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Russlands Präsidente  Wladimir Putin mit Schulkindern.

© imago/ITAR-TASS

Ukraine-Invasion, Tag 1171: Wie russische Eltern und Lehrer versuchen, der Propaganda an Schulen zu entgehen

Putin nutzt Militärparade am „Tag des Sieges“ zur Rechtfertigung des Ukraine-Kriegs, Merz hält Feuerpause in den nächsten zwei Tagen für möglich. Der Nachrichtenüberblick am Abend.

Stand:

Die russische Propaganda hat schon vor geraumer Zeit die Klassenzimmer des Landes erreicht. Mit Beginn des Kriegs in der Ukraine 2022 hatte Präsident Wladimir Putin die „patriotische Erziehung“ in den Schulen eingeführt. Doch manche Lehrer und Eltern wehren sich still und heimlich dagegen, schreibt die „New York Times“ (Quelle hier).

Die meisten Russen, so schreibt die Zeitung, scheinen dies als unvermeidlich zu akzeptieren. Aber eben nicht alle. So wie die 42-jährige Warwara. Sie sagt: „Man muss ständig Katz und Maus mit der Schule spielen: Es kommen immer wieder neue Dinge auf.“ Als Beispiele nennt sie einen Musiklehrer, der einen Wettbewerb für russische Militärlieder veranstaltete oder einen Ausflug, auf dem sich die Schüler einen kriegsbefürwortenden Vortrag eines Afghanistan-Veteranen anhören mussten.

Manche Eltern sind daher dazu übergegangen, ihre Kinder zu Hause zu unterrichten, schreibt die „New York Times“. Das sei nach russischem Recht möglich, solange man die Prüfungen bestehe. Und einige Schulverwaltungen drücken ein Auge zu, wenn Schüler die sogenannten wichtigen Gespräche, also Propagandagespräche, schwänzten.

Es geht aber auch noch kreativer, berichtet die Geschichtslehrerin Olga. An vielen Moskauer Schulen gäbe es zwei Stundenpläne: einen offiziellen für die Behörden und einen zweiten, ohne Propagandaunterricht, für die Lehrer.

Olga selbst ignoriert auch weitestgehend das Geschichtslehrbuch, das von Putin gebilligt wurde und in dem die Kreml-Version der jüngeren Geschichte steht. Sie sagt aber, sie helfe ihren Schülern, Dinge wie die Daten der russischen Invasion in der Ukraine zu lernen, damit sie die staatlichen Tests bestünden. Davon abgesehen unterrichte sie ihre eigenen Geschichtskurse.

Den Beruf aufgeben wie viele andere ihrer Kolleginnen und Kollegen nach Kriegsbeginn will sie aber nicht. „Ich kann einfach nicht gehen und die Kinder zurücklassen“, sagte sie der „New York Times“. „Sie sind nicht indoktriniert. Sie verstehen viel mehr, als man denkt.“

