zum Hauptinhalt
Ein Mann ohne Unterkunft schläft in einer Schule in Syrien.

© REUTERS/MAHMOUD HASSANO

Streit über Rückkehr nach Syrien: Viele Geflüchtete erleben die Debatte in Deutschland als Bedrohung

Syrien fehle vor allem Geld und Stabilität, sagt unser Autor. Er war selbst gleich nach dem Sturz des Assad-Regimes in seine Heimat zurückgekehrt – aber nur kurz.

Mohammad Albayoush
Ein Gastbeitrag von Mohammad Albayoush

Stand:

Seit über einem Jahrzehnt leben Millionen Syrerinnen und Syrer zwischen Exil und Ungewissheit. Nach Jahren des Krieges und der Zerstörung suchten sie in Europa Schutz und Stabilität. Seither versuchen viele, sich hier ein neues Leben aufzubauen – während die Sehnsucht nach der Heimat und die Angst vor einer Rückkehr sie weiterhin begleiten.

Dieser Tage flammt in Deutschland eine neue politische Diskussion auf: Einige Parteien fordern, syrische Geflüchtete sollten in ihr Land zurückkehren. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) erklärte, der Bürgerkrieg in Syrien sei beendet, und es gebe keinen Grund mehr für Asyl. „Wer sich weigert, zurückzukehren, kann abgeschoben werden“, sagte er.

Auch Außenminister Johann Wadephul (CDU) sagte zunächst, syrische Geflüchtete müssten zu einer „freiwilligen Rückkehr“ ermutigt werden. Doch nach seinem Besuch in Damaskus sprach er von einem Bild des Grauens.

Bundesaußenminister Johann Wadephul machte sich in Syrien ein Bild der Lage.

© IMAGO/AA/Dominik Butzmann

„Ich habe ein solches Ausmaß an Zerstörung noch nie gesehen. Menschen können hier kaum würdevoll leben.“ Eine groß angelegte Rückkehr sei auf absehbare Zeit unrealistisch – zu stark seien die Verwüstungen, zu schwach die Infrastruktur, sagte der Außenminister.

Ich selbst habe mit vielen Syrerinnen und Syrern gesprochen, die heute in Deutschland leben. Einige sagten, sie würden gerne eines Tages zurückkehren, aber die Realität lasse das nicht zu. „Wir möchten zurück, aber wie? Wir haben kein Geld, unsere Häuser sind zerstört, und unsere Familien können wir nicht versorgen.“

Ich lebe hier seit mehr als zehn Jahren. Ich habe Arbeit, Freunde und Familie. Ich kann mir kein anderes Leben mehr vorstellen.

In Deutschland lebender Syrer

Andere betonten, dass Deutschland auf syrische Fachkräfte angewiesen sei – besonders im Handwerk und in der Pflege. „Wenn man uns alle fortschickt, wer soll dann die Arbeit machen?“, fragte einer von ihnen.

Viele empfinden die aktuelle Rückkehrdebatte als Bedrohung. „Wohin sollen wir gehen? Die meisten von uns haben alles verloren – Familie, Haus, Dorf, Stadt. Wir haben keinen Ort mehr, den wir Heimat nennen können.“

Nach zehn Jahren sind viele Syrer in Deutschland angekommen.

© dpa/Philipp Schulze

Andere wiederum sagten, sie fühlten sich längst in Deutschland zu Hause: „Ich lebe hier seit mehr als zehn Jahren. Ich habe Arbeit, Freunde und Familie. Ich kann mir kein anderes Leben mehr vorstellen“, sagte einer von ihnen.

Wer Syrien in jüngster Zeit besucht hat, beschreibt ein Land, das nur auf den ersten Blick ruhiger geworden ist. In Damaskus, Daraa oder Idlib sind Schüsse nachts keine Seltenheit. Strom gibt es oft nur wenige Stunden am Tag. Viele Menschen leben in zerstörten Häusern, ohne stabile Einkommensquelle. Manche können sich nicht einmal täglich Brot leisten.

Die Menschen brauchen Geld und Materialien zum Wiederaufbau ihrer Häuser.

© Reuters/Khalil Ashawi

Ich war mehrfach in Damaskus und habe die Lage mit eigenen Augen gesehen. Es gibt keine echte Sicherheit. Menschen leben in ständiger Angst vor Diebstahl, Gewalt und Willkür. Selbst wer mit europäischen Bildungsnachweisen zurückkehrt, hat kaum Chancen auf Arbeit.

Ich selbst wollte trotz meiner Vergangenheit während der Revolution mit der Regierung kooperieren – doch sie ließ mich nicht. Nach vielen Versprechungen blieb am Ende nichts.

Syrien braucht zweifellos Wiederaufbau. Doch dafür gibt es bereits viele Menschen vor Ort, die arbeiten wollen. Was fehlt, ist nicht Arbeitskraft aus Deutschland – sondern Geld, Stabilität und internationale Unterstützung. Ohne diese Grundlagen ist kein Wiederaufbau möglich.

Aus meiner Sicht sind Sicherheit, Energieversorgung und Lebensqualität in Syrien am Boden. Die Mehrheit der Bevölkerung lebt in Armut und Unsicherheit. Wenn man heute fordert, alle Syrer nach Hause zu schicken, muss man sich fragen: Wohin sollen sie gehen? Wovon sollen sie leben?

Zurzeit gibt es keine realistische Grundlage für eine Rückkehr. Niemand hier freut sich über solche politischen Forderungen – und in Syrien selbst erwartet sie kein Leben, sondern bloß das Überleben.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
false
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })