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Armut in den russisch besetzten Gebieten.

© imago/ITAR-TASS / Stanislav Krasilnikov

Ukraine-Invasion Tag 874: Wie einkommensschwache Regionen in Russland von der Kriegswirtschaft profitieren

USA unterstützen Vorschlag für Friedensgipfel mit Russland. Ukraine will fast 100 russische Webseiten gehackt haben. Der Nachrichtenüberblick am Abend.

Stand:

Als der Westen wegen des Kriegs Sanktionen gegen Russland erließ, gab es auch die Hoffnung, dass diese dazu beitragen würden, die Bevölkerung des Landes gegen den Krieg aufzubringen. Doch dieser Plan ging nicht auf – nicht nur, weil die Sanktionen nur geringe Wirkung zeigten, sondern weil so manche russische Region von der Kriegswirtschaft profitiert, wie ein Bericht der „Financial Times“ zeigt (Quelle hier).

Demnach haben vor allem die ehemaligen Industrieregionen, wie etwa Tschuwaschien in Zentralrussland, einen Aufschwung erlebt. Einkommensschwache und wenig entwickelte Regionen sind also plötzlich die, in die das Geld fließt. Und Menschen, die einst kaum verdienten oder gar arbeitslos waren, finden sich in einer besseren finanziellen Situation wieder. So wie der Fabrikarbeiter Anton. Dem 37-Jährigen ist schmerzhaft bewusst, dass sein höherer Gehaltscheck nur deshalb zustande kommt, weil Russland die Ukraine angegriffen hat.

Die Aufträge in dem Metallwerk, in dem Anton arbeitet, begannen im Herbst 2022 zu steigen. Der Moment „war ein klarer Wendepunkt. Da wurde dem Regime klar, dass dies kein kurzer Krieg sein würde“, sagte Laura Solanko vom Institut für Ökonomien im Wandel der Bank von Finnland der „Financial Times“. Fabriken in ganz Russland stellten damals auf Kriegswirtschaft um. In Tschuwaschien etwa erfüllten vor dem Krieg sieben Fabriken Aufträge für die Streitkräfte. Bis Oktober 2022 war die Zahl auf 36 gestiegen. Die Arbeitslosenquote sank wiederum bis August letzten Jahres auf 2,2 Prozent.

Dass die russische Wirtschaft nur deshalb wächst, weil sie wegen des Kriegs aufgebläht ist, scheint dabei auch so manchem Arbeiter in den wiederbelebten sowjetischen Fabriken klar zu sein. Mehrere Arbeiter in Tschuwaschien sagten, sie rechneten nicht damit, dass der Aufschwung anhalten werde. Nutzen wollen sie es dennoch. „Wir müssen arbeiten, solange wir die Gelegenheit dazu haben“, sagt einer.

Die wichtigsten Nachrichten des Tages im Überblick:

  • US-Präsidentschaftskandidat Donald Trump ist im Fall eines Wahlsiegs laut Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán unmittelbar zu Friedensvermittlungen zwischen Russland und der Ukraine bereit. Das teilte Orban nach seinem Treffen mit Trump vergangene Woche in einem Brief an die EU-Staats- und Regierungschefs mit, der am Dienstag bekannt wurde. Mehr hier.
  • Der ukrainische Stromnetzbetreiber Ukrenergo hat mitten in einer Hitzewelle und nach Ausfällen von Energieanlagen mit der Notabschaltung in sieben Regionen begonnen. Betroffen seien Charkiw, Sumy, Poltawa, Saporischschja, Donezk, Dnipropetrowsk und Kirowohrad, teilt das Unternehmen auf Telegram mit. Mehr hier.
  • Die Luftwaffe hat bei einer großen Militärübung in Alaska erstmals mit dem US-Raketenwerfer Himars trainiert. Der Einsatz fand im Rahmen der Militärübung Arctic Defender statt. Für die Ukraine will Deutschland drei weitere dieser Systeme finanzieren. Mehr hier.
  • EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen reagiert auf die Alleingänge von Ungarns Regierungschef Viktor Orbán in der Ukraine-Politik. Die deutsche Spitzenpolitikerin ließ ankündigen, dass an künftigen informellen Ministertreffen unter der Leitung der derzeitigen EU-Ratspräsidentschaft in Ungarn keine Kommissarinnen oder Kommissare, sondern nur ranghohe Beamte teilnehmen werden. Mehr hier.
  • Der ukrainische Militärgeheimdienst (HUR) will am 16. Juli einen großangelegten Cyberangriff auf Russland gestartet haben. Das berichtet der „Kyiv Independent“. Fast 100 russische Websites, die aktuell die Kriegsanstrengungen des Kremls unterstützen, sollen davon betroffen sein. Mehr in unserem Newsblog.
  • 66 Prozent der ukrainischen Bürger glauben, dass Russland mit militärischen Mitteln besiegt werden kann. Dies geht aus einer Umfrage hervor, die das Razumkov-Zentrum vom 20. bis 28. Juni 2024 im Auftrag von ZN.UA durchgeführt hat.
  • Der Kreml hat verhalten auf eine Äußerung des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj reagiert, wonach russische Vertreter bei einem zweiten Ukraine-Friedensgipfel anwesend sein sollten. „Man muss erst einmal verstehen, was er (Selenskyj) damit meint“, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow. „Der erste Friedensgipfel war überhaupt kein Friedensgipfel“, betonte er.
  • Erneut sind russische Kampfdrohnen nach Kiewer Militärangaben über die Ukraine hinweg in den Luftraum von Moskaus Bündnispartner Belarus geflogen. Die ukrainische Luftwaffe meldete bereits den vierten derartigen Vorfall seit dem 11. Juni.
  • Masha Gessen ist von einem russischen Gericht in Abwesenheit zu acht Jahren Gefängnis verurteilt worden. Wie der Moskauer Gerichtsdienst am Montag mitteilte, wurde Gessen wegen der „wissentlichen Verbreitung von Falschinformationen über den Einsatz der russischen Armee“ verurteilt. 
  • Die USA unterstützen den Vorschlag des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, nun auch russische Vertreter zu einer zweiten Friedenskonferenz einzuladen. „Es ist an der Ukraine zu entscheiden, wann und wie und in welchem Zustand sie diplomatische Verhandlungen unternimmt“, sagte der Sprecher des US-Außenministeriums, Matthew Miller, in Washington.
  • Ein ukrainischer Drohnenangriff verursacht nach russischen Angaben einen Brand in einer Fabrik für Elektrogeräte und -komponenten in der russischen Region Kursk. Der Angriff hat sich Behördenangaben zufolge in der Stadt Korenewo ereignet. 

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