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Der US-Flugzeugträger USS Gerald R. Ford (CVN 78) vor den Jungfraueninseln.

© Reuters/US Navy/Seaman Abigail Reyes

Trumps Eskalation gegenüber Venezuela: „Wenn Maduro kein Öl mehr exportieren kann, könnte ihn das dort treffen, wo es wirklich wehtut“

Donald Trump droht Venezuela mit einer Seeblockade und Militärschlägen – und macht klar, dass es ihm nie um den Drogenschmuggel ging. Warum ist er ausgerechnet am Öl aus Venezuela so interessiert?

Stand:

Für US-Präsident Donald Trump scheint es ein Abend der Superlative gewesen zu sein. Auf seinem eigenen sozialen Medium Truth Social kündigte der 79 Jahre alte Republikaner am Dienstag nicht nur eine „totale und vollständige Blockade“ aller sanktionierten Öltanker an, die nach Venezuela ein- und auslaufen.

Er drohte zugleich dem lateinamerikanischen Land mit einem Militärschlag: Venezuela sei „vollständig“ von der „größten Armada“ umzingelt, die „jemals in der Geschichte“ Südamerikas zusammengestellt worden sei. Der Schock werde „so groß wie nie zuvor“ sein – sollte Caracas nicht „all das Öl, Land und andere Vermögenswerte“, die es den USA zuvor gestohlen hätte, herausgeben, schrieb Trump.

Damit erhöhte der US-Präsident nicht nur den Druck auf das Regime von Präsident Nicolás Maduro, sondern deutete auch ein wirtschaftliches Motiv für die US-Militärkampagne in der Region an.

Venezuela hat größte Ölreserven der Welt

Es ist eine weitere Eskalation in Trumps monatelanger Kampagne gegen Venezuelas Machthaber: In den vergangenen Wochen gab es mehr als zwei Dutzend US-amerikanische Angriffe auf angebliche Drogenboote, mehr als 90 Menschen sind bei den nach Ansicht vieler Juristen völkerrechtswidrigen Attacken getötet worden.

Ihr Öl ist Müll. Es ist furchtbar. Das Schlimmste, was man bekommen kann.

Donald Trump 2023 über Öl aus Venezuela

Öffentlich beteuert hat die Trump-Regierung immer, dass es dabei um den vermeintlichen Schutz von US-Amerikanern vor illegalem Drogenhandel aus Venezuela gehe – immer deutlicher wird nun, dass der US-Präsident vor allem Interesse an den riesigen Ölreserven des Landes haben dürfte.

Das kleine Venezuela mit seinen 29 Millionen Einwohnern verfügt mit mehr als 300 Milliarden Barrel über die größten Ölreserven der Welt – die fast siebenmal so groß sind wie die der Vereinigten Staaten.

Gibt sich kämpferisch: Venezuelas Präsident Nicolás Maduro.

© Reuters/Leonardo Fernandez Viloria

Bereits in den 1970er Jahren wurde die Ölindustrie im Land verstaatlicht, vor knapp 20 Jahren trieb Hugo Chávez diese Politik weiter voran und ließ Öl als nationales Gut in die Verfassung schreiben. Von der Verstaatlichung der Ölfelder waren damals auch US-amerikanische Firmen betroffen, es entbrannte ein jahrelanger Streit um Entschädigungszahlungen in Milliardenhöhe.

Genau darauf dürfte Trump nun anspielen, wenn er von gestohlenem Öl, Land und Vermögenswerten spricht. Obwohl er eigenen Aussagen zufolge vom venezolanischen Öl kaum viel zu halten scheint: „Ihr Öl ist Müll. Es ist furchtbar. Das Schlimmste, was man bekommen kann“, sagte Donald Trump vor zwei Jahren bei einer Veranstaltung der Republikaner in North Carolina.

Dennoch betrachtet der US-Präsident den Zugang zu Bodenschätzen seit Langem als geopolitisches Machtinstrument. Bereits im ersten Wahlkampf sprach er regelmäßig davon, Erdöl im Rahmen von US-Militäreinsätzen zu beschlagnahmen. „Ich habe immer wieder gesagt: Nehmt euch das Öl“, sagte er nur wenige Wochen vor der Wahl 2016.

Wenn Maduro kein Öl mehr exportieren kann, könnte ihn das dort treffen, wo es wirklich wehtut.

Phil Gunson, Venezuela-Experte bei der NIchtregierungsorganisation International Crisis Group

Mit dieser Strategie des maximalen Drucks erließ er dann auch während seiner ersten Amtszeit 2019 ein Ölembargo gegen Venezuela – und wollte bereits damals Maduros Haupteinnahmequelle austrocknen.

Denn wie kaum ein anderes Land ist Venezuela vom schwarzen Gold abhängig. Der „New York Times“ zufolge macht der Verkauf von Öl fast 90 Prozent der Exporteinnahmen für Caracas aus, eine dauerhafte Blockade könnte das Land in eine Rezession stürzen.

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Prozent der weltweiten Ölreserven liegen in Venezuela.

„Venezuelas Wirtschaft ist in einem desolaten Zustand“, sagte Phil Gunson dem Tagesspiegel bereits in der vergangenen Woche. In Caracas leitet er das Büro der Nichtregierungsorganisation International Crisis Group. „Wenn Maduro kein Öl mehr exportieren kann, könnte ihn das dort treffen, wo es wirklich wehtut.“

Denn trotz riesiger Ölreserven fördert Venezuela nur sehr wenig. Neben Korruption liegt das Beobachtern zufolge auch an einer Misswirtschaft der staatlichen Produktionsstätten, zudem lässt sich venezolanisches Öl nur sehr teuer abbauen.

