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Trumps Friedensplan für Gaza: Was passiert, wenn die Hamas ihre Waffen nicht abgibt?
Es ist die Grundvoraussetzung für eine Waffenruhe: Die Islamisten müssen ihre Waffen niederlegen. Experten analysieren, ob die Hamas dazu bereit ist.
Stand:
Der Montag war ein Tag großer Freude und Erleichterung in Israel. Die 20 noch lebenden Geiseln, die von der terroristischen Hamas im Gazastreifen seit mehr als zwei Jahren festgehalten wurden, sind endlich frei. Im Austausch werden etwa 2000 Palästinenser aus israelischen Gefängnissen entlassen.
US-Präsident Donald Trump wurde begeistert in Tel Aviv empfangen und als Friedensbringer gefeiert. Er war es, der den Druck auf die Hamas enorm verschärft hatte. Sein 20-Punkte-Plan soll dauerhaft Frieden im Gaza bringen.
Doch eine zentrale Voraussetzung dafür wäre eine Entwaffnung der Hamas. Wie realistisch ist es, dass die Islamisten einlenken werden, die gerade erklärt haben, den Kampf gegen Israel fortsetzen zu wollen.
1. Wird die Hamas nun ihre Waffen niederlegen?
Daran muss gezweifelt werden. Die Islamisten selbst haben angekündigt, ihren Kampf gegen Israel weiterführen zu wollen. Ihre Waffen würden Sie nach eigener Aussage lediglich für einen Zeitraum von einigen Jahren „einfrieren“, sprich: nicht einsetzen. Eine vollständige Demilitarisierung lehnt sich die Terrororganisation bisher also ab.
Es ist höchst unwahrscheinlich, dass die Hamas kurzfristig ihre Waffen oder ihre Macht aufgibt.
Andreas Krieg, Senior Lecturer und Militäranalyst unter anderem an der School of Security Studies am King’s College London.
Experten überrascht das nicht. „Es ist höchst unwahrscheinlich, dass die Hamas kurzfristig ihre Waffen oder ihre Macht aufgibt“, sagt Analyst Andreas Krieg, der unter anderem an der School of Security Studies am King’s College London forscht.
„Ihre militärischen Fähigkeiten und die Kontrolle über das Tunnelnetz des Gazastreifens bleiben die wichtigsten Einflussfaktoren der Hamas.“ Sie betrachte die geforderte Abrüstung als existenzielle Bedrohung.
Nach Einschätzung von Krieg sind allenfalls begrenzte, überprüfbare Einschränkungen statt einer vollständigen Demobilisierung vorstellbar.
Der Militärexperte zählt dazu unter anderem eine langfristige Feuerpause, ein Stopp der Waffenproduktion sowie die Kartierung und Schließung bestimmter Tunnel.
Eine vollständige Abrüstung wäre Krieg zufolge erst dann plausibel, wenn ein glaubwürdiger politischer Horizont, echte Sicherheitsgarantien und eine palästinensische Regierungsbehörde vorhanden sind, die in der Lage ist, die tägliche Kontrolle auszuüben. „Ein solcher Übergang würde Jahre dauern.“
2. Wer kann die Islamisten zur Aufgabe ihrer Waffen bewegen?
Dafür kommt wohl in erster Linie Donald Trump in Betracht. Doch Drohungen des Präsidenten dürften allein nicht ausreichen. „Die USA haben nur begrenzten direkten Einfluss auf die Hamas, daher müssen die Bemühungen über ihre regionalen Partner koordiniert werden“, sagt Experte Andreas Krieg.
Sollte Doha, wie zuletzt geschehen, erneut massiven Druck auf die Hamas-Führung ausüben, kann die Entwaffnung gelingen.
Stefan Lukas, Geschäftsführer von Middle East Minds, einem auf den Nahen Osten spezialisierten Analyse- und Beratungsunternehmen.
Er verweist vor allem Katar und Ägypten. So kontrolliere die Führung in Kairo die Grenze zum Gazastreifen, das Emirat wiederum organisiere Vermittlungskanäle, die eine geordnete Verhandlungsführung ermöglichten.
Auch Stefan Lukas von Middle East Minds, einem auf den Nahen Osten spezialisierten Beratungsunternehmen, verweist auf die große Bedeutung Katars als wichtigstem Geldgeber und Unterstützer der Hamas. „Sollte Doha, wie zuletzt geschehen, erneut massiven Druck auf die Hamas-Führung ausüben, kann die Entwaffnung gelingen“, sagt der Politikwissenschaftler.

