
© Montage: Tagesspiegel/Fotos: Reuters/Donald Trump via Truth Social
Venezolanischer Politiker zu Bootsangriffen: Wollen die USA einen Krieg mit Ihrem Land, Herr González?
US-Präsident Trump lässt Militär vor die Küste Venezuelas verlegen, um angeblich Drogenboote abzufangen. Oder will er Präsident Maduro stürzen? Was ein Oppositionspolitiker darüber denkt.
Stand:
Herr González, die USA haben mindestens zehn Boote in der Karibik abgeschossen, 43 Menschen sollen bereits getötet worden sein. Präsident Donald Trump hat Kriegsschiffe, Kampfjets und ein Atom-U-Boot in die Region entsendet. Alles im Namen des Kampfes gegen Drogen, bei dem Trump oft gegen das Regime von Nicolás Maduro wettert. Wollen die USA den Krieg mit Venezuela?
Die Beziehung zwischen beiden Ländern ist definitiv angespannt. Aber es geht Trump ja nicht nur um Venezuela: Die meisten Boote, die das US-Militär bislang angegriffen hat, sollen aus Kolumbien gekommen sein. Auch den kolumbianischen Präsidenten Gustavo Petro nimmt er zunehmend ins Visier.
Und trotzdem: Seit Wochen steht die Vermutung im Raum, dass die Trump-Regierung den Kampf gegen die Kartelle vorschiebt, um Maduro zu stürzen. Die meisten Drogen, vor allem Fentanyl, werden weder in Venezuela produziert noch über den Seeweg in die USA geschmuggelt.
Mein Eindruck ist: Trump verfolgt kein außen-, sondern ein innenpolitisches Ziel. Mit dem Krieg gegen die Drogen will er den Einsatz von Militär und Nationalgarde rechtfertigen, auch im eigenen Land.
Venezuela lässt sich für dieses Narrativ leicht instrumentalisieren: Nach der vergangenen Präsidentschaftswahl am 28. Juli 2024 hat Maduros Regime kaum noch Legitimation. Viele wünschen sich einen Machtwechsel mithilfe der USA.
Maduro wurde nach der Wahl zum Sieger erklärt, detaillierte Ergebnisse wurden keine veröffentlicht. Die Opposition deklariert den Sieg für sich, ihr Kandidat Edmundo González wird von vielen westlichen Staaten – darunter auch die USA – als Präsident anerkannt. González lebt inzwischen im Exil, andere Oppositionelle wie Friedensnobelpreisträgerin María Corina Machado leben wegen zunehmender Repressionen im Untergrund.
Wir alle erleben diese Repression, in unterschiedlichem Ausmaß. Auch ich lebe nach wie vor in Venezuela und achte deshalb genau darauf, wie ich meine Worte wähle. Während meine Kollegen, die im Exil leben, offen von Wahlbetrug sprechen, sage ich immer nur: Wir alle wissen, was am 28. Juli passiert ist.
Sie haben in den vergangenen Jahren häufig an Gesprächen zwischen den USA und Venezuela teilgenommen. Zum Beispiel an den Verhandlungen, bei denen Maduros Regierung ursprünglich zusagte, am 28. Juli demokratische Wahlen zuzulassen. Gibt es derzeit noch Gesprächs- oder Verhandlungskanäle zwischen beiden Regierungen?
Jede Woche fliegen Abschiebeflieger aus den USA nach Venezuela. Ein Minimum an Kommunikation muss es also geben. Darüber hinaus gibt es meines Wissens aber keine Verhandlungen, die Maduro zu einer Machtübergabe bewegen sollen. Die aktuelle Atmosphäre zwischen beiden Ländern lässt das, glaube ich, auch nicht zu.
Wenn wir ein demokratisches und freies Venezuela möchten, müssen wir Rachegedanken zurückstellen.
Iván Stalin González Montaño
Teile der venezolanischen Opposition – dazu gehört auch Machado – befürworten US-amerikanische Militäroperationen gegen Venezuela. Machado hat den Friedensnobelpreis neben dem venezolanischen Volk auch Donald Trump gewidmet. Wie stehen Sie dazu?
