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Ein Bürostuhl steht im Korridor eines Kellergeschosses in einem Gebäude, das nach Angaben eines Staatsanwalts für Kriegsverbrechen von russischen Streitkräften als Folterstätte genutzt wurde (Symbolbild).

© dpa / dpa/AP/Evgeniy Maloletka

Ukraine-Invasion Tag 461: Die Folterer von Cherson

Drohnenangriffe auf Moskau, Hochhausbrand nach russischem Drohnenangriff in Kiew, 1,5 Millionen russische Pässe für Einwohner besetzter Gebiete. Der Überblick am Abend.

Neun Monate stand die südukrainische Stadt Cherson unter russischer Besatzung, bis sie im November vergangenen Jahres befreit wurde. Damals machten schnell Berichte über Folterkammern und Misshandlungen von Gefangenen in Straflagern in der Region die Runde. Die „New York Times“ berichtet jetzt von einem Fall, der nun vor Gericht kommen soll.

Demnach hat die ukrainische Staatsanwaltschaft in der vergangenen Woche angekündigt, den Kommandanten eines Gefangenenlagers und drei seiner Untergebenen, alle Mitglieder der russischen Nationalgarde, wegen Kriegsverbrechen anzuklagen. Sie leiteten ein Untersuchungsgefängnis. Es sei einer der ersten Fälle dieser Art, bei denen monatelange Ermittlungen zu den Anklagen führten. 

Zwei Männer und eine Frau starben in dem Lager. Einige der überlebenden Opfer hätten dabei geholfen, die Männer zu identifizieren – und unter anderem die „New York Times“ hat nun mit ihnen gesprochen. So berichtet der 38-jährige Seemann Oleksij Siwak, dass er während der Verhöre geschlagen wurde und Elektroschocks verpasst bekam, auch an den Genitalien. „Auf jede Frage folgte ein Elektroschock oder ein Schlag“, sagte er. „Wenn man vom Elektroschock auf den Boden fiel, traten sie einen und setzten einen wieder auf den Stuhl.“

Auch Roman Shapovalenko, ebenfalls 38, war in der Untersuchungshaftanstalt. Er berichtet ebenfalls von Schlägen und Elektroschocks, die ihm die Rippen brachen. Einmal hätten ihm seine Peiniger ins Bein gestochen und seien ihm auf die Brust gesprungen. Zudem habe er während einer Wasserfolter mehrmals das Bewusstsein verloren. Die schmerzhafteste Folter nannte er Elektroschocks an den Ohrläppchen. „Man sieht Blitze in den Augen“, sagte er. „Ich konnte drei Tage lang nicht schlafen.“

Einer der beiden Männer, die in dem Lager starben, war Shapovalenkos Zellengenosse. Drei bis vier Tage wurde er demnach verhört. Als er zurück in die Zelle kam, wurde er immer und immer wieder geweckt. Am vierten Tag hätten die Wachen ihn schlafen lassen, aber bereits kurz darauf starb er.

Die wichtigsten Nachrichten des Tages:

  • Die russische Hauptstadt Moskau und ihre Außenbezirke sind am Morgen zum Ziel mehrerer Drohnenangriffe geworden. In sozialen Netzwerken werden Augenzeugen zitiert, wonach es mehrere Explosionen gegeben habe. Die Ukraine wies eine Beteiligung zurück. „Natürlich sind wir nicht direkt daran beteiligt“, sagte Präsidentenberater Mychajlo Podoljak. Mehr dazu lesen Sie hier.
  • Mit Blick auf die sogenannte Kampfjet-Koalition für die Ukraine hat der Verteidigungsminister des Landes, Oleksij Resnikow, eine deutsche Unterstützung mit Eurofighter-Kampfjets vorgeschlagen. „Wenn Großbritannien und Deutschland ihre Kapazitäten beim Eurofighter zusammenlegen würden, wäre das ein wichtiger Schritt“, sagte er der Funke Mediengruppe. Mehr dazu hier.
  • Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat bei einem Besuch in Litauen die Unterstützung Deutschlands für das an Russland grenzende Nato-Mitgliedsland bekräftigt. „Wir stehen Seite an Seite! Ihre Sicherheit ist auch unsere!“, sagte Steinmeier laut Redemanuskript. Mehr dazu erfahren Sie hier.
  • Russland hat nach eigenen Angaben an Bewohner besetzter ukrainischer Gebiete knapp 1,5 Millionen russische Pässe ausgegeben. Seit vergangenem Oktober hätten „fast 1,5 Millionen Menschen aus den neuen Regionen russische Pässe erhalten“, sagte Ministerpräsident Michail Mischustin. Mehr dazu im Newsblog.
  • Kanzler Olaf Scholz hat bei einem Telefonat mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj die russischen Luftangriffe auf zivile Ziele verurteilt. Er habe zudem weitere deutsche Unterstützung zugesagt, in enger Abstimmung mit europäischen und internationalen Partnern, so Regierungssprecher Steffen Hebestreit.
  • Der ukrainische Botschafter in Deutschland, Oleksii Makeiev, schließt jegliche territoriale Zugeständnisse seines Landes an Russland aus. „Russland muss all die besetzten Gebiete verlassen“, sagte Makeiev den Sendern RTL und ntv. 
  • Die russischen Regierungsfinanzen sind nach Einschätzung britischer Geheimdienstexperten durch Militärausgaben unter Druck. Das geht aus dem täglichen Geheimdienstbericht des Verteidigungsministeriums in London hervor.
  • Der Chef der Wagner-Gruppe, Jewgeni Prigoschin, hat Berichte über angebliche Putschpläne gegen die Kreml-Führung offenbar zurückgewiesen. Das berichtet das „Institute for the Study of War“. In seinem jüngsten Bericht schreibt der US-Thinktank unter Berufung auf eine Veröffentlichung von Prigoschins Pressedienst, dass der Söldner-Chef auf fehlendes Personal für einen Putsch verwiesen habe.
  • Selenskyj hat Südkorea um Flugabwehr- und Frühwarnsysteme gebeten. „Ich weiß, dass es bei der Unterstützung mit Waffen viele Einschränkungen gibt, aber diese Prinzipien sollten nicht auf Verteidigungssysteme und Ausrüstung zum Schutz unserer Werte angewandt werden“, sagte er der Tageszeitung „Chosun Ilbo“.
  • US-Präsident Joe Biden hat ein Junktim zwischen dem Wunsch der Türkei nach amerikanischen F16-Kampfjets und der von den USA gewünschten Nato-Aufnahme Schwedens hergestellt. Biden sagte in Washington, dies habe er in einem Telefonat mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan nach dessen Wiederwahl deutlich gemacht.
  • Bei einem Hochhausbrand in Kiew durch herabfallende Trümmer eines zerstörten russischen Flugkörpers ist offiziellen Angaben zufolge mindestens eine Person ums Leben gekommen. Eine weitere Person liege im Krankenhaus und zwei weitere seien verletzt, teilte der Bürgermeister der Stadt, Vitali Klitschko, mit.

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