
© IMAGO/ZUMA Wire/IMAGO/Mykhaylo Palinchak
Ukraine-Invasion, Tag 1337: Der Mann, der Familien die Nachricht von gefallenen Soldaten überbringt
Selenskyj fordert von Europäern bei Gipfel weitreichende Raketen, Moskau will Ausgaben für staatliche Propaganda erhöhen. Der Nachrichtenüberblick am Abend.
Stand:
Im Februar hatte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj die Zahl der im Krieg Gefallenen mit mehr als 46.000 angegeben, die Dunkelziffer dürfte weitaus höher liegen. Die Angehörigen von vermissten Soldaten bangen oft Monate, bis sie vom Schicksal ihrer Liebsten erfahren. Der britische „Telegraph“ hat in Lwiw nun einen Mann getroffen, der den Familien die Todesnachricht überbringt. Seine Kameraden sagen, er habe den schlimmsten Job in der Armee (Quelle hier).
Major Laziuk hat schon an viele Türen geklopft, leichter wird die Aufgabe für ihn aber auch nach dreieinhalb Jahren Krieg nicht. Manchmal muss er sogar zwei bis drei Todesnachrichten pro Tag überbringen – und er tut dies immer persönlich. Dem „Telegraph“ erzählte, dass es besonders schwierig sei, „wenn die Menschen noch Hoffnung“ hätten: „Sie denken, dass vielleicht ein Fehler vorliegt.“
Die Einheit des Majors arbeitet für das örtliche Rekrutierungsbüro. Vor dem Krieg war der Mann für ein Architekturbüro tätig. Wenn er vom Tod eines Soldaten erfährt, dann ruft er die Verwandten vorher an und teilt ihnen mit, dass er ihnen persönlich einen versiegelten Brief übergeben muss. So besagen es die Vorschriften. Auch nach der Überbringung der Nachricht bleibt der Soldat an der Seite der Familien: Er organisiert die Rückführung des Leichnams, nimmt auch an Beerdigungen teil.
Major Laziuk sagt, die Menschen reagierten sehr unterschiedlich auf eine solche Todesnachricht: Manche bleiben ruhig, andere weinen, und wieder andere brechen zusammen. Manchmal, so sagt er, seien Partner oder Eltern schon vorbereitet, weil sie Kontakt mit Soldaten an der Front hatten. Dann sei seine Aufgabe einfacher.
Aber auch an ihm selbst geht seine Arbeit nicht spurlos vorüber. Den „Telegraph“-Reportern berichtete er von Herzklopfen und zitternden Händen zu Beginn seines Jobs. Durch Therapiesitzungen kann er inzwischen besser damit umgehen. Dennoch sehnt er sich nach einem Ende des Krieges, auch wenn seine Arbeit auch lange Zeit danach nicht getan sein dürfte.
Warum er das alles macht? Als Mitglied der ukrainisch-orthodoxen Kirche sehe er es als seine Berufung an, Familien zu unterstützen: „Sie haben weniger Angst, wenn ich da bin.“
Die wichtigsten Nachrichten des Tages:
- Einem Bericht des „Wall Street Journal“ zufolge haben die USA ukrainische Angriffe auf Russland mit weitreichenden westlichen Waffen freigegeben. US-Präsident Donald Trump aber spricht von Fake News – während Kiew aber einen Marschflugkörper-Einsatz meldet. Mehr hier.
- Moskau will die Ausgaben für staatliche Propaganda in den Medien auf ein neues Rekordniveau erhöhen. Das geht aus einem Bericht der russischen Zeitung „Moscow Times“ hervor. Die Online-Zeitung schreibt, dass der Kreml für die Finanzierung staatlicher Medien im kommenden Jahr Ausgaben von 146,3 Milliarden Rubel (etwa 1,55 Milliarden Euro) einplant. Mehr hier.
- Russland hat parallel zu einer laufenden Atomübung der Nato in Europa ein eigenes großangelegtes Manöver seiner strategischen Nuklearstreitkräfte gestartet. Es handle sich um eine planmäßige Militärübung, betonte Kremlchef Wladimir Putin, der den Start per Videoschalte befahl. Mehr hier.