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Zu einer ähnlichen Einschätzung kommt Andreas Krieg. „Gerade finanzielle Anreize sind wichtig. Wiederaufbaumittel und Grenzöffnungen könnten schrittweise freigegeben werden, gekoppelt an verifizierte Maßnahmen zur Waffenbeschränkung, was den Vermittlern echten Einfluss verleiht.“
3. Muss Trump der Hamas wieder drohen?
Offiziell sitzen Vertreter der Terrororganisation gar nicht mit am Tisch, wenn man Montag in Scharm El-Scheich über die Zukunft Gazas diskutiert wird.
Der ägyptische Präsident Abdel Fattah al-Sisi hat zur Friedenskonferenz in sein Heimatland eingeladen, um die Details zu klären, die nötig sind, um Trumps Friedensplan für den Küstenstreifen Wirklichkeit werden zu lassen.
Doch klar ist schon jetzt: Sowohl Israels Haltung als auch die Haltung der Hamas haben sich nicht verändert: Die Regierung in Jerusalem fordert nach wie vor, dass Islamisten entwaffnet werden und keine politische Rolle mehr in Gazas Zukunft spielen. Die Terrororganisation lehnt dies bislang ab.
Ob Trump die Terroristen dazu bewegen kann, seinen Plan umzusetzen, bleibt offen. Der jetzige Geiselaustausch kam unter anderem deswegen zustande, weil Trump den Islamisten gedroht hatte, es werde „die Hölle ausbrechen“, sollten die Geiseln nicht freikommen.
„Künftige Verhandlungen werden schwierig. Daher ist es wahrscheinlich, dass Trump erneut negative Konsequenzen ankündigen wird, die die Hamas zu erwarten hat, sollte sie sich entscheiden, ihre Verpflichtungen nicht zu erfüllen“, sagt Nimrod Goren, Präsident und Gründer von Mitvim, dem israelischen Institut für regionale Außenpolitik.
4. Kann Trump Netanjahu davon abhalten, die Hamas zu bekämpfen?
Der US-Präsident war vollauf zufrieden mit sich, als er am Montag vor der Knesset sprach. Bei seiner Rede im israelischen Parlament sagte er, dass nun Frieden im heiligen Land herrsche. „Das ist das Ende des Zeitalters von Terror und Tod.“
Trump hob auch Netanjahus Leistung besonders hervor. „Aber es ist nicht leicht, mit ihm umzugehen, das kann ich Ihnen sagen“, sagte Trump scherzhaft. „Aber das macht ihn großartig.“

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Dass Trump und Netanjahu in den vergangenen Monaten immer wieder Schwierigkeiten miteinander hatten, ist bekannt. Dem US-Präsidenten ging es mit der Waffenruhe in Gaza nicht schnell genug, er wollte unbedingt den Krieg beenden – wohl auch, um endlich den heiß ersehnten Friedensnobelpreis zu bekommen.
Israels Premier aber, so schien es, düpierte Trump ein ums andere Mal, bombardierte den Küstenstreifen weiter, obwohl es andere Vereinbarungen gab.
Eine Wiederaufnahme des Krieges durch Israel wird Trump wahrscheinlich nicht zulassen. Es sei denn, der Friedensprozess bricht auf eine Weise zusammen, in der die Hamas eindeutig Schuld ist.
Nimrod Goren, Präsident und Gründer von Mitvim, dem israelischen Institut für regionale Außenpolitik.
Nun also sind die Geiseln frei, ein entscheidendes Druckmittel der Hamas fällt damit weg. Netanjahu könnten den Krieg mit aller Macht fortsetzen – wenn Trump nicht auf ihn einwirkt. Israel ist nach wie vor stark von den USA abhängig, gerade wenn es um Waffenlieferungen geht.
Dass Trump Netanjahu nun weiterkämpfen lässt, erscheint unwahrscheinlich. Der US-Präsident will seinen Friedensplan endlich umgesetzt sehen. „Eine Wiederaufnahme des Krieges durch Israel wird Trump wahrscheinlich nicht zulassen, es sei denn, der Friedensprozess bricht auf eine Weise zusammen, in der die Hamas eindeutig Schuld ist“, sagt Nimrod Goren.
„Es kann jedoch durchaus sein, dass Trump spezifische israelische Militäraktionen gegen die Hamas genehmigt, um zu verhindern, dass sie sich militärisch erholt, ebenso wie Israel es mit der Hisbollah im Libanon tut.“
Andreas Krieg sieht jedoch auch andere Gründe, die einer Fortführung des Krieges entgegenstehen. „Operative Realitäten – Erschöpfung der Reservisten, logistische Belastungen und wachsender internationaler Druck – machen Zurückhaltung für die Israelis zu einer attraktiven Option“, sagt er.
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