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Ukraine, Bachmut: Ukrainische Soldaten fahren auf einem Mannschaftstransportwagen (APC) an der Frontlinie.

© dpa/AP/Libkos

Schlacht um Bachmut: Für das „letzte Atemrohr“ der Stadt bezahlte die Ukraine wohl einen hohen Preis

Vergangenen Freitag wurden US-Geheimdienst-Dokumente geleakt. Aus ihnen geht auch hervor, wie sehr die Ukraine im Kampf um Bachmut in die Enge getrieben wurde.

Stand:

Die am vergangenen Freitag geleakten Geheimdienst-Dokumente der USA zeigen, wie kurz die Ukraine offenbar davorstand, den Kampf um die Stadt Bachmut zu verlieren. Wie die „New York Times“ (NYT) berichtet, habe im Februar die einzig verbliebene Versorgungsstraße für das ukrainische Militär unter massivem Beschuss gestanden. Ein General soll vom „letzten Atemrohr“ für die Soldaten gesprochen haben.

Konkret beziehe sich der General auf zwei Straßen: die Schnellstraße T504 und die 506, eine Straße am Rande von Bachmut.

Die Stadt im Osten der Ukraine wird seit mehr als zehn Monaten umkämpft. Die russische Söldnergruppe Wagner und russische Elitetruppen haben ukrainische Soldaten zeitweise ununterbrochen beschossen und sie bis Ende Februar in die Enge getrieben.

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Aus den Geheimdienstberichten geht hervor, dass das ukrainische Militär zu dieser Zeit mit kritischen Engpässen zu kämpfen hatte. „Am 25. Februar waren die ukrainischen Streitkräfte von den russischen Streitkräften in Bachmut fast vollständig eingekesselt“, heißt es.

Diese Einschätzung teilte den Dokumenten zu Folge auch Roman Mashovets, ein Berater des Stabschefs von Präsident Selenskyj. Konkret heiße es: „Mashovets berichtete, dass die Moral in Bachmut aus diesen Gründen niedrig war. Die ukrainischen Streitkräfte hatten den Eindruck, dass sie praktisch eingekesselt waren.“

Vollkommen neu ist diese Information nicht. Die Dokumente verdeutlichen allerdings das Ausmaß der Engpässe - und die internen Überlegungen der Ukraine, wie darauf zu reagieren sei.

General Kyrylo Budanov, der Direktor des ukrainischen militärischen Nachrichtendienstes, soll angeboten haben, zwei Wochen lang seine Eliteeinheiten nach Bachmut zu entsenden, um die russischen Truppen zurückzudrängen, die die Versorgungsstraße bedrohten. Laut den geleakten Dokumenten schätzte Budanow die Lage als „katastrophal“ ein.

Am 25. Februar waren die ukrainischen Streitkräfte von den russischen Streitkräften in Bachmut fast vollständig eingekesselt

Einschätzung aus den geleakten Geheimdienst-Dokumenten

Mit der Verstärkung der Eliteeinheiten gelang es der Ukraine, die russischen Streitkräfte zurückzudrängen und die Versorgung der Soldaten in der Stadt sicherzustellen .Allerdings zu einem strategischen Preis, wie die „NYT“ schreibt: Die am besten ausgebildeten und gerüsteten Soldaten sollten eigentlich in einer erwarteten Gegenoffensive der Ukraine eingesetzt werden.

Weitere Dokumente offenbaren laut dem amerikanischen Sender „CNN“ außerdem: Die Opferzahlen Russlands liegen dreimal höher als die der Ukraine. CNN beruft sich dabei auf eines der geleakten US-Geheimdienstdokumente. 

Demnach hatten die russischen Streitkräfte bis Februar 189.500 bis 223.000 Verluste zu beklagen, darunter bis zu 43.000 Gefallene. Die Opferzahlen der Ukraine hingegen würden sich auf 124.500 bis 131.000 belaufen, darunter bis zu 17.500 Gefallene, heißt es in dem Bericht

Die Veröffentlichung der Geheimdienst-Unterlagen würde allerdings nicht nur neue Einblicke in die Lage an der Front geben, schreibt die „NYT“. Sie zeige auch, dass die Vereinigten Staaten offenbar auch die oberste militärische und politische Führung der Ukraine ausspionieren. 

USA leitet Untersuchungen zur Quelle des Lecks ein

Die USA will nun Untersuchung einleiten und versuchen, die Quelle des Lecks schnell zu ermitteln. „Das Verteidigungsministerium prüft die Echtheit der fotografierten Dokumente, die in den sozialen Medien kursieren und offenbar sensibles und streng geheimes Material enthalten“, teilte das Pentagon am Sonntag mit.

Eine ressortübergreifende Arbeitsgruppe bewerte die Auswirkungen der durchgesickerten Geheimdienstdokumente auf die nationale Sicherheit der USA sowie auf ihre Verbündeten und Partner. Regierungskreisen zufolge deutet die Vielfalt der in den Papieren angesprochenen Themen, die sich auf den Krieg in der Ukraine, China, den Nahen Osten und Afrika beziehen, darauf hin, dass sie eher von einem US-Amerikaner als von einem Verbündeten weitergegeben wurden.

„Der Fokus liegt jetzt darauf, dass es sich um ein US-Leck handelt, da viele der Dokumente nur in US-Händen waren“, sagte Michael Mulroy, ein ehemals hoher Beamter im Verteidigungsministerium, der Nachrichtenagentur Reuters. Das Ministerium bekräftigte am Sonntag, man habe das Justizministerium formell um eine Untersuchung gebeten.

Nach Angaben aus Regierungskreisen sind die Untersuchungen noch am Anfang. Es sei nicht ausgeschlossen, dass prorussische Elemente hinter dem Leck stünden. Es könnte sich um den schwerwiegendste Geheimnisverrat seit dem Jahr 2013 handeln, als hunderttausende Dokumente, Videos und Interna auf der Webseite der Enthüllungsplattform WikiLeaks erschienen.

Zwei US-Regierungsbeamte sagten Reuters, sie könnten nicht ausschließen, dass die Dokumente manipuliert worden seien. So könnte versucht werden, die Ermittler hinsichtlich der Herkunft der Papiere in die Irre zu führen oder falsche Informationen zu verbreiten, die den US-Sicherheitsinteressen schaden könnten.

Zwei US-Regierungsbeamte sagten, das US-Militär und die Geheimdienste würden nun ihre Verfahren zur internen Weitergabe von Informationen prüfen. Zudem hieß es, man untersuche, welche Beweggründe ein US-Beamter oder eine Gruppe von Beamten haben könnte, um solche Informationen weiterzugeben. Die Ermittler würden vier oder fünf Theorien verfolgen - von einem verärgerten Mitarbeiter bis hin zu der These, dass aktiv die nationalen Sicherheitsinteressen der USA untergraben werden sollten. (Tsp/Reuters)

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