- Die EU-Staaten haben sich kurz vor ihrem heutigen Gipfeltreffen auf eine weitreichende Verschärfung der Sanktionen gegen Russland verständigt. Die Pläne sehen unter anderem vor, Russlands Einnahmen aus dem Verkauf von Gas und Öl weiter zu reduzieren. Mehr hier.
- Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat die europäischen Verbündeten eindringlich darum gebeten, die Lieferung von Waffen mit größerer Reichweite zu ermöglichen. „Ich fordere Sie dringend auf, alles zu unterstützen, was der Ukraine dabei hilft, solche Fähigkeiten zu erlangen – denn das macht für Russland einen großen Unterschied“, sagte er beim EU-Gipfel. Mehr in unserem Newsblog.
- In Großbritannien sind drei Männer festgenommen worden, die russischen Geheimdiensten geholfen haben sollen. Die Männer im Alter von 44, 45 und 48 Jahren befänden sich in Gewahrsam und würden von der Anti-Terror-Polizei wegen mutmaßlicher Verstöße gegen das nationale Sicherheitsgesetz verhört, teilte die Polizei in London mit.
- Zur Abwehr vor Spionage und Desinformation schränkt die EU die Bewegungsfreiheit russischer Diplomaten und Konsularbeamter sowie ihrer Mitarbeiter und Familienangehörigen ein. Wie aus dem aktuellen Amtsblatt der EU hervorgeht, müssen sie Reisen zwischen Mitgliedstaaten ab dem 25. Januar mindestens 24 Stunden vorab in den Ziel- und Durchreiseländern anmelden.
- Ein ukrainischer Drohnenangriff hat im russischen Rjasan eine große Ölraffinerie getroffen und einen Brand ausgelöst. Offiziell teilte Gouverneur Pawel Malkow mit, dass über dem Gebiet Rjasan 14 Drohnen abgefangen worden seien. „Durch herabfallende Trümmer gab es einen Brand auf dem Gelände eines Industriebetriebs“, schrieb er auf Telegram.
- Russische Soldaten haben nach ukrainischen Angaben sechs Zivilisten im Dorf Zwaniwka in der Region Donezk erschossen. Das teilte die Staatsanwaltschaft des Gebiets Donezk mit. Die Angreifer drangen demnach in zwei Keller ein, in denen sich Familien versteckt hätten. Dort seien diese zum Aufenthaltsort ukrainischer Soldaten im Dorf befragt worden.
- Bei einem russischen Drohnenangriff auf Kiew sind nach Behördenangaben neun Menschen verletzt worden. In der gesamten Hauptstadt seien Gebäude beschädigt worden, sagt der Chef der Kiewer Militärverwaltung, Tymur Tkatschenko. Zwei Wohnhäuser seien direkt getroffen worden.
- Der stellvertretende Vorsitzende des russischen Sicherheitsrates, Dmitri Medwedew, hat US-Präsident Donald Trump scharf angegriffen. In einem Beitrag auf Telegram erklärte Medwedew, Trump habe sich durch die Verhängung von Sanktionen gegen große russische Ölunternehmen „auf die Seite Europas geschlagen“.
- Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat sich erleichtert über die von den USA verhängten Sanktionen geäußert. „Darauf haben wir gewartet. So Gott will, wird es funktionieren“, sagte Selenskyj. Auch die EU-Sanktionen lobte er: „Diese Entscheidung über das 19. Sanktionspaket ist für uns von enormer Bedeutung.“
- Russland hat nach eigenen Angaben zwei weitere Dörfer im Südosten der Ukraine sowie eine Insel im Süden des Landes eingenommen. Die Streitkräfte kontrollieren nun Pawliwka in der Region Saporischschja und Iwaniwka in der Region Dnipropetrowsk, teilte das Verteidigungsministerium in Moskau am Mittwoch mit.
Hintergrund und Analyse
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: