treppenlifte abmontiert. „Die haben die vielleicht verkauft“, mutmaßt Regina. Die Lifte seien „in die Jahre gekommen“, teilt Sprecher Schiffl mit.

Der ganze Ort steht hinter ihnen. Wir freuen uns so sehr, dass sie wieder da sind.

Bewohnerin von Elsbethen, wo das Kloster liegt

An diesem Tag haben Regina, Rita und Bernadette schon einen anstrengenden Vormittag hinter sich – und der Nachmittag wird nicht anders. Journalisten sind da, Helfer und Bewohner aus Elsbethen, darunter auch viele ehemalige Schülerinnen. „Der ganze Ort steht hinter ihnen. Wir freuen uns so sehr, dass sie wieder da sind“, sagte eine Besucherin. Schiffl hingegen findet es „befremdlich, wie sehr die Schwestern vorgeführt“ würden.

Wie es weitergehen wird? „Mit ihren Pensionen, die sie als frühere Lehrerinnen erhalten, würden sie gut über die Runden kommen“, meint Christina Wirtenberger. Falls in einem gewissen Maß mehr Pflege nötig würde, könnte das ihr zufolge gut organisiert und bezahlt werden.

Doch bislang ist die Sache mit dem Geld nicht geregelt. Das Kloster hat ein Gemeinschaftskonto, auf dem laut der Helferin 400.000 Euro liegen. Als Schwester Bernadette aber vor kurzen 150 Euro abheben wollte, um Stoff zum Nähen von Ordenskleidung zu kaufen, stellte sie fest: Das Konto ist gesperrt. Bisher ist darauf alles Geld eingeflossen – auch ihre Pensionen.

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