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Ukraine-Invasion, Tag 828: Warum ukrainische Kommandeure mit der Truppenausbildung hadern
Ukrainischer Versorger kündigt Stromsperren für die ganze Woche an, Moskau droht USA mit Konsequenzen wegen Schäden an Raketenfrühwarnsystem. Der Überblick am Abend.
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Neben dem Munitionsmangel ist auch der Mangel an Rekruten bei den Ukrainern ein Grund dafür, dass es den russischen Truppen derzeit gelingt, leichter vorzurücken. Inzwischen ist das neue ukrainische Mobilisierungsgesetz in Kraft, sodass in den nächsten Monaten neue Soldaten an die Front kommen könnten. Die Probleme der Truppen sind damit aber noch lange nicht gelöst, wie ein Bericht der „Washington Post“ nun zeigt.
Demnach gehen die Kommandeure an der Front davon aus, dass die meisten der neuen Soldaten schlecht ausgebildet an die Front kommen dürften. Denn diese Erfahrungen hätten sie bereits in den vergangenen Wochen gemacht. Um die Zahl der Mobilisierten geringer zu halten, wurden nämlich Männer an die Front geschickt, die seit Beginn des Krieges eher an rückwärtigen Stellungen eingesetzt worden waren – etwa zur Bewachung von Brücken und anderer Infrastruktur. Kampf- oder Schießerfahrung haben diese offenbar nur in geringem Umfang.
„Wir hatten Leute, die nicht einmal wussten, wie man ein Gewehr auseinander- und zusammenbaut“, sagte ein 28-jähriger stellvertretender Bataillonskommandeur der 93. mechanisierten Brigade der „Washington Post“. Er habe die erste Woche damit verbracht, dass jeder der versetzten Soldaten täglich mindestens eine Schachtel Kugeln abfeuert, bevor er andere Aufgaben bekam. „Wir vergeuden hier nur eine Menge Zeit mit der Grundausbildung“, fügte er hinzu.
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Einer, der bislang zur Bewachung einer Brücke in der südlichen Region Odesa eingeteilt war, ist ein Soldat mit dem Rufnamen Val. Am 30. April wurde er an die Front versetzt und nach Donezk abkommandiert. Er habe nicht einmal Zeit gehabt, seine Sachen zu packen, heißt es in dem Bericht. „Es ist beängstigend“, sagte der 31-Jährige. „Niemand war wirklich vorbereitet.“
Was in den ukrainischen Ausbildungszentren gelehrt werde, sei „völliger Unsinn“, sagte ein 32-jähriger Soldat mit dem Rufzeichen Chirva. Alles, was man brauche, werde vor Ort gelehrt. Dass es bei der Ausbildung hakt, das weiß auch ein Offizier, der mit dieser betraut ist. In den Ausbildungszentren sei oft nur wenig Munition zum Training vorhanden, weil sie für die Einheiten an der Front aufbewahrt werde, sagte er der „Washington Post“. Sein Ausbildungszentrum etwa habe nur 20 Kugeln pro Person erhalten – und auch an Granaten fehle es.
Genau deshalb setzt der ukrainische Generalstab auch vermehrt darauf, Soldaten zur Ausbildung ins Ausland zu schicken. Die Kommandeure vor Ort sind dennoch froh, wenn neue Soldaten an die Front kommen – selbst schlecht ausgebildete. Denn einige Einheiten mussten mitunter monatelang ohne Verstärkung auskommen.
Die Nachrichten des Tages im Überblick
- Nach massiven russischen Angriffen hat der ukrainische Energieversorger Ukrenergo von diesem Montag an viele Stromabschaltungen für die ganze kommende Woche angekündigt. Wegen der Engpässe werde es Stromabstellungen innerhalb des ganzen Tages geben, vor allem am Morgen und in den Abendstunden, sagte der Chef des Energieversorgers, Wolodomyr Kudryzkyj, im ukrainischen Fernsehen. Mehr dazu hier.
- Moskau droht den USA mit Konsequenzen wegen der mutmaßlich durch ukrainische Angriffe verursachten Beeinträchtigungen am russischen Raketenfrühwarnsystem. „Die Antworten können asymmetrisch sein“, sagte Vizeaußenminister Sergej Rjabkow in Moskau. „Das Kiewer Regime hat nicht zum ersten Mal versucht, das normale Funktionieren wichtiger Kettenglieder unserer Militärorganisation zu zerstören“, wurde Rjabkow am Montag von der staatlichen Nachrichtenagentur Tass zitiert. Mehr dazu hier.
- Bei nächtlichen russischen Angriffen im Osten der Ukraine sind auch in der Region Donezk im Donbass zwei Menschen getötet worden, darunter ein zwölfjähriger Junge. In der Region Charkiw im Nordosten wurde nach Behördenangaben eine Zivilperson getötet. Mehr dazu im Newsblog.
- Nach Vorwürfen des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj hat China bestritten, andere Länder von der Teilnahme an der Ukraine-Friedenskonferenz in der Schweiz abzuhalten. „Chinas Position ist offen und transparent und es gibt absolut keinen Fall, in dem wir Druck auf andere Länder ausüben“, sagte Pekings Außenamtssprecherin Mao Ning am Montag.
- Russland verleiht seiner Drohung Nachdruck, dass ein Einsatz von US-Waffen für Angriffe auf sein Territorium schwerwiegende Konsequenzen haben könnte. Vize-Außenminister Sergej Rjabkow sagt laut der Nachrichtenagentur RIA, er warne die US-Führung vor Fehlkalkulationen, die fatale Folgen haben könnten. Die Amerikaner unterschätzten aus ihm unerklärlichen Gründen, wie ernst eine Reaktion ausfallen könnte.
- Der ukrainische Präsident Selenskyj wird am anstehenden Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs der G7-Länder in Italien teilnehmen. Es gebe „keinen Zweifel, dass er dort sein wird“, sagte Selenskyjs Sprecher Serhij Nikiforow am Montag im ukrainischen Fernsehen. Leider könne er aber „weder bestätigen noch dementieren“, dass der Präsident „körperlich“ anwesend sein werde.
- Soldaten der russischen Achmat-Spezialkräfte sind in die Region Belgorod verlegt worden. Sie sollen von dem Gebiet nahe der Grenze zur ukrainischen Region Charkiw aus agieren, berichtete die russische Nachrichtenagentur Tass am Montag unter Berufung auf Apta Alaudinow, den Kommandeur der Achmat-Spezialkräfte.
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