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Präsident Yoon des Amtes enthoben: Warum andere Länder von Südkoreas Umgang mit der Krise lernen können
Nach seiner Kriegsrechtserklärung im Dezember ist Südkoreas Yoon Suk-yeol endgültig seines Amtes als Präsident enthoben worden. Nun stehen Neuwahlen an. Szenen aus einem zersplitterten Land.
Stand:
Auf der einen Seite wurde gejubelt, als hätte Südkorea das Finale einer Fußball-WM gewonnen. Die andere Seite murrte, enttäuscht und sauer. Gleichgültig aber war das, was das Verfassungsgericht am Freitagvormittag koreanischer Zeit verkündete, niemandem.
Schließlich ging es um das politische Schicksal eines eigenwilligen Präsidenten. Viele Kommentatoren sagten sogar: Es ging ums politische Schicksal eines ganzen Landes. So war Seoul am Freitag voll von Demonstrationen verschiedener Couleurs.
Nun steht fest: Yoon Suk-yeol, der 2022 zum Präsidenten Südkoreas gewählt wurde, ist endgültig seines Amtes enthoben. Das Kriegsrecht, das Yoon am 3. Dezember 2024 plötzlich ausgerufen hatte, hätte er nicht ausrufen dürfen, so entschied das Verfassungsgericht. Denn eine nationale Krise, wie Yoon als Begründung genannt hatte, hat es in der Weise nicht gegeben. Yoon hatte behauptet, die liberale Opposition, die im Parlament eine Mehrheit hält, sei vom verfeindeten Nordkorea unterwandert.

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Auch in anderen Punkten ist das Urteil für den Rechtspopulisten Yoon vernichtend: Am Abend der Kriegsrechtserklärung hätte der heute 64-jährige das Parlament nicht durch Soldaten abschirmen lassen dürfen. Der Plan, oppositionelle Politiker festnehmen zu lassen, war ebenso rechtswidrig.
Das Verfassungsgericht hat damit bestätigt, was eine Zweidrittelmehrheit im Parlament schon Mitte Dezember beschlossen hatte: Yoon Suk-yeol darf nicht weiter Präsident sein. Binnen 60 Tagen wird es Neuwahlen geben.
Das ostasiatische Land steuert damit wieder auf geordnete Zeiten zu. Zwar behaupten Unterstützer von Yoon auf sozialen Medien und auf der Straße, das Urteil sei politisch motiviert gewesen und dürfe nicht anerkannt werden. Aber selbst die Führung von Yoons rechtsgerichteter People Power Party (PPP) hatte schon vorab erklärt, das Ergebnis des Prozesses zu akzeptieren. Die liberale Demokratische Partei (DP) schwärmt von einem „Sieg des Volkes“. Vielerorts wird gar vom Sieg der Demokratie an sich gesprochen.
Erst seit 40 Jahren eine Demokratie
Tatsächlich könnte Südkorea anderen Ländern, deren Demokratie bedroht ist, als Vorbild dienen. Während in den USA mit Donald Trump ein Mann, der seine Unterstützer für die Stürmung des Kapitols lobte und Wahlergebnisse nicht akzeptierte, im Amt bleiben und erneut kandidieren konnte, ist mit Yoon nun ein offenbarer Demokratiegegner beseitigt.
In Südkorea – das erst vor knapp 40 Jahren von einer Militärdiktatur zu einer Demokratie wurde – verlief auch der Prozess dorthin geordnet und ohne Blutvergießen.

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Gerade ältere Menschen in Südkorea, die noch das brutal gegen Gegner vorgehende Militär in Erinnerung haben, waren vorm Urteil nervös. „Ich konnte nicht gut schlafen“, berichtet ein Staatsdiener, der von Berufs wegen anonym bleiben muss. „Aber das ist die Stärke des koreanischen Volkes. Wir haben es wieder geschafft.“
„Das Urteil zeigt eine klare ‚Brandmauer‘, die für das Land nun gilt, um gute Politik zu machen“, sagt Jean Yhee, Buchautor und Direktor des in Berlin und Seoul aktiven Institut Politik + Kultur.

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Allerdings muss nun ordentlich aufgeräumt werden. Teile der Rechten unterstellen der liberalen DP, es zu gut mit dem Feind Nordkorea zu meinen, gar von ihm unterwandert zu sein. Als Präsident ging Yoon nicht nur harsch gegen kritische Berichterstatterinnen vor, sondern auch gegen politische Gegner. Den DP-Vorsitzenden Lee Jae-myung versuchte Yoon – der vor seiner Wahl zum Präsident Generalstaatsanwalt gewesen war – hinter Gitter zu bringen. Ohne Erfolg.
Lee Jae-myung ist aussichtsreichster Kandidat
Yoons rabiater Politikstil führte in Südkorea zu tiefen Zerwürfnissen, die zur Folge hatten, dass die DP im Parlament zuletzt jedes Mittel genutzt hat, um Yoons Arbeit zu behindern. Kurz vor der Kriegsrechtserklärung im Dezember stockten etwa längere Zeit Verhandlungen über einen neuen Haushalt. Wenn nun voraussichtlich Anfang Juni ein neuer Präsident gewählt wird, stehen beide große Parteien vor der Aufgabe, wieder aufeinander zuzugehen, um konstruktiv zusammenzuarbeiten.
„Dass das Verfassungsgericht die kompromisslose Politik der Opposition im Parlament kritisiert, ist bemerkenswert“, findet Frederic Spohr, Büroleiter der Friedrich-Naumann-Stiftung in Seoul: „In der Urteilsverkündung wurde bemängelt, dass es im Parlament an Dialogbereitschaft und Kompromissfindung mangele. Diese Kritik richtet sich klar an die DP.“
Als aussichtsreichster Kandidat für das Präsidentenamt gilt nun DP-Chef Lee Jae-myung, der außenpolitisch unter anderem für einen neuen Versuch des Austauschs mit Nordkorea steht. In den rund drei Jahren als Präsident hat Yoon Nordkoreas Diktator Kim Jong-un mehrmals mit Krieg gedroht, die Zahl der Militärmanöver ist stark angestiegen. Lee Jae-myung, der einen anderen Weg gehen will, wird sich nun gegen alle möglichen Vorwürfe von der PPP verteidigen müssen. Allen voran wohl der, er sei ein Freund Nordkoreas.
Nach dem Urteil entschuldigte sich Yoon bei der Bevölkerung. „Es tut mir aufrichtig Leid und bricht mir das Herz, dass ich nicht in der Lage war, Ihre Erwartungen zu erfüllen“, erklärte er.
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