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Vor dem Eingang der Europäischen-Union sind Banner mit EU-Symbolik angebracht.

© dpa/Alicia Windzio

Im EU-Parlament fällt die Brandmauer: Konservative und extreme Rechte schwächen zusammen das Lieferkettengesetz ab

Im EU-Parlament haben Konservative mit den Stimmen extrem-rechter Parteien das Lieferkettengesetz abgeschwächt. Die linken Fraktionen reagieren empört. 

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Im Europaparlament schlagen die Emotionen ungewöhnlich hoch. Grund für die Aufregung ist allerdings nicht die Zustimmung der Abgeordneten für weitreichende Lockerungen des umstrittenen EU-Lieferkettengesetzes. Für wesentlich größere Empörung im linken Lager sorgt, dass die Mehrheit in diesem Fall gezielt aus Konservativen und Rechtsaußenfraktionen zustande kam.

Manfred Weber (CSU), Vorsitzender der konservativen EVP-Fraktion, habe sich „für den Tabubruch und den Schulterschluss mit den Rechtsextremen entschieden“, sagte Terry Reintke, Ko-Fraktionsvorsitzende der Grünen-Fraktion im Europaparlament am Donnerstag.

Diese Abstimmung sei „kein Zufall, kein Unfall und kein Versehen“, klagte sie, sondern ein Präzedenzfall, der „die Zusammenarbeit mit Rechtsaußen zur Normalität machen“ soll. Manfred Weber weist solche Vorwürfe weit von sich und er betonte in Brüssel den Sieg in der Sache: „Heute ist ein guter Tag für Europas Wettbewerbsfähigkeit.

Konzerne müssten künftig weniger Informationen liefern

Ursprünglich wollte die EU mit dem Lieferkettengesetz Unternehmen mit mehr als 1000 Beschäftigten und 450 Millionen Euro Jahresumsatz für Menschenrechtsverletzungen und Umweltverschmutzung in ihrer Produktion in die Pflicht nehmen. Die Mehrheit im Europaparlament will diese Schwelle nun auf mindestens 5000 Beschäftigte und einen Jahresumsatz von mindestens 1,5 Milliarden Euro anheben. Das entspricht der Position einer Mehrheit der 27 EU-Staaten.

Darüber hinaus will die Parlamentsmehrheit weitere Lockerungen. Anders als bislang vorgesehen sollen die Konzerne nicht mehr grundsätzlich ihre gesamte Lieferkette kontrollieren und sich stattdessen auf Zulieferer konzentrieren, bei denen sie ein hohes Risiko für Verstöße vermuten. Sie müssten damit deutlich weniger Informationen liefern.

René Repasi, Chef der deutschen SPD-Gruppe im Europaparlament, warnte, dass die Konservativen eine „gefährliche neue Erzählung verbreiten, indem sie Wettbewerbsfähigkeit und Nachhaltigkeit als Widersprüche inszenieren“. Tatsächlich hänge das wirtschaftliche Überleben Europas davon ab, die Wirtschaft beim Wandel zur Klimaneutralität zu unterstützen. Und auch der Sozialdemokrat klagt, dass die Christdemokraten mit dieser Abstimmung „die Brandmauer eingerissen“ hätten.

Diese Umschreibung für die konsequente Absage der Zusammenarbeit mit den Parteien aus dem rechtspopulistischen Spektrum, ist aus dem Berliner Bundestag geläufig. Allerdings lassen sich die politischen Verhältnisse aus Deutschland nicht einfach auf die Arbeitsweise im Europaparlament übertragen.

Die EVP sucht ihre Mehrheiten überall – auch extrem rechts

Denn anders als im Bundestag gibt es auf EU-Ebene keine feste Regierungskoalition und auch keine eiserne Fraktionsdisziplin. Das hat unter anderem damit zu tun, dass viele Abgeordnete bei Abstimmungen das Wohl ihres Heimatlandes über das der international zusammengewürfelten Fraktion stellen. Deshalb werden die einzelnen Gesetze in Brüssel immer wieder mit wechselnden Mehrheiten verabschiedet.

Gab es bei diesen Voten bisher immer eher linke Mehrheiten, mit denen etwa die Vorgaben in Sachen Umweltschutz oder Menschenrechte verschärfen wurden, haben sich die Kräfteverhältnisse nach der Europawahl im vergangenen Jahr verändert. Nun kann die konservative EVP, zu der auch CDU und CSU gehören, je nach Thema ihre Mehrheiten links oder rechts der eigenen Position finden.

Diese neue Situation nutzt EVP-Chef Weber inzwischen immer wieder, um Vorschriften für Unternehmen oder Umweltvorgaben zurückzunehmen. Dabei sieht EVP-Chef Weber Teile der Rechtsfraktionen als verlässliche Partner, etwa die Partei der italienischen, postfaschistischen Regierungschefin Giorgia Meloni.

Allerdings schreckten die Konservativen im Europaparlament auch nicht zurück, Stimmen aus der extrem-rechten Ecke hinzunehmen. So nahm im vergangenen Jahr eine konservative Mehrheit Anträge an, die ohne die Stimmen der AfD nicht beschlossen worden wären – damals ging es um ein Gesetz gegen Abholzung. Das wurde von den linken Fraktionen bisher mit Zähneknirschen akzeptiert.

Allerdings habe Manfred Weber nun „erstmals ein Gesetz bewusst und kalkuliert mit den Stimmen der extremen Rechten durch das Parlament gebracht“, empörte sich die Grünen-Abgeordnete Anna Cavazzini am Donnerstag. Die Vertreter von Sozialdemokraten, Liberalen und Grünen werten dies als politische Kampfansage.

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