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Ukraine-Invasion, Tag 926: War der FSB zu sehr durch Streitigkeiten abgelenkt, um die Kursk-Offensive zu bemerken?
Selenskyj wirbt in Deutschland für mehr Waffen - mit Erfolg. Moskau meldet Einnahme weiterer Ortschaft in der Region Donezk. Der Nachrichtenüberblick am Abend.
Stand:
Warum Moskau die ukrainische Offensive in der russischen Grenzregion Kursk nicht hat kommen sehen, darüber gibt es zahlreiche Mutmaßungen. Eine, über die wir an dieser Stelle berichtet hatten, war, dass Generalstabschef Waleri Gerassimow Geheimdienstwarnungen ignoriert haben soll (hier nachzulesen). Die „New York Times“ wiederum berichtet nun, es könnte der Geheimdienst FSB selbst gewesen sein, der die Bedrohung nicht ernst genommen habe (Quelle her).
Denn der FSB, so heißt es in dem Bericht, habe am Tag des Vorstoßes die ernste Lage heruntergespielt, sie als „bewaffnete Provokation“ bezeichnet und erklärt, die russischen Streitkräfte arbeiteten daran, die ukrainischen Soldaten zurückzudrängen. Experten gingen daher davon aus, dass der Geheimdienst trotz seines weit verzweigten Agentennetzes und enormen Budgets den Einmarsch nicht vorhergesehen habe.
Dabei habe es deutliche Anzeichen im Vorfeld für die Offensive gegeben, russische Blogger hätten unter Berufung auf Anwohner auf ukrainischer Seite von einer massiven Aufrüstung der ukrainischen Streitkräfte berichtet. „Wir sprechen von vielen, vielen Einheiten, die etwas hätten erkennen müssen und versagt haben“, sagte Andrei Soldatow, ein Autor, der sich mit der Erforschung der russischen Sicherheitsdienste beschäftigt hat.
Der FSB aber sei durch interne Streitigkeiten, Rivalitäten mit anderen Sicherheitsbehörden und der Abneigung, Präsident Wladimir Putin schlechte Nachrichten zu überbringen, abgelenkt. Und so sei Kursk nicht die erste Panne dieser Art gewesen, ein weiteres Beispiel sei der Aufstand der Söldnergruppe Wagner unter Jewgeni Prigoschin gewesen.
Sichtbare Konsequenzen für den Geheimdienst habe es weder damals noch heute gegeben. Denn trotz der Misserfolge könne Putin nicht auf den FSB verzichten. „Das ist die Lektion, die er von Stalin gelernt hat“, sagte Soldatow. „Während eines Krieges kann man seine Behörden nicht bestrafen, denn das könnte für einen selbst noch gefährlicher werden.“
Putin hatte erklärt, dass eine Bewertung der Fehler, die im Falle von Kursk gemacht wurden, erfolgen soll, wenn sich die Lage in der russischen Grenzregion stabilisiert habe. Ob man dann aber wirklich erfahren wird, was dazu führte, dass die Russen so überrascht wurden, das mag bezweifelt werden.
Die wichtigsten Nachrichten des Tages:
- Angesichts der schwierigen Lage an der Front und massiver russischer Luftangriffe ist der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj nach Ramstein gereist, um beim Treffen der Ukraine-Kontaktgruppe persönlich für mehr Hilfe zu werben. Nötig seien „mehr Waffen“, sagte er. Außerdem müsse seine Armee die vom Westen gelieferten Langstreckenwaffen auch für Angriffe auf Ziele in Russland nutzen dürfen. Mehr hier.
- Russland soll während der rund einmonatigen Offensive der ukrainischen Streitkräfte in der russischen Region Kursk 6000 Soldaten durch Tod oder Verwundung verloren haben. Das teilte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj auf dem Treffen in Ramstein am Freitag mit. Mehr in unserem Newsblog.
- Russland meldet die Einnahme einer weiteren Ortschaft in der ostukrainischen Region Donezk. Die Streitkräfte hätten die Kontrolle über das Dorf Schurawka übernommen, teilt das Verteidigungsministerium in Moskau mit.
- Der ukrainische Energieminister Herman Haluschtschenko hat Befürchtungen zu Stromausfällen von bis zu 20 Stunden täglich oder gar einem drohenden Blackout im kommenden Winter zurückgewiesen. „Wenn es keine (russischen) Angriffe geben wird, die das Energiesystem kritisch beeinflussen, werden wir normal durch den Winter kommen“, sagte der Minister bei einer Fragestunde im Parlament.
- EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat der Ukraine für den kommenden Winter weitere humanitäre Hilfen in Aussicht gestellt. Sie kündigte am Freitag im Onlinedienst X ein „neues Paket von 40 Millionen Euro für Reparaturarbeiten, Strom, Heizung und Unterkünfte“ an.
- Als Reaktion auf US-Sanktionen gegen seinen Staatssender RT will Russland nun im Gegenzug landesweite Beschränkungen für US-Medien einführen. Es werde „sicherlich“ Maßnahmen zur Einschränkung der Informationsverbreitung durch US-Medien geben, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow.
- Deutschland wird der Ukraine zwölf weitere Panzerhaubitzen 2000 im Wert von 150 Millionen Euro liefern. Sechs der modernen Artilleriegeschütze würden noch in diesem Jahr geliefert, sechs weitere im nächsten Jahr, kündigte Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) in Ramstein an.
- US-Präsident Joe Biden wird zusätzliche Hilfen für die Ukraine in Höhe von 250 Millionen Dollar genehmigen. Dies gab US-Verteidigungsminister Lloyd Austin zu Beginn des Treffens der sogenannten Ramstein-Gruppe auf dem gleichnamigen US-Stützpunkt in Rheinland-Pfalz bekannt.
- Bei russischen Raketenangriffen im Osten der Ukraine ist am Freitag mindestens ein Mensch getötet worden. Mindestens 40 weitere Menschen seien bei dem Angriff in der Stadt Pawlograd in der Region Dnipropetrowsk verletzt worden, teilte das ukrainische Innenministerium mit.
- Der Vorstoß der ukrainischen Streitkräfte in die westrussische Region Kursk zeigt nach Angaben ihres Oberbefehlshabers Wirkung. „In den vergangenen sechs Tagen hat der Feind in Richtung Pokrowsk keinen Meter Boden gewonnen. Mit anderen Worten, unsere Strategie funktioniert“, sagte Olexander Syrskyj.
- Die ukrainischen Streitkräfte haben offiziellen Angaben aus Russland zufolge am Abend dreimal die russische Grenzstadt Schebekino beschossen. Dabei seien 15 Privathäuser beschädigt worden, teilte der Gouverneur der Region Belgorod, Wjatscheslaw Gladkow, auf seinem Telegram-Kanal mit.
- Großbritannien liefert der Ukraine 650 Raketen zur Luftabwehr. Das teilte das Verteidigungsministerium in London vor einem Treffen der Ukraine-Kontaktgruppe auf dem US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein in Rheinland-Pfalz mit.
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