Dass Trump es neben den Ölreserven auch auf einen Sturz des venezolanischen Machthabers abgesehen haben dürfte, legen jüngste Aussagen von Susie Wiles nahe. „Er will so lange Boote in die Luft jagen, bis Maduro kapituliert“, sagte die Stabschefin des Weißen Hauses in einem am Dienstag veröffentlichten „Vanity Fair“-Interview. „Und Leute, die sich damit viel besser auskennen als ich, sagen, dass er das auch schaffen wird.“

Der ehemalige US-Diplomat Richard Haass teilt diese Einschätzung. „Der Hauptgrund für die Bemühungen der USA um einen Regimewechsel ist der Zugriff auf die venezolanische Ölreserve“, sagt er dem US-Radiosender NPR. „Die Regierung stellt wirtschaftliche Interessen in den Mittelpunkt ihrer Außenpolitik und ist sehr daran interessiert, ein Regime an die Macht zu bringen, das amerikanische Unternehmen anlockt.“

Die Opposition um die aktuelle Friedensnobelpreisträgerin María Corina Machado hat sich zuletzt immer wieder für eine mögliche US-Militärintervention im Land ausgesprochen, Machado selbst gilt als Trump-Fan. Anfang des Jahres plädierte sie in einem Podcast mit Donald Trump Jr. dafür, das „unendliche Potenzial“ ihres Landes für US-Unternehmen nutzbar zu machen.

Zeigt sich offen für US-Militärschläge und Wirtschaftsdeals: Friedensnobelpreisträgerin und Venezuelas wichtigste Oppositionsführerin María Corina Machado. 

© AFP/Ole Berg-Rusten

Bereits im September warf Maduro Washington deshalb vor, „einen Regimewechsel durch militärische Drohungen“ anzustreben. Angaben der Deutschen Presse-Agentur zufolge verurteilte die venezolanische Regierung Trumps jüngste Äußerungen am Dienstag erneut als „groteske Drohung“ und bezeichnete sie als schwerwiegenden Verstoß gegen das Völkerrecht.

Nach internationalen Verträgen werden Seeblockaden als Kriegshandlung betrachtet. Auch der demokratische US-Kongressabgeordnete Joaquin Castro sagte dem „Guardian“, dass die angekündigte Blockade „zweifelsfrei ein Kriegsakt“ sei. Am Donnerstag soll ihm zufolge im Kongress über eine Resolution abgestimmt werden, die „den Präsidenten anweist, die Feindseligkeiten mit Venezuela“ zu beenden.

Beobachter erwarten dennoch, dass, wie in der vergangenen Woche, weitere Öltanker in der Region durch die USA beschlagnahmt werden könnten. Und nach den jüngsten Drohungen müsste Trump Beobachtern zufolge den Druck auf Venezuelas Machthaber durch gezielte Angriffe weiter erhöhen.

„Das Problem bei dieser Art der Eskalation ist aber, dass man darauf wartet, dass die venezolanische Regierung kapituliert“, sagt Richard Haass. „Und die Frage ist: Was passiert, wenn sie nicht kapitulieren. Dann müssen die USA weiter eskalieren. Und ich glaube nicht, dass diese Regierung besonders darauf erpicht ist, sich militärisch in großem Umfang in Venezuela zu engagieren.“

Washington könnte Maduro deshalb auch einen – insbesondere für die USA – gesichtswahrenden Deal vorschlagen und ihn ins Exil nach Kuba gehen lassen.

„Frieden“ fordern einige Maduro-Anhänger auf einer Demonstration Mitte Dezember.

© AFP/Juan Barreto

Verhandlungen über ein mögliches Abkommen dieser Art hat es bereits im Oktober gegeben, Maduro soll der US-Regierung damals angeboten haben, künftige Ölprojekte zu öffnen und bestehende Ölexporte stärker in die USA zu leiten. Washington hatte das abgelehnt.

China ist Venezuelas engster Verbündeter

Auch in Peking dürfte das weitere Vorgehen der US-Regierung nun noch genauer beobachtet werden: Laut der US-Energiebehörde flossen 2023 rund zwei Drittel aller Ölexporte aus Venezuela nach China.

Als die ersten US-Kriegsschiffe vor der venezolanischen Küste manövrierten, warnte eine Sprecherin des chinesischen Außenministeriums vor jeglicher „Einmischung externer Kräfte in die inneren Angelegenheiten Venezuelas und jeglichen Vorwand dafür“.

Erst im Mai versprach Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping eine „eiserne Freundschaft“ beider Länder, seit mehr als zehn Jahren verbindet China und Venezuela eine „umfassende strategische Partnerschaft“.

Doch US-amerikanischen Medienberichten zufolge sind chinesische Führungskräfte zuletzt im Umgang mit Venezuela vorsichtiger geworden. „In China hat die Ernüchterung zugenommen“, sagt Margaret Myers von der Johns Hopkins University, die auch zu Chinas Beziehungen zu Lateinamerika forscht, der „New York Times“. „Aber sie bleiben im Allgemeinen entschlossen, an ihrer Position festzuhalten.“

Machthaber Nicolás Maduro muss im Kampf gegen Donald Trump nun also vor allem auf die Unterstützung seiner mächtigen Freunde aus China hoffen.

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