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Ein Teilnehmer der Großdemonstration „Solidarität mit den Protestierenden im Iran“ hält in Berlin ein Plakat mit der Aufschrift „We Are All Mahsa Amini“.

© dpa/Paul Zinken

Update

Todestag von Protestikone: Iranische Revolutionsgarden nehmen Vater von Mahsa Amini vorübergehend fest

Der Tod der iranischen Kurdin Jina Mahsa Amini hatte die schwersten Proteste seit Jahrzehnten im Iran ausgelöst. Am Jahrestag ihres Todes haben die Revolutionsgarden ihren Vater vorübergehend festgenommen und verhört.

| Update:

Mit strengen Sicherheitsvorkehrungen hat der iranische Sicherheitsapparat am Todestag der Protestikone Jina Mahsa die Kurdenregionen in den Ausnahmezustand versetzt. Aminis Vater wurde in ihrer Heimatstadt Saghes am Samstag vorübergehend durch Einheiten der Revolutionsgarden (IRGC) festgenommen und verhört, wie mehrere kurdische Menschenrechtsgruppen berichteten. Aminis Familie soll bereits in den vergangenen Wochen eingeschüchtert worden sein.

Augenzeugen berichteten am Freitag, Militäreinheiten und andere Einsatzkräfte seien in Städte rund um Saghes verlegt worden. Auch viele neue Überwachungskameras seien installiert worden. Bewohner der Kurdengebiete sprachen zudem von verstärkten Kontrollen.

Todestag von Mahsa Amini jährt sich

An diesem Samstag jährt sich erstmals der Tod Aminis, der im Herbst 2022 die schwersten Aufstände im Iran seit Jahrzehnten ausgelöst hatte. Islamische Sittenwächter hatten die damals 22-Jährige wegen eines angeblich nicht richtig getragenen Kopftuchs festgenommen. Was genau danach geschah, ist bis heute ungeklärt - letztlich fiel die junge Frau ins Koma und starb in einem Krankenhaus.

Aminis Eltern äußerten früh Zweifel an der staatlichen Darstellung, ihre Tochter sei infolge einer Erkrankung gestorben. Sie gaben lokalen und internationalen Medien zahlreiche Interviews und gerieten somit ins Fadenkreuz der Justiz. Zu Aminis Beerdigung strömten damals Tausende Menschen. Ausgehend von den Kurdenregionen verbreiteten sich die Proteste wie ein Lauffeuer.

„Frau, Leben, Freiheit“

Vor allem die junge Generation ging in der Folge unter dem Slogan „Frau, Leben, Freiheit“ gegen die repressive Politik der islamischen Führung auf die Straße. Die Staatsmacht ließ die Proteste, die das Land über Monate hinweg in Atem hielten, gewaltsam niederschlagen. Auf Geheiß der iranischen Justiz wurden sieben Männer im Zusammenhang mit den Demonstrationen hingerichtet. Als Zeichen des stillen Protests ignorieren bis heute viele Frauen die Kopftuchpflicht - in diesem Ausmaß hat es das im Iran zuvor nicht gegeben.

Aminis Heimatort Saghes wurde vor ihrem Todestag abgeriegelt, wie Bewohner der Region berichteten. Aus Sorge vor einem erneut gewaltsamen Vorgehen der Einsatzkräfte gab es zunächst keine Protestaufrufe. Den Todestag wollten Menschen in den Kurdengebieten dennoch würdigen, etwa durch Ladenschließungen. Irans Geheimdienst nahm laut einem Bericht der Nachrichtenagentur Tasnim mehrere Bewohner in den Kurdengebieten fest.

Augenzeugen berichteten am Freitag, Militäreinheiten und andere Einsatzkräfte seien in Städte rund um Saghes verlegt worden. Auch viele neue Überwachungskameras seien installiert worden. Bewohner der Kurdengebiete sprachen zudem von verstärkten Kontrollen. 

Auch in anderen Städten traf der Machtapparat Vorkehrungen gegen mögliche neue Proteste. Während in den vergangenen Tagen weitgehend Alltag herrschte, waren vor allem nach Einbruch der Dunkelheit vermehrt Polizisten rund um öffentliche Plätze zu sehen. Am Todestag herrschte mit Straßenkontrollen eine angespannte Stimmung.

Kundgebungen auch in Deutschland

Während Demonstrantinnen und Demonstranten im Iran um ihre Sicherheit fürchten, sind in Deutschland und anderen Ländern Kundgebungen und Demos anlässlich des Jahrestags geplant. In Deutschland gab es zum Jahrestag verschiedene Demonstrationen und Aktionen in mehreren Städten.

Demonstrantinnen und Demonstranten versammeln sich anlässlich des Todestages von Jina Mahsa Amini im Iran an der Siegessäule in Berlin.
Demonstrantinnen und Demonstranten versammeln sich anlässlich des Todestages von Jina Mahsa Amini im Iran an der Siegessäule in Berlin.

© dpa/Annette Riedl

Nach Angaben der Polizei gab es in Berlin eine Demonstration am Großen Stern mit rund 200 Menschen. Weitere Versammlungen formierten sich unter anderem vor dem Reichstagsgebäude. Demonstrantinnen und Demonstranten versammelten sich mit Iran-Flaggen mit einer Sonne. Einige von ihnen hatten auf dem Oberkörper ein Papier angeheftet, das ein Foto der jungen Kurdin Amini zeigte.

In Hamburg schätzte das Lagezentrum, dass sich rund 2500 Menschen an Demonstrationen beteiligt hätten. Es sei zu vereinzelten Verkehrsbehinderungen gekommen. Der Protest sei friedlich verlaufen.

In Frankfurt fanden nach Angaben eines Polizeisprechers insgesamt sieben Veranstaltungen zum Todestag Aminis statt. Auf dem Programm stand auch ein gemeinsames Bäumepflanzen mit Bürgermeisterin Nargess Eskandari-Grünberg (Grüne). „Vier Bäume zur Erinnerung an die Opfer des seit 44 Jahren herrschenden iranischen Regimes“, hieß es in einer Mitteilung der Stadt.

Neue Sanktionen für iranische Funktionäre

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock versprach den Menschen im Iran weitere Unterstützung gegen Unterdrückung. „Wir setzen die Schicksale der Menschen im Iran in Brüssel, New York und Genf auf die Tagesordnung“, erklärte die Grünen-Politikerin, die sich derzeit in den USA aufhält. Dort traf sie am Freitag (Ortszeit) die Tochter des im Iran wegen Terrorvorwürfen zum Tode verurteilten Deutsch-Iraners Djamshid Sharmahd. Er ist einer von mehreren im Iran inhaftierten Deutschen.

Die USA und die EU verhängten vor dem brisanten Datum neue Sanktionen im Zusammenhang mit der brutalen Niederschlagung der Proteste. In Washington wurden am Freitag Strafmaßnahmen gegen 25 iranische Personen, drei vom iranischen Staat unterstützte Medien und ein iranisches Unternehmen bekanntgegeben, das Nachforschungen im Internet anstellt. US-Präsident Joe Biden hatte zuvor den Protestierenden anhaltende Unterstützung zugesichert.

Von den EU-Strafmaßnahmen sind nach Angaben vom Freitag vier Personen sowie sechs Einrichtungen und Unternehmen betroffen. Dabei geht es unter anderem um zwei ranghohe Polizisten, einen Vertreter der Eliteeinheit der iranischen Streitkräfte sowie mehrere Gefängnisse und die Nachrichtenagentur Tasnim, der von der EU unter anderem vorgeworfen wird, sie veröffentliche falsche Geständnisse von Protestteilnehmern. (dpa)

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