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Nach Trumps Kritik: Selenskyj überrascht mit Bereitschaft zu vorzeitigen Wahlen – stellt aber Bedingung
Der ukrainische Präsident sinniert über Wahlen in Kriegszeiten. Damit bringt er geschickt eine mögliche Waffenruhe zurück ins diplomatische Spiel.
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Während der andauernden Arbeit an einem Friedensplan für sein Land hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj überraschend über mögliche Wahlen in Kriegszeiten gesprochen. „Zu Wahlen bin ich bereit“, sagte er Journalisten, wie ukrainische Medien meldeten.
Der Vorwurf, dass der Krieg mit Russland nicht ende, weil er sich ans Präsidentenamt klammere und die Macht nicht abgeben wolle, sei falsch. Zuvor hatte sich US-Präsident Donald Trump für Wahlen in dem kriegsgeplagten Land ausgesprochen, das sich seit fast vier Jahren einer russischen Invasion erwehrt.
Selenskyj knüpft Wahlen an faktische Waffenruhe
Er sei auch während des laufenden Krieges zu Wahlen innerhalb von 60 bis 90 Tagen bereit, sagte Selenskyj – aber nur, wenn die USA und Europa die Sicherheit des Landes während des Prozesses gewährleisten, also Schutz vor Aggressionen Russlands garantieren. Das käme einer Waffenruhe gleich. Die lehnt Russland bislang ab. Moskau will die Kämpfe erst einstellen, wenn ein vollständiger Friedensvertrag ausgearbeitet ist. Auch Trump hatte sich vor Monaten von der Idee verabschiedet, dass einer Waffenruhe Friedensverhandlungen vorangehen müssten.
Durch sein Angebot, Wahlen abzuhalten, könnte Selenskyj versuchen, eine Waffenruhe auch für die Amerikaner im Verhandlungsprozess mit Russland wieder attraktiver zu machen.
„Ich habe persönlich den Willen und die Bereitschaft dazu“, sagte der Staatschef. Neben der Sicherheitsfrage müsse auch die Rechtsgrundlage für Wahlen in Kriegszeiten geschaffen werden. Er bitte daher die Abgeordneten seiner Fraktion im Parlament darum, entsprechende Gesetzesänderungen vorzubereiten.
Selenskyjs reguläre Amtszeit ist ausgelaufen
Seit dem russischen Überfall im Februar 2022 fanden keine Wahlen in der Ukraine statt. Die reguläre Amtszeit des Präsidenten lief im Mai 2024 aus, die des Parlaments im August 2024. Kommunalwahlen wären normalerweise Ende Oktober 2025 fällig gewesen.
Trump hatte Selenskyj schon vor Monaten vorgeworfen, er sei ein „Diktator“ und nicht demokratisch legitimiert – womit der US-Präsident den Duktus des Kremls übernahm. In Kiew wurde seither immer wieder auf das Kriegsrecht verwiesen – und darauf, dass es in der Ukraine seit 1991 sechs verschiedene Präsidenten gegeben habe, in Russland dagegen nur zwei.
Wie sollen Ukrainer in besetzten Gebieten wählen?
Ungeklärt ist zudem die Frage, wie eine Beteiligung aller wahlberechtigten Ukrainer an der Wahl gewährleistet werden kann. Mehr als 5,8 Millionen ukrainische Staatsbürger sind nach UN-Angaben außer Landes geflohen, mehrere Millionen leben in russisch besetzten Gebieten.
Selenskyj hatte zu Beginn seiner Amtszeit auch die Möglichkeit einer digitalen Abstimmung über die staatliche App Dija in Betracht gezogen. Kritiker sehen dabei aber Raum für eine Manipulation des Wahlergebnisses, die eine kremltreue Marionetten-Regierung an die Macht bringen könnte. Zudem gibt es angesichts großer Probleme mit der Stromversorgung infolge russischer Angriffe auf zivile Infrastruktur nicht überall verlässlichen Zugang zum Internet. (dpa)
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