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Die saharaouische Menschenrechtlerin Sultana Khaya war Kandidatin für den Sacharow-Preis.

© Foto: Getty Images

Marokko, der Sacharow-Preis und der EU-Skandal: Wieso ließen die Sozialisten plötzlich eine Kandidatin fallen?

Im Zuge des Korruptionsskandals werden auch Ungereimtheiten bei der Preisverleihung 2021 neu betrachtet. Womöglich hat Marokko eine unliebsame Kandidatin verhindert.

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Der Korruptionsskandal im Europaparlament ist ein politisches Erdbeben von noch immer ungeahnten Ausmaßen. Nun scheinen die Schockwellen auch den renommierten Sacharow-Preis zu erreichen und dessen großes Renommée zu beschädigen.

War die Verleihung in diesem November an das ukrainische Volk eine klare Entscheidung, ist der Zeremonie im vergangenen Jahr ein heftiger Streit vorausgegangen – und der erscheint nun in einem ganz neuen Licht, jetzt, wo Marokko und Katar im Verdacht stehen, Mitglieder des Europäischen Parlaments gekauft zu haben.

Im Zentrum steht des Skandals steht Ewa Kaili, die nach einer Entscheidung der belgischen Staatsanwaltschaft einen weiteren Monat in Haft bleiben muss. Zu erdrückend ist die Beweislast gegen die inzwischen geschasste Vizepräsidentin des Parlaments.

Kandidatin setzt sich für die Rechte der Menschen in der besetzten Westsahara ein

Eine der Anwärterinnen für den „EU-Friedensnobelpreis“ 2021 war Sultana Khaya. Die sahraouische Aktivistin setzt sich seit Jahren für die Rechte der Menschen in der von Marokko besetzten Westsahara ein. Von der Regierung in Rabat wurde die Frau deswegen unter Hausarrest gestellt, inzwischen liegt sie zur medizinischen Versorgung in einem spanischen Krankenhaus.

Damals unterstützte die EU-Parlamentsfraktion Die Linke diesen Vorschlag und glaubte sich der Unterstützung des sozialistischen Lagers S&D sicher, zu dem auch die nun der Korruption verdächtigte Ewa Kaili gehörte.

Dann aber geschah Überraschendes. „Es wurde eine neue Abstimmung beschlossen, die sich aus unerklärlichen Gründen um eine Stunde verzögert hat“, sagte damals der Europaabgeordnete Miguel Urban (Die Linke, Podemos). Nach dieser Unterbrechung stimmte die S&D-Fraktion plötzlich für die Bolivianerin Jeanine Áñez, die Kandidatin der Fraktion der extremen Rechten im Parlament.

Von einem obskuren Mailverkehr war die Rede, dessen Verlauf nie aufgeklärt wurde.

Knut Krohn

Der Aufschrei war laut, von einem obskuren Mailverkehr war die Rede, dessen Verlauf nie aufgeklärt wurde – doch die Marokkanerin Sultana Khaya war damit aus dem Rennen. Die S&D-Fraktion bestätigte danach „taktische Gründe“ für den politischen Winkelzug, ohne jedoch Details zu nennen.

Im letzten Wahlgang unterstützen die Sozialisten schließlich die afghanischen Frauen, die den Preis nach der Machtübernahme der Taliban in Kabul bekommen sollten. Ausgezeichnet wurde dann allerdings der russische Oppositionelle Alexej Nawalny, der Kandidat der liberal-konservativen Mehrheit im Europaparlament.

„Tatsächlich haben wir als Verteidiger der Menschenrechte in der Westsahara vor Jahren die Hoffnung in die europäischen Institutionen, das Parlament, die Europäische Kommission und den Rest der Institutionen verloren“, sagte Sultana Khaya der belgischen Tageszeitung „Le Soir“. Sie ist überzeugt, dass Marokko „viele Möglichkeiten“ habe, Entscheidungen zu beeinflussen, die die Westsahara betreffen.

Wegen der aktuellen Korruptionsvorwürfe auch gegenüber Marokko, machen nun Spekulationen wegen der überraschenden Wendungen der Sozialisten vor der Verleihung des Sacharow-Preises im Jahr 2021 die Runde. Manche Parlamentarier befürchten, dass im Zuge der Schmiergeldermittlungen auch die renommierte Auszeichnung in den Schmutz gezogen wird. 

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