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Protestierende in Tel Aviv am Montag, nachdem die Regierung eine umstrittene Klausel der Justizreform verabschiedet hatte. Am Donnerstagabend soll es eine weitere große Kundgebung in der Küstenstadt geben.

© Imago/Action Press/ZUMA Press Wire / Zuma Press

„Offensive gegen die Diktatur“: Gegner der Justizreform in Israel wollen Proteste intensivieren

Seit Monaten demonstrieren Menschen in Israel gegen Gesetze, die die Justiz schwächen. Nun kündigen die Protestierenden an, Mittel einzusetzen, „die bisher nicht verwendet wurden“.

Nach der Schwächung der Justiz in Israel haben Gegner der Reform neue Proteste angekündigt. „Neben der Fortsetzung der Proteste an jedem Samstagabend ist es unsere Pflicht, den Kampf zu intensivieren“, teilte die Protestbewegung mit und kündigte für Donnerstagabend eine große Kundgebung in der Küstenstadt Tel Aviv an.

Dabei sprach sie von einer „Offensive gegen die Diktatur“. Demnach müssten Mittel eingesetzt werden, „die bisher nicht verwendet wurden“, ohne näher darauf einzugehen. Gewalt solle jedoch vermieden werden.

Seit etwa sieben Monaten gehen Hunderttausende Israelis regelmäßig gegen die umstrittene Justizreform der rechts-religiösen Regierung auf die Straße. Immer wieder kommt es dabei auch zu gewaltsamen Konfrontationen mit der Polizei.

Am Montag hatte das Parlament die sogenannte Angemessenheitsklausel verabschiedet. Diese nimmt dem Obersten Gericht die Möglichkeit, Regierungsentscheidungen als „unangemessen“ einzustufen und sie außer Kraft zu setzen.

Der Beschluss heizte die Proteste im Land erneut an. Ein weiteres Kernelement der Reform – die Änderung bei der Besetzung von Richtern – soll nach der Sitzungspause im Oktober auf die Agende rücken.

UN-Menschrechtskommisar lobt Demonstrierende

Auch im Ausland verursachen die Reformpläne Besorgnis. UN-Menschenrechtskommissar Volker Türk hat die israelische Regierung aufgefordert, die Massenproteste gegen die umstrittene Justizreform nicht zu ignorieren.

„Ich rufe diejenigen, die die Macht haben, eindringlich auf, den Appellen dieser Bewegung Rechnung zu tragen“, erklärte Türk am Donnerstag in Genf.

Volker Türk, der Menschrechtskommissar der Vereinten Nationen (UN), forderte die israelische Regierung auf, der Kritik der Protestierenden „Rechnung zu tragen“.
Volker Türk, der Menschrechtskommissar der Vereinten Nationen (UN), forderte die israelische Regierung auf, der Kritik der Protestierenden „Rechnung zu tragen“.

© Picture Alliance /dpa/Martial Trezzini

Die Reformgegner in Israel setzten „ihr Vertrauen in den fortdauernden Wert einer unabhängigen Justiz“, um „die Rechte aller Menschen“ zu schützen.

Aus Protest „demonstrieren sie friedlich, schmieden Allianzen für die Verteidigung von Demokratie und grundlegenden Freiheiten“, fügte der UN-Kommissar mit Blick auf die Reformgegner hinzu.

Eine breit angelegte soziale Bewegung, die über Monate gewachsen ist, um für Menschenrechte aufzustehen

UN-Menschenrechtskommissar Volker Türk über die Protestbewegung in Israel

Es handele sich um „eine breit angelegte soziale Bewegung, die über die Monate gewachsen ist, um für Menschenrechte aufzustehen und den demokratischen Freiraum und die verfassungsmäßige Balance zu erhalten, die Israel über viele Jahrzehnte hinweg so gewissenhaft aufgebaut hat“.

Die Bundesregierung erklärte am Mittwoch, dass sie die Verabschiedung der Angemessenheitsklausel in der Knesset „mit einer gewissen Sorge zur Kenntnis“ genommen habe.

Regierungssprecher Steffen Hebestreit führte aus, Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sei mit Netanjahu sowie mit Israels Präsident Isaac Herzog im Gespräch über die Lage – wobei der Kanzler die Haltung des Präsidenten teile, der die Justizreform kritisch sieht.

