zum Hauptinhalt
Syrer, die aus der Ost-Ghouta-Enklave Douma evakuiert wurden, stehen neben ihren Habseligkeiten, während sie in der nordsyrischen Stadt al-Bab auf eine Unterkunft warten, 12. April 2018. 

© AFP/NAZEER AL-KHATIB

Sie sagten, „sie wüssten, wo sie meine Familie finden“: Mediziner offenbar zu Falschaussagen zum Chlorgasangriff in Syrien gezwungen

Die Assad-Regierung hatte die Verantwortung für den Vorfall stets zurückgewiesen. Nun werfen Krankenhausmitarbeiter dem Geheimdienst vor, sie zur Leugnung des Vorfalls gezwungen zu haben.

Stand:

Zwei Ärzte und ein Krankenpfleger sind nach eigenen Angaben von der Assad-Regierung zu Falschaussagen über einen mutmaßlichen Chlorgas-Angriff in der syrischen Stadt Duma gezwungen worden. Die drei Männer sagten im Gespräch mit der Nachrichtenagentur AFP, Mitarbeiter des Geheimdiensts der Regierung des damaligen Machthabers Baschar al-Assad hätten sie nach dem Vorfall im April 2018 massiv unter Druck gesetzt, damit sie gegenüber Ermittlern der Organisation für das Verbot von Chemiewaffen (OPCW) den Einsatz chemischer Kampfstoffe leugneten.

Bei dem Angriff, über den zahlreiche internationale Medien berichtet hatten, wurden nach Angaben der OPCW Fässer mit Chlorgas auf das damals von Regierungsgegnern kontrollierte Duma abgeworfen, 43 Menschen wurden getötet. Einem Bericht der OPCW aus dem Jahr 2023 zufolge gibt es „begründeten Anlass zu der Annahme“, dass die syrische Luftwaffe für den Angriff verantwortlich war. Die Assad-Regierung hatte die Verantwortung für den Vorfall stets zurückgewiesen.

Die zwei Ärzte und der Krankenpfleger, die nun nach dem Sturz Assads im Gespräch mit AFP von den Einschüchterungen berichteten, hatten in Duma Opfer des Vorfalls behandelt. Später seien sie vom syrischen Geheimdienst in dessen Hauptsitz beordert und befragt worden.

„Sie haben mir gesagt, sie wüssten, wo sie meine Familie finden“, sagte der orthopädische Chirurg Mohammad al-Hanasch. Intensivmediziner Hassan Ujun erklärte, während des Verhörs sei eine Pistole auf den Tisch gelegt und auf ihn gerichtet worden sein. Der Geheimdienst habe auf alle befragten Krankenhausmitarbeiter „starken Druck“ ausgeübt und sie teilweise bedroht.

Muwafak Nisrin, im Jahr 2018 als Krankenpfleger in der Notaufnahme tätig, wurde nach eigenen Angaben befragt, weil er auf einem Video zu sehen war, in dem er auf den Rücken eines Mädchens klopfte, das nach dem Einatmen von Giftgas Schleim ausspuckte. „Sie sagten uns, dass es keinen chemischen Angriff gegeben habe (...), dass sie diesen Behauptungen ein Ende setzen wollten“, sagte Nisrin AFP. Er habe „unter Druck gestanden, weil meine Familie in Duma lebt, wie die Angehörigen der meisten Mitarbeiter im Gesundheitswesen“.

Alle drei Mitarbeiter berichteten, sie seien angehalten worden, ihre Aussagen nach dem Verhör vor einer Kamera zu wiederholen. Diese Aussagen sollten demnach Ermittlern vorgelegt werden, die mit der OPCW zusammenarbeiteten. Dem Chirurgen al-Hanasch zufolge wurden die Aussagen später im syrischen Staatsfernsehen übertragen, die ausgestrahlten Aussagen seien aber zuvor verzerrend gekürzt oder aus dem Zusammenhang gerissen worden, um die Version der syrischen Behörden zu stützen. (AFP)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })