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Aung San Suu Kyi kämpft seit den 80er Jahren für Demokratie in ihrer Heimat.

© REUTERS/ATHIT PERAWONGMETHA

Myanmars Militärjunta verbietet Partei von Suu Kyi: „Es herrscht eine Atmosphäre der Angst“

Die Junta hat Dutzende Oppositionsparteien auflösen lassen, darunter auch die „Nationale Liga der Demokratie“ der inhaftierten Friedensnobelpreisträgerin – wegen angeblicher Formfehler.

Das Militär in Myanmar herrscht mit Gewalt und großen Gesten: Am Dienstag ließ die Junta die Partei NLD der inhaftierten Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi auflösen. Dutzende Oppositionsparteien sind ebenfalls von dem Verbot betroffen. Erst am Montag hatte sich Machthaber Min Aung Hlaing auf einer pompösen Militärparade feiern lassen.

Das Regime geht mit brutaler Härte gegen jeden Widerstand von Bürgern, Anti-Junta-Milizen und Opposition vor. Ende Januar hatte die Wahlkommission extrem komplizierte und unklare Regeln zur Registrierung für Wahlen erlassen. „Die Hürden waren tatsächlich hoch“, sagt Myanmar-Experte Moritz Kleine-Brockhoff von der Friedrich-Naumann-Stiftung dem Tagesspiegel.

Eine Partei musste mindestens 100.000 Mitglieder und Büros in knapp der Hälfte aller Gemeinden des Landes haben. Außerdem sollten umgerechnet 40.000 Euro auf ein Sperrkonto einer staatlichen Bank eingezahlt werden. Insgesamt registrierten sich dem Staatsfernsehen zufolge bis zur gesetzten Frist am Dienstag 63 Parteien auf nationaler und lokaler Ebene. 40 Parteien hätten die Deadline verpasst und würden damit automatisch verboten.

Neuer Tiefpunkt in der Geschichte Myanmars

Die NLD hätte die Voraussetzungen erfüllen können, entschied sich aber bewusst gegen eine Anmeldung. „Sie will ein politisches Zeichen setzen“, erklärt Kleine-Brockhoff. „Solange ein grausames Militärregime herrscht und Suu Kyi sowie viele andere Demokraten in Haft sind, wird kein gemeinsamer Weg mit der Junta gegangen.“

Nun also das Parteiverbot – ein neuer Tiefpunkt für das Land. „Das gab es selbst zur tiefsten Diktatur ab den 90er Jahren nicht“, betont der Experte, der für die Naumann-Stiftung aktuell in Bangkok arbeitet. „Selbst in dieser dunklen Zeit war die Parteizentrale der NLD immer offen, auch aus praktischen Gründen. Das Regime konnte so beobachten, wer dort ein- und ausging.“

40
Parteien sind von dem Verbot betroffen.

Damit ist es nun vorbei. „Wir hätten uns unter der Kontrolle der Junta niemals registrieren können, denn sie wollen alle ethnischen und oppositionellen Parteien auslöschen, um an der Macht zu bleiben“, zitiert die Deutschen Presse-Agentur ein Mitglied der NLD. Sein Blick auf die Zukunft ist düster: „Warten wir ab, ob sie in dieser Krise überhaupt jemals eine Wahl abhalten.“

Ein Datum steht noch nicht fest; Kleine-Brockhoff ist ohnehin skeptisch. In dem Land herrschen bürgerkriegsähnliche Zustände. Angesichts der Sicherheitslage wäre es völlig unmöglich, eine ordentliche Abstimmung abzuhalten: „So schlimm wie jetzt war es noch nie.

Das Regime ist brutal, es herrscht eine Atmosphäre der Angst.“ Zudem hätten Teile der Demokratiebewegung, die zuvor immer friedlich gewesen seien, seit dem Militärputsch im Februar 2022 zu den Waffen gegriffen.

Das frühere Birma versinkt seit dem Umsturz in Chaos und Gewalt. Die heute 77-jährige Friedensnobelpreisträgerin Suu Kyi wurde wegen verschiedener angeblicher Vergehen zu 33 Jahren Haft verurteilt und sitzt im Gefängnis. Seit den 80er Jahren setzte sie sich für eine friedliche Demokratiebewegung ein, stand aufgrund ihres Engagements bis 2010 für 15 Jahre unter Hausarrest.

2011 wurde sie zur Vorsitzenden der NLD gewählt, gewann die Parlamentswahlen 2015 und war bis zum Putsch 2021 Regierungschefin. Der Internationale Strafgerichtshof ermittelt zu Vorwürfen des Völkermords an der Rohingya-Minderheit während ihrer Amtszeit.

Kurz nach dem Putsch gingen viele Demonstranten auf die Straßen, inzwischen traut sich Beobachtern zufolge fast niemand mehr.
Kurz nach dem Putsch gingen viele Demonstranten auf die Straßen, inzwischen traut sich Beobachtern zufolge fast niemand mehr.

© Reuters/Stringer

„Die Verfolgung der Rohingya darf nie vergessen werden“, betont Kleine-Brockhoff. Gleichzeitig habe es in Myanmar von 2010 bis 2021 in vielen politischen und wirtschaftlichen Bereichen große Fortschritte gegeben. „All das ist vorbei. Leid und Gewalt sind zurück, Arbeitslosigkeit und Armut folgen. Das Land, in dem so viele Menschen so viele Hoffnungen hatten, geht wieder den Bach runter.“

Die Asean-Staaten versuchen derzeit mehr oder weniger, Druck auf die Regierung in Ragun auszuüben, klammern sich zugleich an ihr Nicht-Einmischungsprinzip unter Mitgliedern. Insbesondere China könnte als wichtigster Handelspartner etwas bewirken, nutzt seinen Einfluss jedoch nicht. Auch die westlichen Sanktionen sind noch nicht wieder auf dem Stand von vor 2010 und könnten noch einmal verschärft werden.

„Allerdings hat Myanmars Militär in der Vergangenheit gezeigt, dass es auch unter harten EU- und US-Sanktionen gut und lange überwintern kann“, so der Experte. Oft werde mehr Aufmerksamkeit für Myanmar gefordert. „Aber was von außen erreicht werden kann, ist begrenzt. Der Schlüssel liegt im Land, bei den Militärs. Und das sind Betonköpfe.“

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