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Ukraine-Invasion, Tag 1195: In Istanbul ging es um ein überraschendes Thema – Kinder
Wie ein Experte die Gespräche einordnet – und wie der Kreml auf die gestrigen Angriffe reagieren könnte. Der Nachrichtenüberblick am Abend.
Stand:
nur knapp eine Stunde saßen die russische und die ukrainische Delegation zusammen – und dann war die zweite Runde der „Friedensgespräche“ in Istanbul schon wieder vorbei. Das Ergebnis? Alle Kriegsgefangenen unter 25 und solche mit schweren Verletzungen sollen ausgetauscht werden, außerdem wollen beide Seiten die Leichen von jeweils 6000 gefallenen Soldaten austauschen.
Doch es ging wohl vor allem um Kinder: Mindestens 19.000 Kinder wurden seit Kriegsbeginn aus der Ukraine nach Russland verschleppt, hat das Humanitarian Research Lab der Universität Yale dokumentiert. Zu ihrem Schutz, sagt Russland. Zur Umerziehung, sagt die Ukraine.
Doch Wladimir Medinski, Chef der russischen Delegation, habe diese Kindesentführungen während des Gesprächs als „Propaganda“ abgetan, schreibt das Nachrichtenportal „Axios“. Die Ukrainer gaben den Russen eine Liste mit den Namen von mehreren hundert Kindern, die sie zurückhaben wollen – und Russland habe angeboten, zehn von ihnen in die Ukraine zurückzuschicken (Quelle hier).
Ein Durchbruch ist das nicht, und die Uneinigkeit wurde dadurch noch unterstrichen, dass beide Delegationen zeitgleich konkurrierende Pressekonferenzen hielten. Und trotzdem verschafft es bittere Genugtuung, dass ein paar der mächtigsten Männer der Welt gezwungen wurden, sich mit dem Schicksal der schwächsten Opfer des Krieges zu beschäftigen – wenn auch nur für weniger als eine Stunde.
Die wichtigsten Nachrichten des Tages
- Die zweite Verhandlungsrunde zwischen Russen und Ukrainern über eine mögliche Waffenruhe in Istanbul ist nach Informationen russischer Nachrichtenagenturen beendet. Das berichteten die staatliche Nachrichtenagentur Tass und die Agentur Interfax unter Berufung auf eigene Quellen. Mehr im Newsblog.
- Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj feiert die „absolut brillanten“ Ergebnisse des Angriffes auf vier Militärstützpunkte tief im russischen Staatsgebiet. Es sei die „weitreichendste Operation“ seines Landes seit Beginn des russischen Angriffskrieges gewesen, sagte Selenskyj am Sonntagabend. Mehr hier.
- In der russischen Großstadt Tscheljabinsk am Ural wurde offenbar ein Drohnenlager entdeckt, das mit dem jüngsten ukrainischen Großangriff auf russische Luftwaffenstützpunkte in Verbindung stehen könnte. Wie unter anderem der russische Militärblogger Sergei Kolesnikow via Telegram berichtete, seien in einem Lagerhaus in einer belebten Straße in der Stadt Drohnen gelagert worden, die in der Region rund um den Fluss Amur zum Einsatz kamen. Mehr im Newsblog.
- Der OSINT-Analyst Chris Biggers hat auf seinem X-Profil angeblich Satellitenbilder des Flugplatzes Belaja in der Region Irkutsk in Russland veröffentlicht, die den Stützpunkt nach dem ukrainischen Drohnenangriff am 1. Juni zeigen sollen. Auf den Bildern ist die Zerstörung von mindestens drei strategischen Bombern vom Typ Tu-95MS und einem vom Typ Tu-22M3 sowie die Beschädigung eines weiteren Tu-95MS vermerkt.
- Vor dem Hintergrund der Debatte um weitere Sanktionen gegen Russland hat EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen den US-Senator Lindsey Graham getroffen. Die EU-Kommission hoffe schon „sehr bald“ darüber berichten zu können, „was hinsichtlich der Sanktionen und unserer Zusammenarbeit mit den USA in dieser Angelegenheit vereinbart wurde“, sagte eine Kommissionssprecherin am Montag in Brüssel.
- Der Hauptnachrichtendienst des Verteidigungsministeriums der Ukraine geht von einer verstärkten Aktivität russischer Geheimdienste bei der Anwerbung ukrainischer Staatsbürger für Spionagetätigkeiten in Ländern der Europäischen Union aus. Nach Angaben des GUR nutzen russische Agenten insbesondere die Tarnung, indem sie Ukrainern Arbeit oder Hilfe bei der Lösung alltäglicher Probleme anbieten, um sie für die Sammlung von Informationen über kritische Infrastrukturen und militärische Objekte in der EU zu gewinnen.
- Russische Truppen sollen ihre Versuche verstärkt haben, in die ukrainische Region Sumy einzudringen, sagte Andriy Demchenko, Sprecher des ukrainischen Grenzschutzdienstes, im ukrainischen Fernsehen. Die russischen Einheiten würden demnach teilweise versuchen, mit Quads und Motorräder schnell tiefer in das Gebiet der Ukraine vorzudringen.
- Bei russischen Artillerie- und Luftangriffen sind in der südostukrainischen Region Saporischschja nach Angaben örtlicher Behörden fünf Menschen getötet worden. In dem Dorf Ternuwate seien drei Frauen bei russischem Beschuss ums Leben gekommen, teilt Regionalgouverneur Iwan Fedorow auf dem Kurznachrichtendienst Telegram mit.
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