Die Opposition ist sich in dieser Frage definitiv uneinig. Mit dem Friedensnobelpreis sollte eine Verantwortung einhergehen, weiterhin auf Frieden hinzuarbeiten. Die Äußerungen der aktuellen Preisträgerin werden dem nicht gerecht. Ich selbst bin fest überzeugt: Nur die Venezolaner können Venezuela die Demokratie zurückbringen.
Deshalb trete ich nach wie vor zu Wahlen an, deshalb kämpfe ich innerhalb des politischen Systems für Veränderung. Wir dürfen die wenigen demokratischen Gestaltungsräume, die wir noch haben, nicht aufgeben. Ohne eine organisierte Opposition im eigenen Land unterscheidet sich Venezuela nicht mehr von Regimen wie Kuba und Nicaragua.

© Reuters/Leonardo Fernandez Viloria
Sie sitzen seit 2010 – mit Unterbrechungen – als Abgeordneter im venezolanischen Parlament. Erst dieses Jahr im Mai wurden Sie wiedergewählt. Andere Oppositionsparteien haben die Wahl boykottiert, weil sie aus ihrer Sicht nicht mehr fair und frei sind. Können Sie in einem autokratischen System noch echte Oppositionsarbeit machen?
Es gibt in Venezuela immer noch eine vielfältige Opposition, auch wenn sie für die internationale Gemeinschaft nicht sichtbar ist: im Parlament, an Universitäten, in Gewerkschaften. Knapp 30 Millionen Menschen in Venezuela kämpfen jeden Tag gegen die Staatskrise, die Wirtschaftskrise, gegen Unsicherheit und Repressionen.
Einige Umfragen suggerieren, dass 80 Prozent mit Maduro unzufrieden sind. Diese vielen vereinzelten Kämpfe müssen wir zusammenführen und koordinieren. Vor der letzten Präsidentschaftswahl hat das gut funktioniert. Als Maduro an der Macht blieb, ist diese Allianz aber schnell zerfallen. Wir müssen sie wieder aufbauen. Und ich glaube, das können wir nur, wenn wir im Parlament sitzen, wenn wir im Dialog stehen.
Ihr persönlicher Kampf fing 2007 an. Mit vielen anderen protestierten Sie damals gegen eine Verfassungsänderung, mit der der damalige Präsident Hugo Chávez unbegrenzt lange hätte an der Macht bleiben können. Sie hatten damit Erfolg.
Wir konnten große Teile der Opposition überzeugen, abzustimmen – viele, darunter auch María Corina Machado, wollten die Abstimmung boykottieren. Aber wir haben auch einige Chavisten, der nach seinem Vorgänger Hugo Chávez benannten Bewegung, überzeugen können, dass dieses Projekt nicht richtig ist.
Ich habe diesen Kampf 2007 geführt, weil ich an unsere demokratische Verfassung geglaubt habe, und daran, dass wir solche Erfolge von innen heraus schaffen können. Daran glaube ich auch heute noch.
Wie kann man sich das vorstellen – Sie wollen Maduros Regierung mit Worten davon überzeugen, die Macht abzugeben?
Maduro kann sich nur an der Macht halten, weil er das Militär hinter sich hat. Vielen Militärs ist klar, dass sie ein illegitimes Regime stützen, und diese Gewissheit wiegt sicher schwer. Wenn man allen Beteiligten nur eine Haftstrafe in Aussicht stellt, werden sie die Macht bestimmt nicht gewaltfrei abgeben. Warum sollten sie auch? Wenn wir ein demokratisches und freies Venezuela möchten, müssen wir Rachegedanken zurückstellen.
An dem Tag, an dem Maduro verschwindet, werden die etwa vier Millionen Chavisten nicht verschwinden. Wir müssen ihnen die Möglichkeit geben, in einem demokratischen System weiter zu existieren.
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