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Ukraine-Invasion, Tag 1258: Wütende Proteste, umzingelte Autos – Ukrainer wehren sich gegen Einberufung
Ein US-Amerikaner spioniert ukrainische Militärposten für Russland aus, und warum Donald Trump zwei Atom-U-Boote Richtung Russland schickt. Der Überblick am Abend.
Stand:
Die Videos verbreiten sich in Windeseile in sozialen Netzwerken: In Odessa wird ein Mann von Beamten der Mobilisierungsbehörde brutal in einen Lieferwagen geschubst. Im westukrainischen Kamjanez-Podilskyj umzingeln Hunderte Menschen ein Auto mit Musterungsoffizieren. In Winnyzja protestiert eine wütende Menge vor einem Stadion, in das frisch rekrutierte Männer gebracht wurden.
In der Ukraine wächst der Widerstand gegen die Einberufung neuer Soldaten, schreibt die „Financial Times“ (Quelle hier). In den ersten sechs Monaten dieses Jahres wurden nach Angaben der Generalstaatsanwaltschaft bereits mehr als 500 Ermittlungsverfahren wegen Behinderung der Tätigkeit der Armee eingeleitet – verglichen mit etwa 200 Fällen im gleichen Zeitraum letztes Jahr.
Nicht immer sei dabei Gewalt im Spiel. Manchmal handele es sich auch nur um Gruppenchats, in denen Ukrainer einander vor patrouillierenden Beamten der Musterungsbehörde warnten.
Doch der Hintergrund ist klar: Die ukrainischen Streitkräfte brauchen dringend Nachschub, und es gibt Hinweise, dass die Methoden der Rekrutierer brutaler werden. Letzte Woche kündigten die Behörden eine Untersuchung an, nachdem ein Mann in der südukrainischen Stadt Mykolajiw beim Sprung von einer Brücke gestorben war. Mutmaßlich wollte er der Mobilisierungsbehörde entkommen.
Im Juni versprach der Oberkommandeur der ukrainischen Streitkräfte, Oleksandr Syrskyj, Beamte zu bestrafen, die Männer illegalerweise rekrutieren. Auch hätten Mobilisierungszentren ein 50-seitiges Handbuch mit Benimmregeln und Deeskalationsmethoden erhalten, schreibt die „FT“.
Die Regierung in Kiew setzt nun ihrerseits auf Deeskalation – und auf Freiwilligkeit. Letzte Woche unterzeichnete Präsident Wolodymyr Selenskyj ein Gesetz, das es Männern unter 25 und über 60, die nicht eingezogen werden können, erlaubt, sich für ein Jahr freiwillig zur Armee zu melden.
Ein Mitglied des Parlamentsausschusses für Nachrichtendienste und nationale Sicherheit sagte der „FT“ jedoch, dass nur rund zehn Prozent der rund 27.000 neuen Rekruten pro Monat Freiwillige seien. Russland wiederum rekrutiere unabhängigen Analysten zufolge mehr als 30.000 Soldaten pro Monat – fast alles Freiwillige, die mit hohen Geldzahlungen angelockt würden.
Die wichtigsten Nachrichten des Tages
- Ein US-Amerikaner soll zwei Jahre lang ukrainische Militärposten an Russland verraten haben – mittels Jogging-Routen auf der App Strava. Der Mann war kurz vor Kriegsbeginn mit dem Fahrrad aus Polen in die Ostukraine gefahren, im vergangenen Herbst bekannte er sich in Moskau als Spion. Mehr im Newsblog.
- Nach der Entsendung zweier Atom-U-Boote aus den USA hat der Kreml US-Präsident Donald Trump zur Zurückhaltung aufgerufen. „Wir glauben, dass jeder bei seinen Äußerungen zum Thema Atom sehr, sehr große Vorsicht walten lassen sollte“, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow. Trump hatte die Verlegung der beiden U-Boote am Freitag angekündigt.
- Das Nationale Antikorruptionsbüro der Ukraine (Nabu) verdächtigt sechs Personen der Korruption im Zusammenhang mit der Beschaffung von Drohnen und Mitteln zur elektronischen Kriegsführung. Wie die Behörde auf Telegram mitteilte, gehören zu den Beschuldigten ein Parlamentsabgeordneter, ein ehemaliger Leiter einer regionalen Militärverwaltung, ein Kommandeur einer Einheit der Nationalgarde sowie mehrere Unternehmer.
- An der Front in der nordöstlichen Region Charkiw kämpfen nach Angaben des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj auch Söldner aus China, Pakistan und afrikanischen Ländern für Russland. Dies hätten ihm seine Soldaten bei einem Besuch dort berichtet.
- Der ukrainische Inlandsgeheimdienst SBU hat nach eigenen Angaben einen russischen Militärflughafen auf der Halbinsel Krim angegriffen. Ein Kampfjet vom Typ Su-30 sei bei dem Angriff in der Nacht zu Montag vollständig zerstört worden, teilt der Geheimdienst mit.
- Die russischen Streitkräfte planen offenbar, ihre Drohnenoperationen von den besetzten Gebieten aus auszuweiten – insbesondere vom Flughafen Donezk. Das berichtet das Institute for the Study of War (ISW) in seiner aktuellen Analyse unter Berufung auf Satellitenaufnahmen.
- US-Präsident Donald Trump schickt seinen Sondergesandten Steve Witkoff wohl zur Wochenmitte nach Russland. Witkoff werde „vielleicht Mittwoch oder Donnerstag“ dorthin reisen, sagte Trump vor Journalisten vor einem Rückflug nach Washington.
- Nach dem islamistischen Terroranschlag auf eine Moskauer Konzerthalle mit mehr als 140 Toten im März 2024 verhandelt ein russisches Militärgericht gegen die mutmaßlichen Attentäter und Komplizen. Der Islamische Staat hat sich verantwortlich erklärt – doch Russlands Führung sucht die Schuld weiterhin in der Ukraine. Mehr hier.
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