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Ukrainische Soldaten feuern eine Kanone auf russische Stellungen an der Frontlinie in der Nähe von Bachmut.

© LIBKOS/AP/dpa

Ukrainische Erfolge in Bachmut: Die 3 wichtigsten Fragen und Antworten zur Schlacht um die Donbass-Stadt

Wagner-Chef Prigoschin befürchtet eine Einkesselung seiner Truppen in Bachmut, die russische Regierung räumt Schwierigkeiten ein. Experten sehen schwerwiegende Führungsfehler.

Die russischen Truppen geraten in Teilen von Bachmut immer stärker in Bedrängnis. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow räumte ein, dass sich der russische Militäreinsatz in der Ukraine „sehr schwierig“ gestaltet. Bestimmte Ziele seien aber erreicht worden, sagte Peskow laut der staatlichen Nachrichtenagentur Tass. So habe man dem ukrainischen Militär großen Schaden zufügen können.

1. Wo konnte die Ukraine Territorium zurückerobern?

Geolokalisierte Aufnahmen deuten auf eine erfolgreiche Operation der ukrainischen Armee im Südwesten Bachmuts hin. Dabei gelang es Kiews Truppen entlang eines drei Kilometer langen Frontabschnitts ungefähr 2,6 Kilometer in die Tiefe vorzustoßen.

Über Telegramm teilte der ukrainische Heereskommandeur, Olexander Syrskyj, am Mittwochabend mit: „Wir führen dort effektive Gegenangriffe“. In Bachmut selbst haben ukrainische Einheiten wohl einen seit längerem umkämpften Häuserkomplex zurückerobern können.

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Seinen Angaben nach sind die russischen Truppen an einigen Frontabschnitten bis zu zwei Kilometer zurückgewichen. In sozialen Medien kursieren Videos von vermeintlich davonlaufenden russischen Soldaten. Die Echtheit der Aufnahmen konnte bisher nicht bestätigt werden.

2. Wie kam es zu dem lokalen Durchbruch südwestlich von Bachmut?

An der Front in Bachmut liegen sich die beiden Armeen in ihren Stellungen wie Perlenketten gegenüber, wobei jede Perle eine Einheit darstellt. Bei einem Gegenangriff geht es darum, Schwachstellen zwischen den Kettengliedern ausfindig zu machen und dort vorzustoßen. Den ukrainischen Truppen ist das südwestlichen von Bachmut gelungen.

Auf russischer Seite sichern die 72. Motorisierte Schützenbrigade der russischen Armee und Wagner-Söldner die südliche Flanke ab. „An der Schnittstelle der beiden Einheiten konnte die Ukraine mit leichten Kräften vorrücken und hat anschließend schweres Gerät nachgezogen“, sagt Markus Reisner, Kommandant der Garde des österreichischen Bundesheeres im Gespräch mit dem Tagesspiegel.  

In der Folge hätten sich die Wagner-Kämpfer zurückfallen lassen müssen. „Das Problem aus russischer Sicht war, dass die 72. nicht zur Unterstützung geeilt ist, sondern sich ebenfalls in Tiefe hat fallen lassen. Und so kam es zum lokalbegrenzten Geländegewinn der Ukraine“, skizziert Reisner den Hergang.

Dazu passt auch die Einschätzung der US-Denkfabrik „Institute for the Study of War“ (ISW) in ihrem aktuellen Lagebericht. Dort heißt es: „Anhaltende Probleme mit der russischen Kampffähigkeit, verschärft durch andauernde Zermürbungsangriffe in der Bachmut-Region, schränken vermutlich die Fähigkeit der russischen Streitkräfte in diesem Gebiet erheblich ein, sich gegen örtliche ukrainische Gegenangriffe zu verteidigen.“

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Von dezimierten Truppen an der südlichen Bachmut-Achse sowie offensichtlichen Führungs- und Steuerungsfehlern spricht das ISW. Dadurch würden die russischen Streitkräfte offenbar daran gehindert, „solide Verteidigungsoperationen durchzuführen“.

In einem russischen Telegramm-Kanal berichtet eine freiwillige Kämpferin der 72. Brigade von „völliger Uneinigkeit“ an der Front. Streitkräften der russischen Armee sei es demnach nicht erlaubt, mit Söldnern der Wagner-Gruppe zu kommunizieren. Unabhängig überprüfen lassen sich die Angaben nicht. Plausibel sind sie aber. Während des gesamten Kriegsverlaufs gab es immer wieder Berichte über Auseinandersetzungen innerhalb der russischen Truppen.

Es besteht jetzt die ernsthafte Gefahr der Einkesselung von Wagner durch den Zusammenbruch der Flanken.

Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin

Jewgeni Prigoschin, Chef der russischen Söldnertruppe Wagner, befürchtet unterdessen eine Einkesselung seiner Einheit in den Kämpfen um Bachmut. „Angesichts fehlender Munition droht sich der ,Fleischwolf’ nun in umgekehrter Richtung zu drehen“, schrieb Prigoschin am Mittwochabend auf Telegram.

Wegen hoher Verluste habe Wagner den Flankenschutz regulären Einheiten der russischen Armee überlassen müssen. „Es besteht jetzt die ernsthafte Gefahr der Einkesselung von Wagner durch den Zusammenbruch der Flanken“, schrieb Prigoschin. „Und die Flanken weisen bereits jetzt Risse auf und bröckeln.“

Ob dem so ist oder ob Prigoschin bloß versucht, eine bessere Versorgung seiner Soldaten zu erreichen, lässt sich nicht sagen

3. Wie ist der Vorstoß zu bewerten?

Das aktuelle Geschehen südwestlich von Bachmut bewertet Franz-Stefan Gady gegenüber dem Tagesspiegel als „lokal begrenzten Gegenangriff, ohne größere strategische Implikation“. Gady ist unabhängiger Verteidigungsexperte sowie Consulting Senior Fellow am Londoner Institute for International Strategic Studies.

Für Gady zeigt sich aber an dem Vorstoß, dass die ukrainische Armee das Potenzial besitzt, Fehler in der russischen Verteidigung sofort auszunutzen. „Kompanie- und Battalionsführer haben die Möglichkeit, schnell und flexibel auf mögliche Chancen zu reagieren und diese zu ergreifen“, beschreibt er eine der Stärken der Ukrainer.

Aus Sicht von Oberst Markus Reisner werden die kommenden Tage zeigen, wie nachhaltig der kleinere Erfolg in Bachmut sein wird. „Die Ukraine wird versuchen, schweres Gerät nachzuschieben und so zu verhindert, dass der Gegner die Lücke in der Verteidigungslinie wieder schließen kann.“  (Mit Agenturen)

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