Die wichtigsten Nachrichten des Tages

  • Kremlchef Wladimir Putin hat die traditionelle Militärparade auf dem Roten Platz zur Rechtfertigung seiner Invasion in der Ukraine genutzt. „Russland bleibt ein unüberwindbares Hindernis für Nazismus, Russophobie und Antisemitismus“, sagte er vor über 10.000 Soldaten und internationalen Staatsgästen zum russischen „Tag des Sieges“ über Nazi-Deutschland vor 80 Jahren. Mehr hier.
  • Wie verhalten sich die USA, wenn es im Ukrainekrieg weiterhin nicht zu einem längeren Waffenstillstand kommt? US-Präsident Donald Trump und sein Vize JD Vance machen dazu Aussagen, die widersprüchlich klingen. Mehr hier.
  • Zwei Tage nach seinem Amtsantritt hat Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) ein erstes Gespräch mit US-Präsident Donald Trump geführt. Beide seien sich dabei einig gewesen, „die Handelsstreitigkeiten rasch beilegen zu wollen“, teilte Regierungssprecher Stefan Kornelius am Donnerstagabend mit. Mehr hier.
  • Der neue Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hält eine Vereinbarung über eine Feuerpause in der Ukraine in den nächsten beiden Tagen für möglich. „Ich habe die große Hoffnung, dass es über dieses Wochenende eine Verabredung gibt für einen Waffenstillstand in der Ukraine“, sagte Merz in Brüssel. Mehr in unserem Newsblog.
  • Die neue Bundesregierung wird nach Angaben aus Regierungskreisen künftig die Information über die Lieferung von Waffensystemen an die Ukraine deutlich reduzieren. Man wolle eine „strategische Ambiguität“ in der Kommunikation erreichen, um Russland keine strategischen Vorteile mehr zu verschaffen, hieß es am Freitag. 
  • Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat für Samstag ein Gipfeltreffen mit führenden europäischen Politikern in der Ukraine angekündigt. „Wir bereiten uns darauf vor, in der Ukraine die Anführer der Koalition der Willigen zu treffen“, hieß es in einem von seinem Pressedienst veröffentlichten Redeauszug.
  • Der frühere Top-Diplomat Wolfgang Ischinger hat sich für ein Spitzentreffen in Berlin mit Vertretern der Ukraine, führender europäischer Staaten und der USA ausgesprochen, um die Bemühungen um ein Ende des russischen Angriffskriegs voranzubringen. 
  • Die EU hat ukrainischen Rüstungsunternehmen eine Milliarde Euro aus den Erlösen eingefrorener russischer Vermögenswerte zugesagt, um das Land im Krieg gegen Moskau weiter zu unterstützen. „Wir haben soeben eine Milliarde Euro für die ukrainische Verteidigungsindustrie verfügbar gemacht, damit die Ukraine sich besser verteidigen kann“, sagte die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas am Freitag.
  • Außenminister Johann Wadephul sieht im Treffen der EU-Außenminister in der Ukraine parallel zur Moskauer Militärparade ein starkes Signal an Russlands Präsidenten Wladimir Putin. „Wir zeigen hier, dass Europa an der Seite der Ukraine steht, und erinnern daran, dass das Nazi-Regime wesentlich auch von ukrainischen Soldaten besiegt wurde“, sagte der CDU-Politiker in Lwiw.
  • Das EU- und Nato-Land Ungarn hat zwei ukrainische Diplomaten des Landes verwiesen. Die beiden hätten unter dem Deckmantel ihrer diplomatischen Mission Spionagetätigkeiten ausgeübt, sagte der ungarische Außenminister Peter Szijjarto in einem Facebook-Video. Einzelheiten teilte er keine mit. 
  • Die Ukraine und ihre europäischen Verbündeten haben die Einrichtung eines Sondertribunals zum russischen Angriffskrieg beschlossen. Die Entscheidung wurde am Freitag beim Treffen der EU-Außenminister in der westukrainischen Stadt Lwiw bekanntgegeben.
  • Die Ukraine hat zum ersten Mal eine ferngesteuerte Entminungsdrohne zertifiziert. Diese Drohne ist angeblich in der Lage, bis zu zwei Hektar verminte Fläche pro Tag zu räumen. So gibt es die Nachrichtenagentur des ukrainischen Verteidigungsministeriums bekannt. 
  • Die Ukraine hat russischen Angaben zufolge mehrere Versuche unternommen, die Grenze zu Russland in den Regionen Kursk und Belgorod zu durchbrechen. Das berichtet die staatliche Nachrichtenagentur Interfax und zitiert das russische Verteidigungsministerium. 
  • Die russische Armee hat 700.000 Tote oder Verwundete zu beklagen, das sagte Admiral Rob Bauer, ehemaliger Vorsitzender des Nato-Militärausschusses, auf einer Sicherheitskonferenz in Kyjiw, wie die Nachrichtenagentur Interfax-Ukraine meldete.
  • Die britische Regierung hat im Rahmen ihres neuen Sanktionspakets gegen Russland mehrere hochrangige Manager einer russischen Ölfirma auf die Liste gesetzt. Demnach werden die Vermögenswerte mehrerer Direktoren der Ölhandelsfirma Coral Energy Group (seit 2024: 2Rivers Group) eingefroren, heißt es in einer Regierungserklärung.
  • Russland hat während der selbst verkündeten Feuerpause nach ukrainischen Angaben acht Ortschaften in der Ukraine angegriffen. Es habe nahe der Frontlinie 220 Attacken gegeben, schreibt der Gouverneur der Region Saporischschja, Iwan Fedorow, auf dem Kurznachrichtendienst Telegram. 
  • Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj und US-Präsident Donald Trump haben bei einem Telefonat über eine mögliche Waffenruhe in der Ukraine gesprochen. Selenskyj erklärte am Donnerstagabend in Onlinediensten, er habe den US-Präsidenten informiert, „dass die Ukraine bereit ist für eine 30-tägige Waffenruhe, auch heute schon“.

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