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Nach Assads Sturz: Neue Machthaber in Syrien wollen gefürchtete Geheimdienste auflösen
Unter dem geflohenen Diktator waren sie berüchtigt, dienten ihm als Instrument der Unterdrückung. Jetzt sollen die Sicherheitsorganisationen in dem Bürgerkriegsland neu strukturiert werden.
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Der neue syrische Geheimdienstchef Anas Chattab hat die Auflösung aller Geheimdienstorganisationen und eine anschließende grundlegende Neuorganisation angekündigt. Die unter dem gestürzten Machthaber Baschar al-Assad als Instrument der Unterdrückung gefürchteten Geheimdienste würden vollständig aufgelöst, erklärte Chattab am Samstag laut der staatlichen Nachrichtenagentur Sana. Anschließend sollten die Sicherheitsdienste so neu strukturiert werden, „dass sie unserem Volk Ehre machen“.
Chattab beklagte in einer von Sana verbreiteten Erklärung „die Unterdrückung und Tyrannei des alten Regimes“ unter Assad. Dieses habe der Bevölkerung mithilfe des Sicherheitsapparats schweres Leid zugefügt. „Die Sicherheitsdienste des alten Regimes waren zahlreich und vielfältig, aber allen war gemeinsam, dass sie dem Volk aufgezwungen wurden, um es fünf Jahrzehnte lang zu unterdrücken“, erklärte der neue Geheimdienstchef.
Hochrangiger Helfer Assads festgenommen
Während der jahrzehntelangen Herrschaft von al-Assad und dessen Vater Hafis verschwanden zahllose Menschen in den von den Geheimdiensten betriebenen Gefängnissen. Nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte starben allein während des syrischen Bürgerkrieges in den vergangenen fast 14 Jahren mehr als 100.000 Menschen in syrischen Gefängnissen, viele davon unter Einwirkung von Folter.
Kämpfer unter Führung der islamistischen HTS-Miliz hatten am 8. Dezember Damaskus erobert und die jahrzehntelange Herrschaft von Assad in Syrien beendet. Assad, dem Entführung, Folter und Ermordung von Andersdenkenden vorgeworfen werden, floh nach Russland.
Kurz vor dem Wochenende hatten die Behörden der neuen Staatsführung Aktivisten zufolge einen General festgenommen, der für zahlreiche Todesurteile im berüchtigten Saidnaja-Gefängnis verantwortlich sein soll. General Mohammed Kandscho Hassan, der Chef der Militärjustiz al-Assads, sei mit 20 Begleitern in der Ortschaft Chirbet al-Maasa gefasst worden, erklärte die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte am Donnerstag.
Hassan sei „verantwortlich für zahlreiche Todesurteile“, hieß es weiter. Hassan ist das bisher ranghöchste Mitglied der ehemaligen syrischen Behörden, das seit Assads Sturz festgenommen wurde.
Laut der Vereinigung der Gefangenen und Vermissten des Saidnaja-Gefängnisses (ADMSP) leitete Hassan von 2011 bis 2014 das syrische Militärgericht – also in den ersten drei Jahren des Bürgerkrieges, der mit der Niederschlagung prodemokratischer Proteste unter Machthaber Assad begann. Später wurde er demnach zum Chef der landesweiten Militärjustiz befördert. Hassan habe „tausende Menschen“ zum Tode verurteilt, sagte ADMSP-Mitgründer Diab Serrija.
Die Gruppe schätzt das Vermögen, das Hassan von Angehörigen der Häftlinge für die Herausgabe von Informationen über sie erpresst hat, auf etwa 150 Millionen US-Dollar (rund 143 Millionen Euro).
Die im Exil gegründete Nationale Koalition der syrischen Revolutions- und Oppositionskräfte betonte, die Festnahme „eines der Verbrecher des Assad-Regimes“ sei ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Gerechtigkeit und der Aufklärung von Verbrechen unter der Assad-Herrschaft.
Die ADMSP schätzt, dass seit 2011 30.000 Menschen im Saidnaja-Gefängnis inhaftiert wurden. Es seien aber nur rund 6000 Menschen entlassen worden. Die anderen bleiben vermisst. (AFP)
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