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Ein ukrainischer Soldat im schwer zerstörten Tschassiw Jar.

© AFP/ANATOLII STEPANOV

Ukraine-Invasion, Tag 896: Kiew rechnet mit baldigem Ende von russischer Offensive

Ukraine stößt bei Gegenangriff auf russisches Gebiet bei Kursk vor, Niger setzt diplomatische Verbindungen zur Ukraine aus. Der Nachrichtenüberblick am Abend.

Stand:

Mitte Mai hatte Russland im nördlichen Teil der Region Charkiw seine jüngste Offensive gestartet. Dabei gelang es der russischen Armee, mehrere ukrainische Grenzdörfer zu besetzen. Ein großer Durchbruch blieb hingegen aus. Der ukrainische Militärgeheimdienst geht davon aus, dass diese Offensive innerhalb der nächsten anderthalb bis zwei Monate deutlich an Intensität verlieren wird, wie die Zeitung „Kyiv Independent“ berichtet (Quelle hier).

Die Erfahrung aus dem bisherigen Kriegsverlauf zeige, „dass das Potenzial für eine Offensive auf jeder Seite nicht länger als zwei Monate anhält“, sagte Geheimdienstchef Kyrylo Budanow. Der russische Vorstoß dauere bald drei Monate an. „Also wird es ein gewisses Nachlassen geben“, so Budanow. Olexandr Piwnenko, der Chef der ukrainischen Nationalgarde, hatte im Juli eine ähnliche Einschätzung abgegeben. Er sagte damals, er rechne mit einem Nachlassen der Offensive binnen eineinhalb Monaten.

Militärexperten gehen davon aus, dass die Bodenoffensive auf Charkiw vor allem dazu dient, von anderen Frontabschnitten abzulenken und die ukrainischen Reserven zu binden. In der Zwischenzeit eroberte Russland nämlich mehrere Orte in der Region Donezk und stieß weiter auf die Städte Tschassiw Jar und Pokrowsk vor. Nach einer „kleinen Kampfpause“ werde Russland erneut versuchen, anzugreifen, sagte Budanow. „Wir bereiten uns darauf vor.“

Er sprach sich dafür aus, „proaktiv“ zu handeln, statt abzuwarten. Im Mai hatte der Chef des Militärgeheimdiensts erklärt, er gehe davon aus, dass Russland in der Region Sumy an der russischen Grenze eine neue Offensive starten werde. Am Dienstag hatte Moskau schwere ukrainische Angriffe auf die russische Region Kursk gemeldet – ein Gebiet, das direkt an Sumy grenzt.

Die wichtigsten Nachrichten des Tages:

  • Angesichts der seit Dienstag anhaltenden Angriffe ukrainischer Kräfte auf die westrussische Grenzregion Kursk hat Russlands Präsident Wladimir Putin Kiew eine „groß angelegte Provokation“ vorgeworfen. Dies sagte Putin am Mittwoch in einem im Fernsehen übertragenen Treffen mit Regierungsvertretern. Die Ukraine feuere „wahllos, mit Waffen verschiedener Art, auf zivile Gebäude, Wohnhäuser und Krankenwagen“. Mehr hier.
  • Der russische Oppositionspolitiker Wladimir Kara-Mursa, der im Gefangenenaustausch mit Russland freikam, glaubte bis zuletzt, dass er niemals wieder freikäme. „Ich war mir absolut sicher, dass ich im Gefängnis sterben werde“, berichtet er im Interview mit der „Zeit“. Mehr hier.
  • Die Ukraine will nach den Worten von Präsident Wolodymyr Selenskyj die Produktion von Drohnen als wichtiges Mittel zur Kriegsführung ausbauen. „Für dieses Jahr sind bereits eine Million Drohnen bei unseren Herstellern in Auftrag gegeben worden“, sagte Selenskyj in seiner abendlichen Videoansprache. Mehr hier.
  • Nach den massiven Angriffen von ukrainischer Seite auf die Region Kursk ist die Lage im Grenzgebiet der Kriegsparteien nach Behördenangaben gespannt. Es gibt mindestens drei Tote und 28 Verletzte unter Zivilisten, wie russische Medien nach Angaben von Behörden und Ärzten meldeten. Mehr in unserem Newsblog.
  • Der beim Gefangenenaustausch zwischen Russland und westlichen Staaten freigekommene Moskauer Menschenrechtler Oleg Orlow will seine Bürgerrechtsarbeit auch im Exil fortsetzen. „Memorial kann man nicht zerstören“, sagte der 71-Jährige bei einer Pressekonferenz im Zentrum Liberale Moderne in Berlin. 
  • In der Nacht zum Mittwoch ist eine von den russischen Streitkräften eingesetzte Rakete nordkoreanischer Bauart abgestürzt. Der „Defense Express“ hatte darüber berichtet. Die ballistische Rakete des Typs KN-23 sei in einem Waldstück nahe der nordukrainischen Stadt Brovary niedergegangen.
  • Der Vatikan schickt weiterhin Hilfsgüter in die Ukraine. Am Donnerstag werde ein Lastwagen mit Kleidung, Medikamenten und Lebensmitteln, insbesondere haltbarem Thunfisch, in Rom aufbrechen, berichtet das Portal Vatican News am Mittwoch. Seit Beginn des Krieges liefert der Vatikan regelmäßig Lebensmittel und Medikamente in die Ukraine.
  • Die ukrainische Luftwaffe hat nach eigenen Angaben 30 russische Drohnen abgefangen und zerstört. Das seien alle Drohnen, die die russischen Truppen in der Nacht auf Ziele in sieben Regionen abgefeuert hätten, erklärt die ukrainische Luftwaffe auf dem Kurzmitteilungsdienst Telegram. 
  • Der Ukraine-Krieg hat auch Auswirkungen auf die Beziehungen in Westafrika: Nach Mali hat nun der benachbarte Niger seine diplomatischen Verbindungen zur Ukraine ausgesetzt. Die Regierung in Niamey beschließe dies „in voller Solidarität“ mit Mali, sagte der nigrische Regierungssprecher Amadou Abdramane in einer im Staatsfernsehen verlesenen Erklärung.
  • Nach zunehmendem Druck aus dem Kreml hat sich eine führende Aktivistin aus dem Kampf für die Rückkehr von russischen Soldaten von der Front in der Ukraine zurückgezogen. Maria Andrejewa, eine der Anführerinnen der Gruppe Put Domoy (Rückkehr nach Hause), sagte am Dienstag der Nachrichtenagentur AFP, sie werde ihre öffentlichen Auftritte einstellen und sich „in den Untergrund begeben“. 

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