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Ein Mahnmal in Uvalde, Texas, erinnert an die 19 Kinder und zwei Erwachsenen, die am 24. Mai 2022 in der Robb Elementary School erschossen wurden.

© Getty Images via AFP/Brandon Bell

US-Gouverneur Murphy im Interview: „Die Waffenlobby ist extrem effektiv“

Phil Murphy, Gouverneur von New Jersey und ehemaliger US-Botschafter in Berlin, über die Epidemie der Waffengewalt, die Macht der NRA – und die Verantwortung deutscher Produzenten.

Nashville, Uvalde, Sandy Hook: Immer wieder kommt es zu grauenhaften „school shootings”, die die USA schockieren. Warum führt dies nicht zu grundlegenden Veränderungen?
Das ist wirklich entmutigend. Der Kongress hat zwar im vergangenen Jahr einige Schritte unternommen, die in eine positive Richtung gingen. Aber das war nicht genug auf Bundesebene. Ich bin dankbar dafür, dass sie überhaupt etwas getan haben, doch die Kongress-Mitglieder haben noch einen langen Weg vor sich.

In vielerlei Hinsicht ist es aber entscheidend, wie die Gesetze auf der Ebene der Bundesstaaten aussehen. So hat zum Beispiel der Senat in Tennessee kurz vor dem Shooting in Nashville dafür gestimmt, das Alter für den Besitz einer Waffe von 21 auf 18 Jahre herabzusetzen.

Andere Bundesstaaten, auch Ihr Staat New Jersey, verschärfen die Gesetze.
Genau. New Jersey hat wahrscheinlich zusammen mit Kalifornien die strengsten Gesetze zur Waffensicherheit in Amerika. Viele andere Staaten gehen in eine völlig andere Richtung. Und es gibt den Obersten Gerichtshof der USA, der so etwas wie das unbegrenzte verdeckte Tragen von Waffen verteidigt. In vielerlei Hinsicht kommt es also darauf an, wo man lebt.

Aber: Die meisten Waffen, die wir in New Jersey sicherstellen, stammen aus anderen Bundesstaaten. Sie kommen aus Georgia, South Carolina oder anderen Orten an der Ostküste. Das erinnert uns daran, dass wir in New Jersey strenge Waffengesetze haben können und deshalb eine der niedrigsten Raten an Waffengewalt aller Bundesstaaten aufweisen. Aber die Rate wird nie auf Null sinken, da uns die Bundesgesetze fehlen, die der Kongress verabschieden und der Präsident unterzeichnen muss. Wir stecken in einem Dilemma.

Ganz vorne im Kampf gegen strengere Waffengesetze steht immer noch die National Rifle Association (NRA), auch wenn sie in den letzten Jahren schwächer geworden ist. Welchen Einfluss hat die Waffen-Lobby noch – und welche Erfahrungen haben Sie mit ihr gemacht?
Die NRA stellt Politikern ein Zeugnis aus, und ich bin stolz darauf, von ihr ein F für „failed“ erhalten zu haben – ich bin also durchgefallen. Die Waffenlobby mag etwas schwächer sein, aber sie ist immer noch extrem effektiv.

Sie hat es geschafft, den Willen des amerikanischen Volkes von den Handlungen beziehungsweise der Untätigkeit des Kongresses abzukoppeln. Schaut man sich die Meinungsumfragen an, weiß man, wie die Amerikaner zu Waffensicherheit und Waffengesetzen stehen: Sie wollen mehr Regulierung. Vergleicht man das mit den Maßnahmen des Kongresses, zeigt sich ein dramatischer Unterschied. Die NRA ist also immer noch sehr mächtig.

Auf der anderen Seite gibt es NGOs, die versuchen, mehr Waffensicherheit gegen die NRA durchzusetzen. Haben sie eine Chance?
Sie sind zum Glück ebenfalls sehr effektiv. In New Jersey arbeiten wir mit vielen von ihnen zusammen. Können sie mehr Unterstützung gebrauchen? Klar!

Viele Waffen in den USA wurden von deutschen oder österreichischen Firmen hergestellt, wie eine Tagesspiegel-Recherche ergab. Was muss Ihrer Meinung nach dagegen unternommen werden?
Egal, wo die Hersteller herkommen: Wir müssen sicherstellen, dass nicht nur die Schützen zur Rechenschaft gezogen werden können, sondern auch die Unternehmen, die Sturmgewehre oder die Munition dafür herstellen. Das ist ein frustrierender und schwieriger Prozess.

Kann man da etwas vom Kampf gegen die Zigarettenindustrie lernen?
Das denke ich, ja. Waffenproduzenten tragen eine Verantwortung und sie müssen erkennen, dass sie hier haftbar sind. Sie können diese Waffen nicht herstellen, ohne dafür verantwortlich zu sein, wie sie eingesetzt werden und wer sie einsetzt.

Ein großer Teil der Waffen in den USA stammt von deutschen und österreichischen Firmen. Was sie anrichten, hat der Tagesspiegel zusammen mit dem ZDF Magazin Royal recherchiert.

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