
© REUTERS/ANATOLII STEPANOV
Kreml-Angaben „aufgebläht“: Militäranalysten relativieren Putins Erfolgsmeldungen in Donezk
Die Ukraine und die USA sind sich beim Friedensplan noch uneinig. Zur Streitfrage gehört auch die territoriale Zugehörigkeit von Donezk. Gerade jetzt meldet Moskau Erfolge von dort.
Stand:
Am Sonntag meldete Russland die Einnahme dreier Ortschaften in der Ukraine – darunter auch die Siedlung Petriwske in der stark umkämpften Region Donezk. Moskaus Meldung über die neuen Geländegewinne erfolgte just an dem Tag, an dem sich die Ukraine mit ihren westlichen Verbündeten in Genf über den US-Plan zur Beendigung des Krieges beraten hatte.
Russische Meldungen über Gebietsgewinne in Donezk häufen sich in letzter Zeit. Dabei werden Militärführer und Regierungsvertreter nicht müde, zu betonen, dass die jüngsten Erfolge in den umkämpften Gebieten so zahlreich seien, dass ein Sieg Russlands im anhaltenden Ukrainekrieg quasi unvermeidlich und nur folgerichtig sei.
Militäranalysten der US-amerikanischen Denkfabrik „The Institute for the Study of War“ (ISW) bestätigen zwar, dass sich das Vorstoßtempo der russischen Truppen seit dem Gipfeltreffen von US-Präsident Donald Trump und Russlands Staatschef Wladimir Putin im August in Alaska beschleunigt habe. Allerdings sei ein russischer Sieg den Experten zufolge „keineswegs unvermeidlich“, berichtet das ISW in seinem Lagebericht vom Sonntag. Vielmehr zeige die „Realität vor Ort, dass Russland auf seinem Weg zur Eroberung der restlichen Gebiete von Donezk mit vielen Hindernissen konfrontiert ist.“
Zwischen dem 15. August und dem 20. November sollen Russlands Truppen durchschnittlich 9,3 Quadratkilometer pro Tag vorgerückt sein. „Bei diesem Vorstoßtempo würden die russischen Streitkräfte die Eroberung des restlichen Gebiets der Oblast Donezk erst im August 2027 abschließen“, prognostiziert das ISW – allerdings auch nur, wenn die Russen die Geschwindigkeit unvermindert beibehalten.
Die Berechnung basiert auf der Annahme, dass Russland „die gleichen Ressourcen, die seit dem 15. August an der Front eingesetzt werden, ausschließlich auf Kämpfe in der Oblast Donezk konzentrieren“, heißt es.
Angesichts saisonaler Wetterbedingungen und des einsetzenden Winters dürfte sich „das Tempo des russischen Vormarsches bald verlangsamen“, schätzt das ISW und resümiert: „Der Kreml bläht die jüngsten militärischen Erfolge Russlands auf, um die Ukraine und den Westen dazu zu bewegen, das Gebiet Donezk aufzugeben.“

© REUTERS/stringer
Die Rolle von Donezk im 28-Punkte-Friedensplan
In der letzten Woche veröffentlichte das US-amerikanische Nachrichtenportal „Axios“ einen 28-Punkte-Friedensplan, mit dem die US-Regierung unter Präsident Donald Trump den seit mehr als dreieinhalb Jahren andauernden russischen Angriffskrieg in der Ukraine beenden will. Später wurde der Inhalt des Dokuments von Regierungsvertretern aus den USA und der Ukraine bestätigt.
Trump setzte Kiew danach unter Druck, den Plan anzunehmen. In der veröffentlichten Fassung heißt es, dass die von Russland annektierten ukrainischen Gebiete Donezk, Luhansk und die Krim als faktisch russisch anerkannt werden sollen. Die ukrainische Armee solle die Teile von Donezk, die sie aktuell noch unter Kontrolle hält, räumen. Das Gebiet soll dem Plan folgend zu einer neutralen, entmilitarisierten Pufferzone unter russischer Kontrolle werden.
Der Kreml verbreitet wiederholt falsche Darstellungen, wonach Russlands Erfolge so zahlreich sind, dass ein Sieg unvermeidlich ist.
ISW-Bericht vom 23. November 2025
Am Montag veröffentlichte die ukrainische Nachrichtenagentur „RBC“ schließlich einen Bericht über die Ergebnisse nach den Beratungen der US-amerikanischen und der ukrainischen Delegation in Genf. Demnach haben sowohl der US-Außenminister Marco Rubio als auch der ukrainische Verhandlungsführer Andrij Jermak die Gespräche als produktiv bezeichnet und erklärt, dass der US-Plan in einigen Punkten angepasst werden müsse. Allerdings sollen sich die Delegationen in Genf darauf geeinigt haben, den Punkt der Territorialfrage vorerst zurückzustellen, berichtete „RBC“ unter Berufung auf eine Insiderquelle.
Die Quelle berichtete der Nachrichtenagentur außerdem, dass US-Militärvertreter bereits in der letzten Woche nach Kiew gereist seien, um „uns ihre Einschätzung mitzuteilen, dass die Lage an der Front für uns ungünstig ist.“ Der Insider berichtet demnach weiter: „Sie glauben, dass die kommenden Monate entscheidend für uns sein werden und dass wir die Region Donezk in zwölf Monaten eh verlieren werden.“
Den Einschätzungen des ISW folgend nutzt Russland seine jüngsten Erfolgsmeldungen und das derzeit hohe Tempo seines Vorrückens also dazu, um die Ukraine-Verbündeten zu einer Aufgabe von Donezk zu bewegen. Inwieweit die auf Eis gelegten Territorialfragen im US-Friedensplan noch diskutiert werden und welcher Partei das Gebiet Donezk letztlich zugesprochen werden soll, bleibt fraglich. Glaubt man allerdings den ukrainischen Insiderquellen, dann sind die USA bereits jetzt der Ansicht, dass das Territorium verloren ist.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: