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Ein Blick über Mariupol im Februar 2024.

© Imago/Itar-Tass/Dmitry Yagodkin

Ukraine-Invasion, Tag 1155: Russland beschlagnahmt Häuser im besetzten Mariupol – und erhöht so den Druck

Putin bemängelt Drohnenproduktion seines Landes, plötzlich kommen nur Berater zum Ukrainegipfel nach London. Der Nachrichtenüberblick am Abend.

Stand:

Dass Moskau alles dafür tut, die in der Ukraine besetzten Gebiete zu russifizieren, ist seit Längerem bekannt. So wird es für die dortigen Ukrainer zum Beispiel immer schwieriger, ohne russischen Pass zu leben. Im südukrainischen Mariupol sind die Besatzer zudem dazu übergegangen, leerstehende Häuser systematisch zu beschlagnahmen – und dadurch auch noch mehr Druck auszuüben, wie die britische BBC schreibt (Quelle hier).

In dem Bericht heißt es, dass mindestens 5700 Häuser identifiziert worden seien, die für eine Beschlagnahmung infrage kämen – alles Eigentum von geflohenen oder der Erben von im Krieg gestorbenen Ukrainern. Das gehe aus Dokumenten der von Moskau eingesetzten Stadtbehörden hervor.

Und so gehen die Besatzer dabei vor: Innerhalb von zehn Tagen, nachdem eine Immobilie als leer gemeldet wurde, wird eine Bekanntmachung veröffentlicht, dass diese ohne Eigentümer sei. Meldet sich der Besitzer dann nicht innerhalb von 30 Tagen, wird das Haus endgültig als Immobilie ohne Eigentümer registriert. Drei Monate nach der Eintragung in das Register geht es dann in russisches Staatseigentum über – und kann dann auch wieder an neue Besitzer übertragen werden.

Das Perfide: Wer seine Immobilie auf der Liste entdeckt und sie zurückhaben will, muss bei den Behörden vorstellig werden – und sich mit einem russischen Pass ausweisen. Denn alle Häuser in besetzten Orten wie Mariupol müssen in Russland registriert werden. Bürger „unfreundlicher Länder“ – wozu auch die Ukraine gehört – dürfen Eigentum in den besetzten Gebieten nur mit Sondergenehmigung registrieren. Was es den Ukrainern noch schwerer macht, ihre Rechte wahrzunehmen.

Und wer in andere ukrainische Gebiete geflohen ist, müsste über Russland nach Mariupol einreisen, um seine Ansprüche geltend zu machen – und sich dort einer Prüfung einschließlich vorübergehender Unterbringung in einem Lager unterziehen. 

Für die verbliebenen Bewohner von Mariupol ist die Beschlagnahmung von Häusern derzeit eines der wichtigsten Themen. „Es ist, als ob man immer wieder verletzt wird“, sagte Petro Andruschenko, ein ehemaliger Berater des ukrainischen Bürgermeisters von Mariupol, der BBC. „Sie können nicht verstehen, wie es möglich ist, dass ihre Wohnung, ihr Eigentum ‚herrenlos’ ist.“

Die wichtigsten Nachrichten des Tages

  • Der russische Präsident Wladimir Putin hat die Drohnenproduktion der Rüstungsindustrie für den Krieg gegen die Ukraine als ungenügend bemängelt. „An diesen Kampfmitteln fehlt es bis heute“, sagte der Kremlchef bei einer Sitzung der Militär- und Rüstungskommission in Moskau. Mehr hier.
  • Das Fernbleiben von US-Außenminister Marco Rubio von Gesprächen in London hat die Erwartungen an schnelle Fortschritte in den Verhandlungen für einen Frieden in der Ukraine gedämpft. Ein Treffen der Außenminister sei verschoben worden, teilte das britische Außenministerium auf Anfrage mit. Mehr hier.
  • Vergangenen Sommer sind mehrere als Luftfracht versendete Pakete an europäischen Flughäfen in Flammen aufgegangen. Dahinter soll der russische Militärgeheimdienst GRU stecken, wie WDR, NDR und „Süddeutsche Zeitung“ („SZ“) recherchiert haben. Demnach sollen für die Sabotageaktionen sogenannte Wegwerf-Agenten im Einsatz gewesen sein. Mehr hier.
  • US-Vizepräsident JD Vance hat die Drohung seiner Regierung bekräftigt, aus den Verhandlungen über eine Waffenruhe in der Ukraine auszusteigen. Washington habe „sowohl Russen als auch Ukrainern einen sehr klaren Vorschlag unterbreitet“, sagte Vance am Mittwoch vor Journalisten während seines Besuchs in Indien. Mehr in unserem Newsblog.
  • Russlands Armee hat offenbar den zeitweiligen Waffenstillstand mit der Ukraine dazu genutzt, um Militärausrüstung und Militärpersonal von der Krim in die Region Saporischschja zu verlegen. Das teilte der Sprecher der ukrainischen Südkräfte, Wladyslaw Woloschin, via Telegram mit. Demnach erwarte er, dass die russischen Truppen ihre Angriffe entlang der gesamten Frontlinie im Süden künftig verstärken werden. 
  • Die Ukraine ist nach den Worten der stellvertretenden Ministerpräsidentin Julija Swyrydenko bereit zu Verhandlungen - nicht aber zur Kapitulation. „Unser Volk wird einen eingefrorenen Konflikt nicht akzeptieren“, schreibt sie auf der Plattform X.
  • Ein laut Berichten von Moskau vorgeschlagener Stopp des Kriegs an der derzeitigen Frontlinie wird Experten zufolge keine künftigen Aggressionen seitens Russland verhindern. Das US-Institut für Kriegsstudien (ISW) schreibt dazu, ein Abkommen über das Einfrieren der Front, ohne dass Russland die vollständige Kontrolle über die Oblaste Luhansk, Donezk, Saporischschja und Cherson erlange, würde künftige russische Aggressionen nicht ausschließen. 
  • Die russischen Truppen haben nach Angaben des Verteidigungsministeriums in Moskau eine weitere Ortschaft im Osten der Ukraine eingenommen. Es handele sich um das Dorf Tarassiwka in der Region Donezk, meldet die staatliche russische Nachrichtenagentur RIA unter Berufung auf das Ministerium.
  • Aufgrund sinkender Ölpreise hat die russische Regierung ihre Prognose für die Einnahmen aus Öl- und Gasexporten für die Jahre 2025 bis 2027 gesenkt. Wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtet, werden in der jüngsten Prognose für das Jahr 2025 rund 180 Milliarden Dollar an Einnahmen daraus erwartet. 
  • Russische Truppen haben offenbar damit begonnen, militärische Ausrüstung und Luftabwehrsysteme verstärkt auf die Halbinsel Krim zu verlagern. Das berichtet der Sprecher der ukrainischen Marine, Dmytro Pletenchuk, in der Sendung auf „Den.LIVE“.
  • Die ukrainische Luftwaffe hat nach eigenen Angaben in der Nacht zu Mittwoch 67 von insgesamt 134 russischen Drohnen abgefangen und zerstört. 47 weitere Drohnen seien durch Störsender umgeleitet worden, teilt die Luftwaffe auf Telegram mit. 
  • Die EU-Kommission prüft einem Insider zufolge die Möglichkeit, EU-Unternehmen den Abschluss neuer Verträge mit Russland für fossile Energie zu untersagen. Zudem würden juristische Ansätze erörtert, um den Firmen straffrei eine Kündigung bestehender Erdgasverträge mit Russland zu ermöglichen, sagte ein hochrangiger EU-Vertreter.

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