Netanjahu könnte von weiterem Gesetzentwurf profitieren

Israels Premierminister Benjamin Netanjahu (2. v. l.) am Montag bei einer Abstimmung im Parlament. Am selben Tag verabschiedete es seinen zentralen Entwurf der Justizreform.
Israels Premierminister Benjamin Netanjahu (2. v. l.) am Montag bei einer Abstimmung im Parlament. Am selben Tag verabschiedete es seinen zentralen Entwurf der Justizreform.

© Imago/Action Press/Chen Junqing

Ein neuer Gesetzentwurf der Koalition sorgte am Mittwochabend für Aufsehen. Den Plänen nach sollen Befugnisse der Generalstaatsanwältin aufgeteilt werden.

Wie israelische Medien berichteten, könnte sie dann keine Strafverfolgung gegen Regierungsmitglieder mehr einleiten. Die Befugnis würde stattdessen an die Staatsanwaltschaft übergehen.

Israelischen Medien zufolge könnte dies Netanjahu bei seinem aktuell gegen ihn laufenden Korruptionsprozess in die Hände spielen.

Seine Likud-Partei ruderte nach Bekanntwerden der Pläne jedoch zurück und betonte, der Gesetzentwurf der Abgeordneten sei nicht mit den Koalitionsführern abgestimmt worden und komme daher nicht auf der Tagesordnung.

Gali Baharav-Miara, die Generalstaatsanwältin Israels, im Februar neben Bundesjustizminister Marco Buschmann. Baharav-Miara stellt sich immer wieder gegen die Vorhaben der rechts-reliögsen Regierung in ihrem Heimatland.
Gali Baharav-Miara, die Generalstaatsanwältin Israels, im Februar neben Bundesjustizminister Marco Buschmann. Baharav-Miara stellt sich immer wieder gegen die Vorhaben der rechts-reliögsen Regierung in ihrem Heimatland.

© Imago/photothek/Leon Kuegeler

Mehrere Minister der Regierung hatten in der Vergangenheit offen gesagt, dass sie die Entlassung der Generalstaatsanwältin, Gali Baharav-Miara, anstreben. Sie hatte sich in der Vergangenheit öfters gegen die Politik der rechts-religiösen Regierung gestellt.Spannungen mit Palästinensern

Unterdessen bleiben Spannungen im von Israel besetzen Westjordanland weiter hoch. In der Nacht auf Donnerstag wurde ein 14-jähriger Palästinenser von israelischen Soldaten nach Konfrontationen in einer Stadt westlich von Nablus erschossen. Nach Angaben der Armee war es zuvor zu gewalttätigen Ausschreitungen gekommen.

Polizeiminister provoziert auf dem Tempelberg

Für Kritik sorgte am Morgen zudem ein erneuter Besuch des rechtsextremen Polizeiministers Itamar Ben-Gvir auf dem Tempelberg in Jerusalem. „Dies ist der wichtigste Ort für das Volk Israel, an den wir zurückkehren müssen, um zu zeigen, dass wir regieren“, sagte Ben-Gvir laut Medienberichten.

Das jordanische Außenministerium und die Palästinenserbehörde sprachen von einer gefährlichen Provokation. Kritik kam auch aus der Türkei und Ägypten.

Israelische Flaggen wehen auf dem Tempelberg, in der Nähe des Felsendoms auf dem Gelände der Al-Aksa-Moschee. Sowohl für Muslime als auch für Juden ist der Berg heilig.
Israelische Flaggen wehen auf dem Tempelberg, in der Nähe des Felsendoms auf dem Gelände der Al-Aksa-Moschee. Sowohl für Muslime als auch für Juden ist der Berg heilig.

© AFP/Thomas Coex

Der Tempelberg (Al-Haram al-Scharif) mit dem Felsendom und der Al-Aksa-Moschee ist die drittheiligste Stätte im Islam. Sie ist aber auch Juden heilig, weil dort früher zwei jüdische Tempel standen.  

Laut einer Vereinbarung mit den muslimischen Behörden dürfen Juden die Anlage besuchen, dort aber nicht beten. Dagegen gibt es jedoch immer wieder Verstöße. Die Palästinenser befürchten, Israel wolle seine Kontrolle der heiligen Stätte ausweiten. (dpa, AFP)

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