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Moldaus Präsidentin Maia Sandu nach ihrer Wiederwahl in der Hauptstadt Chisinau.

© dpa/Vadim Ghirda

Pro-europäischer Zittersieg in Moldau: „Russlands Einflussnahme wird nicht verschwinden“

Aufatmen in Brüssel: Moldau bleibt durch die Wiederwahl von Präsidentin Maia Sandu auf EU-Kurs. Russlands Störversuche sind damit aber noch lange nicht gestoppt, warnt eine Expertin.

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Am Ende reichte es Moldaus Präsidentin Maia Sandu für die Wiederwahl – allerdings nur denkbar knapp: Zwischenzeitlich sah es nach der Stichwahl am Sonntag so aus, als müsste die pro-europäische Politikerin sich ihrem Herausforderer, dem russlandfreundlichen Alexandr Stoianoglo, geschlagen geben.

Dass Sandu schließlich doch noch mit rund 55 Prozent der Stimmen den Sieg einfuhr, verdankte sie nur der überwältigenden Unterstützung der im Ausland lebenden Moldauerinnen und Moldauer. Von ihnen hatten sich mehr als 80 Prozent für eine weitere Amtszeit der 52-Jährigen ausgesprochen.

„Ich verpflichte mich, die Präsidentin für Sie alle zu sein“, erklärte die sichtlich erleichterte Sandu an die rund 2,5 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner ihres Landes gewendet. Dieses ist auch 33 Jahre nach der Unabhängigkeit von der Sowjetunion noch immer als zwischen Ost und West zerrissen gilt. Neben der Amtssprache Rumänisch sprach Sandu nach ihrer Wiederwahl bewusst auch auf Russisch zu ihren Landsleuten.  

Ein Wahllokal in der Hauptstadt Chișinău. Laut Angaben der moldauischen Polizei bestachen pro-russische Netzwerke Zehntausende Menschen, damit sie gegen den EU-Kurs des Landes stimmten. 

© IMAGO/Fotostand/IMAGO/Fotostand / Nieweler

Bei der Präsidentschaftswahl handelte es sich bereits um die zweite Zitterpartie innerhalb weniger Wochen für das kleine Land, das im Westen an Rumänien und im Osten an die Ukraine grenzt. Schon ein Referendum Mitte Oktober, mithilfe dessen der geplante EU-Beitritt als Ziel in der Verfassung verankert werden soll, bekam Sandu nur mit hauchdünner Mehrheit von 50,46 Prozent durch.

Destabilisierungsversuche durch den Kreml

Zwar ist Moldau – ebenso wie die Ukraine – ohnehin bereits seit Juni 2022 offiziell EU-Beitrittskandidat. Doch für die pro-westlichen Kräfte im Land ist der gesellschaftliche Rückhalt auf dem langen und schwierigen Weg bis zur tatsächlichen Mitgliedschaft sehr wichtig.

55,41 
Prozent der Stimmen holte Amtsinhaberin Sandu in der Stichwahl.

Immerhin ist die moldauische Gesellschaft weiter tief gespalten zwischen denen, die auf demokratische Reformen und wirtschaftlichen Aufschwung dank westlicher Hilfe hoffen, und jenen, die sich Russland verbunden fühlen. Vor allem aber sieht sich der Agrarstaat massiven Destabilisierungs- und Desinformationskampagnen durch den Kreml ausgesetzt.

In der abtrünnigen moldauischen Region Transnistrien etwa hat Russland bereits seit Jahrzehnten eigene Soldaten stationiert. Auch hinter einem „Schutzgesuch“, den die Führung der autonomen Region Gagausien vor einigen Monaten an Russland richtete, sehen viele Experten die Strippenzieher in Wahrheit in Moskau.

Moldaus früherer Generalstaatsanwalt Alexandr Stoianoglo trat gegen Amtsinhaberin Maia Sandu an. Am Ende musste sich der russlandnahe Politiker knapp geschlagen geben.

© REUTERS/VLADISLAV CULIOMZA

Hinzu kommt laut moldauischen Behörden Wahlbetrug und Sabotage durch prorussische Netzwerke im großen Stil. Bereits im Zuge des EU-Referendums und der ersten Runde der Präsidentschaftswahl hatte die Polizei erklärt: Rund 130.000 moldauische Bürger seien mit Geld, das über russische Banken floss, bestochen worden, damit sie gegen die EU-Perspektive ihres Landes stimmen.

Die Wahlmanipulation war gravierend.

Nadja Douglas, Moldau-Expertin vom Zentrum für Osteuropa- und internationale Studien

Außerdem sollen Hunderte junge Männer unter anderem in Russland dazu ausgebildet worden sein, auf Moldaus Straßen gewalttätige anti-westliche Proteste anzuzetteln. Die Spuren führen dabei immer wieder zu dem moskaunahen Oligarchen und verurteilten Betrüger Ilan Schor, der sich schon vor Jahren ins Ausland absetzte.

Präsidentin Sandu vor großen Herausforderungen

Der Kreml dementiert solche Informationen zwar immer wieder, doch die moldauischen Angaben passen zu Medienrecherchen und den Einschätzungen vieler unabhängiger Expertinnen und Experten.

Im moldauischen Separatistengebiet Transnistrien hat der Kreml seit Jahrzehnten eigene Soldaten stationiert. Experten zufolge destabilisiert das die Region sehr.

© imago images/Alessandro Serrano'/Alessandro Serrano' via www.imag

„Die Wahlmanipulation war gravierend“, sagt Nadja Douglas vom Zentrum für Osteuropa- und internationale Studien (ZOiS) dem Tagesspiegel. „Das belegen nicht nur die Berichte der moldauischen Sicherheitsbehörden und die vielen Durchsuchungen, Verhaftungen und Beschlagnahmungen im Vorfeld der Wahlen, sondern auch die vorläufigen Einschätzungen der nationalen und internationalen Wahlbeobachter*innen.“

Nichtsdestotrotz: Der Pfad in Richtung Europa sei für Moldau nach Sandus Sieg nun erst einmal vorgezeichnet, führt die Politologin aus. „Es wäre dem Land zu wünschen, dass dieser Weg Aussicht auf Stabilität und Verbesserung der Lebensverhältnisse bietet.“

Zugleich warnt sie: „Das große Problem der Spaltung des Landes und die fortwährende Einflussnahme durch Russland beziehungsweise durch prorussische Kräfte werden mit diesem Votum nicht verschwinden.“

Auch dass Sandu sich nur durch die Gunst der Exil-Moldauerinnen und -Moldauer an der Macht halten konnte, ist laut Douglas ein Risiko. „Das stellt die Präsidentin und die Regierung künftig vor gewaltige Herausforderungen.“

In erster Linie gehe es für Präsidentin und Regierung nun darum, das Land zu einen, erklärt die Expertin. „Das bedeutet, dass sie die Bedürfnisse, Ängste und Ressentiments – durch Desinformation prorussischer Kräfte geschürt – benachteiligter Bevölkerungsgruppen ernst nehmen“, meint sie. „Auch müssen mehr Anstrengungen unternommen werden, russischsprachige Bevölkerungsteile besser ins öffentliche Leben einzubinden.“

Zumindest für den Moment kann Maia Sandu in ihrem Amtssitz in Moldaus Hauptstadt Chișinău trotzdem erst einmal aufatmen. Doch die nächste Hürde muss sie schon bald nehmen: Im kommenden Jahr stehen Wahlen fürs Parlament an. Dann entscheidet sich, ob Sandus Partei Aktion und Solidarität (PAS) ihre Mehrheit dort verteidigen kann.

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