
© "Meng Dingbo/Xinhua/dpa"
Nach zähen Verhandlungen: Ungarn erzwingt Aufhebung von EU-Sanktionen gegen vier Russen
Die EU-Sanktionen gegen Russland sind Ungarns Ministerpräsident Orbán seit langem ein Dorn im Auge. Jetzt müssen sich die EU-Staaten ein Stück weit beugen. Estland will dies nicht hinnehmen.
Stand:
Nachdem Ungarn die Aufhebung von EU-Sanktionen gegen mehrere Russen erzwungen hat, dringt Estland auf eine Aussetzung des Stimmrechts des Landes in der EU. „Ungarn arbeitet systematisch gegen die gemeinsamen Sicherheitsinteressen Europas, und deshalb müssen wir rasch konkrete Schritte unternehmen“, sagte Außenminister Margus Tsahkna in Tallinn.
Demnach sollte nach estnischen Vorstellungen ein Verfahren nach Artikel 7 des EU-Vertrags eingeleitet werden. Dieses sieht die Möglichkeit der Suspendierung der Stimmrechte von Mitgliedstaaten vor, sollten diese schwerwiegend und anhaltend gegen EU-Werte verstoßen.
Ungarn machte von Veto-Recht Gebrauch
Zuvor hat Ungarn mit seinem Veto-Recht die Aufhebung von EU-Sanktionen gegen vier Russen erzwungen.
Zu den Personen, die künftig nicht mehr auf der EU-Sanktionsliste stehen werden, gehört unter anderem der Oligarch Wjatscheslaw Mosche Kantor, wie mehrere Diplomaten der Deutschen Presse-Agentur bestätigten. Zudem gehe es um eine Schwester des bekannten russischen Unternehmers Alischer Usmanow und zwei weitere Personen.
Druckmittel Ungarns war nach Angaben von Diplomaten die bis zu diesem Samstag notwendige Verlängerung von Russland-Sanktionen. Die Entscheidung dafür erfordert einen einstimmigen Beschluss der 27 EU-Mitgliedstaaten. Ungarn drohte diesen zu blockieren, wenn nicht mehrere Russen von der Liste genommen werden.
Nach zähen Verhandlungen einigten sich die EU-Länder nach Diplomatenangaben darauf, die Sanktionen gegen vier Russen aufzuheben. Anschließend hat die Europäische Union hat ihre Sanktionen gegen tausende russische Staatsbürger um weitere sechs Monate verlängert. Die Sanktionsliste zählt weiter mehr als 2400 Personen und Organisationen.
Orbán hält Russland-Sanktionen nicht für zielführend
Der genaue Hintergrund des ungarischen Vorgehens ist unklar. Ministerpräsident Viktor Orbán hatte allerdings bereits mehrfach erklärt, dass er die Russland-Sanktionen der EU grundsätzlich nicht für zielführend hält.
Die Sanktionen der EU umfassen in der Regel Reisebeschränkungen, das Einfrieren von Vermögenswerten sowie das Verbot der Bereitstellung von Geldern oder anderen wirtschaftlichen Ressourcen. Sie wurden in den meisten Fällen als Reaktion auf die aus EU-Sicht ungerechtfertigte und grundlose militärische Aggression Russlands gegen die Ukraine verhängt.
Die EU-Länder müssen ihre Sanktionen alle sechs Monate einstimmig verlängern. In diesem Zusammenhang hatte Orbán wiederholt mit einer Blockade gedroht. Er ist einer der letzten Regierungschefs in Europa, der trotz des Ukraine-Krieges gute Kontakte zum russischen Präsidenten Wladimir Putin pflegt. Ungarn bezieht weiter im großen Stil Erdgas aus Russland und macht die EU-Sanktionen gegen Moskau immer wieder für die Wirtschaftsprobleme in seinem Land verantwortlich.
Das Risiko von Ungarns Vorstoß
Über die Forderungen Ungarns hatte es wochenlang Diskussionen gegeben, weil etliche Mitgliedstaaten sie zunächst nicht akzeptieren wollten. Als Risiko gilt, dass die Aufhebung der Sanktionen anderen Russen Argumente für Klagen gegen Strafmaßnahmen geben könnte.
So hieß es beispielsweise im Sanktionsbeschluss gegen Kantor, dieser habe enge Verbindungen zu Präsident Wladimir Putin, die ihm geholfen hätten, sein beträchtliches Vermögen zu sichern. Er habe Putin bei zahlreichen Gelegenheiten offen seine Unterstützung und Freundschaft bekundet und unterhalte gute Beziehungen zum Kreml.
Dadurch habe er von russischen Entscheidungsträgern profitiert, die für die rechtswidrige Annexion der Halbinsel Krim durch Russland oder die Destabilisierung der Ukraine verantwortlich seien. Nach Angaben der EU ist Kantor ein großer Anteilseigner von einem der größten Düngemittelhersteller Russlands. (dpa, AFP)
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